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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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erzählten wir einander unsre Lebensart bey Hause;
wie wohl's uns war, wie frey wir gewesen, was
es hingegen hier vor ein verwünschtes Leben sey, u.
d. gl. Dann machten wir Plane zu unsrer Entledi-
gung. Bald hatten wir Hofnung, daß uns heut oder
mörgens einer derselben gelingen möchte; bald hin-
gegen sahen wir vor jedem einen unübersteiglichen
Berg; und noch am meisten schreckte uns die Vor-
stellung der Folgen eines allenfalls fehlschlagenden
Persuches. Bald alle Wochen hörten wir nämlich
neue ängstigende Geschichten von eingebrachten De-
serteurs, die, wenn sie noch so viele List gebraucht,
sich in Schiffer und andre Handwerksleuthe, oder gar
in Weibsbilder verkleidt, in Tonen und Fässer ver-
steckt, u. d. gl. dennoch ertappt wurden. Da muß-
ten wir zusehen, wie man sie durch 200. Mann,
achtmal die lange Gasse auf und ab Spißruthen lau-
fen ließ, bis sie athemlos hinsanken -- und des fol-
genden Tags aufs neue dran mußten; die Kleider
ihnen vom zerhackten Rückten heruntergerissen, und
wieder frisch drauf losgehauen wurde, bis Fetzen ge-
ronnenen Bluts ihnen über die Hosen hinabhingen.
Dann sahen Schärer und ich einander zitternd und
todtblaß an, und flüsterten einander in die Ohren:
"Die verdammten Barbaren"! Was hiernächst
auch auf dem Exerzierplatz vorgieng, gab uns zu
ähnlichen Betrachtungen Anlaß. Auch da war des
Fluchens und Karbatschens von prügelsüchtigen Jün-
kerlins, und hinwieder des Lamentierens der Geprü-
gelten kein Ende. Wir selber zwar waren immer

erzaͤhlten wir einander unſre Lebensart bey Hauſe;
wie wohl’s uns war, wie frey wir geweſen, was
es hingegen hier vor ein verwuͤnſchtes Leben ſey, u.
d. gl. Dann machten wir Plane zu unſrer Entledi-
gung. Bald hatten wir Hofnung, daß uns heut oder
moͤrgens einer derſelben gelingen moͤchte; bald hin-
gegen ſahen wir vor jedem einen unuͤberſteiglichen
Berg; und noch am meiſten ſchreckte uns die Vor-
ſtellung der Folgen eines allenfalls fehlſchlagenden
Perſuches. Bald alle Wochen hoͤrten wir naͤmlich
neue aͤngſtigende Geſchichten von eingebrachten De-
ſerteurs, die, wenn ſie noch ſo viele Liſt gebraucht,
ſich in Schiffer und andre Handwerksleuthe, oder gar
in Weibsbilder verkleidt, in Tonen und Faͤſſer ver-
ſteckt, u. d. gl. dennoch ertappt wurden. Da muß-
ten wir zuſehen, wie man ſie durch 200. Mann,
achtmal die lange Gaſſe auf und ab Spißruthen lau-
fen ließ, bis ſie athemlos hinſanken — und des fol-
genden Tags aufs neue dran mußten; die Kleider
ihnen vom zerhackten Ruͤckten heruntergeriſſen, und
wieder friſch drauf losgehauen wurde, bis Fetzen ge-
ronnenen Bluts ihnen uͤber die Hoſen hinabhingen.
Dann ſahen Schärer und ich einander zitternd und
todtblaß an, und fluͤſterten einander in die Ohren:
„Die verdammten Barbaren„! Was hiernaͤchſt
auch auf dem Exerzierplatz vorgieng, gab uns zu
aͤhnlichen Betrachtungen Anlaß. Auch da war des
Fluchens und Karbatſchens von pruͤgelſuͤchtigen Juͤn-
kerlins, und hinwieder des Lamentierens der Gepruͤ-
gelten kein Ende. Wir ſelber zwar waren immer

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[131/0147] erzaͤhlten wir einander unſre Lebensart bey Hauſe; wie wohl’s uns war, wie frey wir geweſen, was es hingegen hier vor ein verwuͤnſchtes Leben ſey, u. d. gl. Dann machten wir Plane zu unſrer Entledi- gung. Bald hatten wir Hofnung, daß uns heut oder moͤrgens einer derſelben gelingen moͤchte; bald hin- gegen ſahen wir vor jedem einen unuͤberſteiglichen Berg; und noch am meiſten ſchreckte uns die Vor- ſtellung der Folgen eines allenfalls fehlſchlagenden Perſuches. Bald alle Wochen hoͤrten wir naͤmlich neue aͤngſtigende Geſchichten von eingebrachten De- ſerteurs, die, wenn ſie noch ſo viele Liſt gebraucht, ſich in Schiffer und andre Handwerksleuthe, oder gar in Weibsbilder verkleidt, in Tonen und Faͤſſer ver- ſteckt, u. d. gl. dennoch ertappt wurden. Da muß- ten wir zuſehen, wie man ſie durch 200. Mann, achtmal die lange Gaſſe auf und ab Spißruthen lau- fen ließ, bis ſie athemlos hinſanken — und des fol- genden Tags aufs neue dran mußten; die Kleider ihnen vom zerhackten Ruͤckten heruntergeriſſen, und wieder friſch drauf losgehauen wurde, bis Fetzen ge- ronnenen Bluts ihnen uͤber die Hoſen hinabhingen. Dann ſahen Schärer und ich einander zitternd und todtblaß an, und fluͤſterten einander in die Ohren: „Die verdammten Barbaren„! Was hiernaͤchſt auch auf dem Exerzierplatz vorgieng, gab uns zu aͤhnlichen Betrachtungen Anlaß. Auch da war des Fluchens und Karbatſchens von pruͤgelſuͤchtigen Juͤn- kerlins, und hinwieder des Lamentierens der Gepruͤ- gelten kein Ende. Wir ſelber zwar waren immer

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/147>, abgerufen am 23.11.2024.