des Land -- erhaschen konnte: Mähl, Rüben, Erd- birrn, Hühner, Enten, u. d. gl. und wer nichts aufzutreiben vermochte, ward von den übrigen aus- geschimpft, wie denn mir das zum öftern begegnete. Was das vor ein Mordiogeschrey gab, wenn's durch ein Dorf gieng, von Weibern, Kindern, Gänsen, Spanferkeln u. s. f. Da mußte alles mit was sich tragen ließ. Husch! den Hals umgedreht und einge- packt. Da brach man in alle Ställ' und Gärten ein, prügelte auf alle Bäume los, und riß die Aeste mit den Früchten ab. Der Hände sind viel, hieß es da; was einer nicht kann, mag der ander. Da durfte keine Seel' Mux machen, wenn's nur der Offizier erlaubte, oder auch bloß halb erlaubte. Da that jeder sein Devoir zum Ueberfluß. Wir drey Schweitzer, Schärer, Bachmann und ich (es gab unsrer Landsleuthe beym Regiment noch mehr, wir kannten sie aber nicht) kamen zwar keiner zum an- dern ins Zelt, auch nie zusammen auf die Wache. Hingegen spazierten wir oft miteinander ausser das Lager bis auf die Vorposten, besonders auf einen gewissen Bühel, wo wir eine weite zierliche Aussicht über das Sächsische und unser ganzes Lager, und durchs Thal hinab bis auf Dresden hatten. Da hielten wir unsern Kriegsrath: Was mir machen, wo hinaus, welchen Weg wir nehmen, wo wir uns wieder treffen sollten? Aber zur Hauptsache, zum hinaus fanden wir alle Löcher verstopft. Zudem wären Schärer und ich lieber einmal an einer schö- nen Nacht allein, ohne Bachmann davon geschli-
des Land — erhaſchen konnte: Maͤhl, Ruͤben, Erd- birrn, Huͤhner, Enten, u. d. gl. und wer nichts aufzutreiben vermochte, ward von den uͤbrigen aus- geſchimpft, wie denn mir das zum oͤftern begegnete. Was das vor ein Mordiogeſchrey gab, wenn’s durch ein Dorf gieng, von Weibern, Kindern, Gaͤnſen, Spanferkeln u. ſ. f. Da mußte alles mit was ſich tragen ließ. Huſch! den Hals umgedreht und einge- packt. Da brach man in alle Staͤll’ und Gaͤrten ein, pruͤgelte auf alle Baͤume los, und riß die Aeſte mit den Fruͤchten ab. Der Haͤnde ſind viel, hieß es da; was einer nicht kann, mag der ander. Da durfte keine Seel’ Mux machen, wenn’s nur der Offizier erlaubte, oder auch bloß halb erlaubte. Da that jeder ſein Devoir zum Ueberfluß. Wir drey Schweitzer, Schärer, Bachmann und ich (es gab unſrer Landsleuthe beym Regiment noch mehr, wir kannten ſie aber nicht) kamen zwar keiner zum an- dern ins Zelt, auch nie zuſammen auf die Wache. Hingegen ſpazierten wir oft miteinander auſſer das Lager bis auf die Vorpoſten, beſonders auf einen gewiſſen Buͤhel, wo wir eine weite zierliche Ausſicht uͤber das Sächſiſche und unſer ganzes Lager, und durchs Thal hinab bis auf Dresden hatten. Da hielten wir unſern Kriegsrath: Was mir machen, wo hinaus, welchen Weg wir nehmen, wo wir uns wieder treffen ſollten? Aber zur Hauptſache, zum hinaus fanden wir alle Loͤcher verſtopft. Zudem waͤren Schärer und ich lieber einmal an einer ſchoͤ- nen Nacht allein, ohne Bachmann davon geſchli-
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des Land — erhaſchen konnte: Maͤhl, Ruͤben, Erd-
birrn, Huͤhner, Enten, u. d. gl. und wer nichts
aufzutreiben vermochte, ward von den uͤbrigen aus-
geſchimpft, wie denn mir das zum oͤftern begegnete.
Was das vor ein Mordiogeſchrey gab, wenn’s durch
ein Dorf gieng, von Weibern, Kindern, Gaͤnſen,
Spanferkeln u. ſ. f. Da mußte alles mit was ſich
tragen ließ. Huſch! den Hals umgedreht und einge-
packt. Da brach man in alle Staͤll’ und Gaͤrten
ein, pruͤgelte auf alle Baͤume los, und riß die Aeſte
mit den Fruͤchten ab. Der Haͤnde ſind viel, hieß
es da; was einer nicht kann, mag der ander. Da
durfte keine Seel’ Mux machen, wenn’s nur der
Offizier erlaubte, oder auch bloß halb erlaubte. Da
that jeder ſein Devoir zum Ueberfluß. Wir drey
Schweitzer, Schärer, Bachmann und ich (es gab
unſrer Landsleuthe beym Regiment noch mehr, wir
kannten ſie aber nicht) kamen zwar keiner zum an-
dern ins Zelt, auch nie zuſammen auf die Wache.
Hingegen ſpazierten wir oft miteinander auſſer das
Lager bis auf die Vorpoſten, beſonders auf einen
gewiſſen Buͤhel, wo wir eine weite zierliche Ausſicht
uͤber das Sächſiſche und unſer ganzes Lager, und
durchs Thal hinab bis auf Dresden hatten. Da
hielten wir unſern Kriegsrath: Was mir machen,
wo hinaus, welchen Weg wir nehmen, wo wir uns
wieder treffen ſollten? Aber zur Hauptſache, zum
hinaus fanden wir alle Loͤcher verſtopft. Zudem
waͤren Schärer und ich lieber einmal an einer ſchoͤ-
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/164>, abgerufen am 25.11.2024.
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