Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

schweiß von der Stirne troff. Ich bat daher Zitte-
mann
, mir bey Haus die Handgriffe zu zeigen.
"Die wirst du wohl lernen"! sagte er: "Aber
auf die Geschwindigkeit kömmt's an. "Da geht's
"dir wie e'n Blitz"! Indessen war er so gut, mir
wirklich alles zu weisen; wie ich das Gewehr rein
halten, die Montur anpressen, mich auf Soldaten-
manier frisieren sollte, u. s. f. Nach Crans Rath
verkaufte ich meine Stiefel und kaufte dafür ein
hölzernes Kästgen für meine Wäsche. Im Quartier
übte ich mich sters im Exercieren, las' im Halli-
schen
Gesangbuch, oder betete. Dann spatziert'
ich etwa an die Spree, und sah' da hundert Sol-
datenhände sich mit Aus- und Einladen der Kauf-
mannswaaren beschäftigen: Oder auf die Zimmer-
plätze; da steckte wieder alles voll arbeitender Kriegs-
männer. Ein andermal in die Casernen u. s. f.
Da fand' ich überall auch dergleichen, die hunder-
terley Handthierungen trieben -- von Kunstwerken
an bis zum Spinnrocken. Kam ich auf die Haupt-
wache, so gab's da deren die spielten, soffen und
haselierten; andre welche ruhig ihr Pfeifgen schmauch-
ten und discurirten; etwa auch einer der in einem
erbaulichen Buch las', und's den andern erklärte.
In den Garküchen und Bierbrauereyen gieng's eben
so her. Kurz in Berlin hat's unter dem Militair --
wie, denk' ich freylich, in grossen Staaten überall --
Leuthe aus allen vier Welttheilen, von allen Natio-
nen und Religionen, von allen Characktern, und
von jedem Berufe, womit einer noch nebenzu sein

ſchweiß von der Stirne troff. Ich bat daher Zitte-
mann
, mir bey Haus die Handgriffe zu zeigen.
„Die wirſt du wohl lernen„! ſagte er: „Aber
auf die Geſchwindigkeit koͤmmt’s an. „Da geht’s
„dir wie e’n Blitz„! Indeſſen war er ſo gut, mir
wirklich alles zu weiſen; wie ich das Gewehr rein
halten, die Montur anpreſſen, mich auf Soldaten-
manier friſieren ſollte, u. ſ. f. Nach Crans Rath
verkaufte ich meine Stiefel und kaufte dafuͤr ein
hoͤlzernes Kaͤſtgen fuͤr meine Waͤſche. Im Quartier
uͤbte ich mich ſters im Exercieren, laſ’ im Halli-
ſchen
Geſangbuch, oder betete. Dann ſpatziert’
ich etwa an die Spree, und ſah’ da hundert Sol-
datenhaͤnde ſich mit Aus- und Einladen der Kauf-
mannswaaren beſchaͤftigen: Oder auf die Zimmer-
plaͤtze; da ſteckte wieder alles voll arbeitender Kriegs-
maͤnner. Ein andermal in die Caſernen u. ſ. f.
Da fand’ ich uͤberall auch dergleichen, die hunder-
terley Handthierungen trieben — von Kunſtwerken
an bis zum Spinnrocken. Kam ich auf die Haupt-
wache, ſo gab’s da deren die ſpielten, ſoffen und
haſelierten; andre welche ruhig ihr Pfeifgen ſchmauch-
ten und discurirten; etwa auch einer der in einem
erbaulichen Buch laſ’, und’s den andern erklaͤrte.
