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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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Und nun gieng in der Ebene das Gefecht von neu-
em an. Aber wer wird das beschreiben wollen, wo
jetzt Rauch und Dampf von Lowositz ausgieng;
wo es krachte und donnerte, als ob Himmel und
Erde hätten zergehen wollen; wo das unaufhör-
liche Rumpeln vieler hundert Trommeln, das herz-
zerschneidende und herzerhebende Ertönen aller Art
Feldmusick, das Rufen so vieler Commandeurs und
das Brüllen ihrer Adjutanten, das Zetter- und
Mordiogeheul so vieler tausend elenden, zerquetsch-
ten, halbtodten Opfer dieses Tages alle Sinnen be-
täubte! Um diese Zeit -- es mochte etwa 3. Uhr
seyn -- da Lowositz schon im Feuer stand, viele
hundert Panduren, auf welche unsre Vordertruppen
wieder wie wilde Löwen einbrachen, ins Wasser spran-
gen, wo es dann auf das Städtgen selber losgieng --
um diese Zeit war ich freylich nicht der Vorderste
sondern unter dem Nachtrapp noch etwas im Weinberg
droben, von denen indessen mancher, wie gesagt, weit
behender als ich von einer Mauer über die andere
hinuntersprang, um seinen Brüdern zu Hülf' zu ei-
len. Da ich also noch ein wenig erhöht stand, und
auf die Ebene wie in ein finsteres Donner- und Hagel-
wetter hineinsah -- in diesem Augenblick deucht' es
mich Zeit, oder vielmehr mahnte mich mein Schutz-
engel, mich mit der Flucht zu retten. Ich sah mich
deswegen nach allen Seiten um. Vor mir war al-
les Feuer, Rauch und Dampf; hinter mir noch viele
nachkommende auf die Feinde loseilende Truppen,
zur Rechten zwey Hauptarmeen in voller Schlacht-

Und nun gieng in der Ebene das Gefecht von neu-
em an. Aber wer wird das beſchreiben wollen, wo
jetzt Rauch und Dampf von Lowoſitz ausgieng;
wo es krachte und donnerte, als ob Himmel und
Erde haͤtten zergehen wollen; wo das unaufhoͤr-
liche Rumpeln vieler hundert Trommeln, das herz-
zerſchneidende und herzerhebende Ertoͤnen aller Art
Feldmuſick, das Rufen ſo vieler Commandeurs und
das Bruͤllen ihrer Adjutanten, das Zetter- und
Mordiogeheul ſo vieler tauſend elenden, zerquetſch-
ten, halbtodten Opfer dieſes Tages alle Sinnen be-
taͤubte! Um dieſe Zeit — es mochte etwa 3. Uhr
ſeyn — da Lowoſitz ſchon im Feuer ſtand, viele
hundert Panduren, auf welche unſre Vordertruppen
wieder wie wilde Loͤwen einbrachen, ins Waſſer ſpran-
gen, wo es dann auf das Staͤdtgen ſelber losgieng —
um dieſe Zeit war ich freylich nicht der Vorderſte
ſondern unter dem Nachtrapp noch etwas im Weinberg
droben, von denen indeſſen mancher, wie geſagt, weit
behender als ich von einer Mauer uͤber die andere
hinunterſprang, um ſeinen Bruͤdern zu Huͤlf’ zu ei-
len. Da ich alſo noch ein wenig erhoͤht ſtand, und
auf die Ebene wie in ein finſteres Donner- und Hagel-
wetter hineinſah — in dieſem Augenblick deucht’ es
mich Zeit, oder vielmehr mahnte mich mein Schutz-
engel, mich mit der Flucht zu retten. Ich ſah mich
deswegen nach allen Seiten um. Vor mir war al-
les Feuer, Rauch und Dampf; hinter mir noch viele
nachkommende auf die Feinde loseilende Truppen,
zur Rechten zwey Hauptarmeen in voller Schlacht-

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[155/0171] Und nun gieng in der Ebene das Gefecht von neu- em an. Aber wer wird das beſchreiben wollen, wo jetzt Rauch und Dampf von Lowoſitz ausgieng; wo es krachte und donnerte, als ob Himmel und Erde haͤtten zergehen wollen; wo das unaufhoͤr- liche Rumpeln vieler hundert Trommeln, das herz- zerſchneidende und herzerhebende Ertoͤnen aller Art Feldmuſick, das Rufen ſo vieler Commandeurs und das Bruͤllen ihrer Adjutanten, das Zetter- und Mordiogeheul ſo vieler tauſend elenden, zerquetſch- ten, halbtodten Opfer dieſes Tages alle Sinnen be- taͤubte! Um dieſe Zeit — es mochte etwa 3. Uhr ſeyn — da Lowoſitz ſchon im Feuer ſtand, viele hundert Panduren, auf welche unſre Vordertruppen wieder wie wilde Loͤwen einbrachen, ins Waſſer ſpran- gen, wo es dann auf das Staͤdtgen ſelber losgieng — um dieſe Zeit war ich freylich nicht der Vorderſte ſondern unter dem Nachtrapp noch etwas im Weinberg droben, von denen indeſſen mancher, wie geſagt, weit behender als ich von einer Mauer uͤber die andere hinunterſprang, um ſeinen Bruͤdern zu Huͤlf’ zu ei- len. Da ich alſo noch ein wenig erhoͤht ſtand, und auf die Ebene wie in ein finſteres Donner- und Hagel- wetter hineinſah — in dieſem Augenblick deucht’ es mich Zeit, oder vielmehr mahnte mich mein Schutz- engel, mich mit der Flucht zu retten. Ich ſah mich deswegen nach allen Seiten um. Vor mir war al- les Feuer, Rauch und Dampf; hinter mir noch viele nachkommende auf die Feinde loseilende Truppen, zur Rechten zwey Hauptarmeen in voller Schlacht-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/171>, abgerufen am 25.11.2024.