In den Garkuͤchen und Bierbrauereyen gieng’s eben
ſo her. Kurz in Berlin hat’s unter dem Militair —
wie, denk’ ich freylich, in groſſen Staaten uͤberall —
Leuthe aus allen vier Welttheilen, von allen Natio-
nen und Religionen, von allen Characktern, und
von jedem Berufe, womit einer noch nebenzu ſein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="124"/>
&#x017F;chweiß von der Stirne troff. Ich bat daher <hi rendition="#fr">Zitte-<lb/>
mann</hi>, mir bey Haus die Handgriffe zu zeigen.<lb/>
&#x201E;Die wir&#x017F;t <choice><sic>dn</sic><corr>du</corr></choice> wohl lernen&#x201E;! &#x017F;agte er: &#x201E;Aber<lb/>
auf die Ge&#x017F;chwindigkeit ko&#x0364;mmt&#x2019;s an. &#x201E;Da geht&#x2019;s<lb/>
&#x201E;dir wie e&#x2019;n Blitz&#x201E;! Inde&#x017F;&#x017F;en war er &#x017F;o gut, mir<lb/>
wirklich alles zu wei&#x017F;en; wie ich das Gewehr rein<lb/>
halten, die Montur anpre&#x017F;&#x017F;en, mich auf Soldaten-<lb/>
manier fri&#x017F;ieren &#x017F;ollte, u. &#x017F;. f. Nach <hi rendition="#fr">Crans</hi> Rath<lb/>
verkaufte ich meine Stiefel und kaufte dafu&#x0364;r ein<lb/>
ho&#x0364;lzernes Ka&#x0364;&#x017F;tgen fu&#x0364;r meine Wa&#x0364;&#x017F;che. Im Quartier<lb/>
u&#x0364;bte ich mich &#x017F;ters im Exercieren, la&#x017F;&#x2019; im <hi rendition="#fr">Halli-<lb/>
&#x017F;chen</hi> Ge&#x017F;angbuch, oder betete. Dann &#x017F;patziert&#x2019;<lb/>
ich etwa an die <hi rendition="#fr">Spree</hi>, und &#x017F;ah&#x2019; da hundert Sol-<lb/>
datenha&#x0364;nde &#x017F;ich mit Aus- und Einladen der Kauf-<lb/>
mannswaaren be&#x017F;cha&#x0364;ftigen: Oder auf die Zimmer-<lb/>
pla&#x0364;tze; da &#x017F;teckte wieder alles voll arbeitender Kriegs-<lb/>
ma&#x0364;nner. Ein andermal in die Ca&#x017F;ernen u. &#x017F;. f.<lb/>
Da fand&#x2019; ich u&#x0364;berall auch dergleichen, die hunder-<lb/>
terley Handthierungen trieben &#x2014; von Kun&#x017F;twerken<lb/>
an bis zum Spinnrocken. Kam ich auf die Haupt-<lb/>
wache, &#x017F;o gab&#x2019;s da deren die &#x017F;pielten, &#x017F;offen und<lb/>
ha&#x017F;elierten; andre welche ruhig ihr Pfeifgen &#x017F;chmauch-<lb/>
ten und discurirten; etwa auch einer der in einem<lb/>
erbaulichen Buch la&#x017F;&#x2019;, und&#x2019;s den andern erkla&#x0364;rte.<lb/>
In den Garku&#x0364;chen und Bierbrauereyen gieng&#x2019;s eben<lb/>
&#x017F;o her. Kurz in <hi rendition="#fr">Berlin</hi> hat&#x2019;s unter dem Militair &#x2014;<lb/>
wie, denk&#x2019; ich freylich, in gro&#x017F;&#x017F;en Staaten u&#x0364;berall &#x2014;<lb/>
Leuthe aus allen vier Welttheilen, von allen Natio-<lb/>
nen und Religionen, von allen Characktern, und<lb/>
von jedem Berufe, womit einer noch nebenzu &#x017F;ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0140] ſchweiß von der Stirne troff. Ich bat daher Zitte- mann, mir bey Haus die Handgriffe zu zeigen. „Die wirſt du wohl lernen„! ſagte er: „Aber auf die Geſchwindigkeit koͤmmt’s an. „Da geht’s „dir wie e’n Blitz„! Indeſſen war er ſo gut, mir wirklich alles zu weiſen; wie ich das Gewehr rein halten, die Montur anpreſſen, mich auf Soldaten- manier friſieren ſollte, u. ſ. f. Nach Crans Rath verkaufte ich meine Stiefel und kaufte dafuͤr ein hoͤlzernes Kaͤſtgen fuͤr meine Waͤſche. Im Quartier uͤbte ich mich ſters im Exercieren, laſ’ im Halli- ſchen Geſangbuch, oder betete. Dann ſpatziert’ ich etwa an die Spree, und ſah’ da hundert Sol- datenhaͤnde ſich mit Aus- und Einladen der Kauf- mannswaaren beſchaͤftigen: Oder auf die Zimmer- plaͤtze; da ſteckte wieder alles voll arbeitender Kriegs- maͤnner. Ein andermal in die Caſernen u. ſ. f. Da fand’ ich uͤberall auch dergleichen, die hunder- terley Handthierungen trieben — von Kunſtwerken an bis zum Spinnrocken. Kam ich auf die Haupt- wache, ſo gab’s da deren die ſpielten, ſoffen und haſelierten; andre welche ruhig ihr Pfeifgen ſchmauch- ten und discurirten; etwa auch einer der in einem erbaulichen Buch laſ’, und’s den andern erklaͤrte. In den Garkuͤchen und Bierbrauereyen gieng’s eben ſo her. Kurz in Berlin hat’s unter dem Militair — wie, denk’ ich freylich, in groſſen Staaten uͤberall — Leuthe aus allen vier Welttheilen, von allen Natio- nen und Religionen, von allen Characktern, und von jedem Berufe, womit einer noch nebenzu ſein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/140
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/140>, abgerufen am 23.11.2024.