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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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Nachbarschaft aufs Jagen. Im Hornung 1756 mach-
ten wir eine Reise nach Straßburg. Auf dem
Weg nahmen wir zu Haßlach im Kinzinger-Thal
unser Schlafquartier. In derselben Nacht war das
entsetzliche Erdbeben, welches man durch ganz Eu-
ropa verspürte. Ich aber empfand nichts davon;
denn ich hatte mich Tags vorher auf einem Karrn-
gaul todmüd geritten. Am Morgen aber sah' ich
alle Gassen voll Schorsteine; und im nächsten Wald
war die Strasse mit umgeworfenen Bäumen in die
Kreutz und Queer so verhackt, daß wir mehrmals
Umwege nehmen mußten. -- In Straßburg mußt'
ich Maul und Augen aufsperren; denn da sah' ich:
1.) Die erste grosse Stadt. 2.) Die erste Festung.
3.) Die erste Garnison. 4.) Am dortigen Münster
das erste Kirchengebäud', bey dessen Anblick ich nicht
lächeln mußte wenn man es einen Tempel nannte.
Wir brauchten acht Tag' zu dieser Tour. Mein
Herr hielt mich auch dießmal gastfrey, und zahlte
mir gleich meinen Sold. Da hätt' ich Geld machen
können wie Heu, wär' ich nicht ein liederlicher Tropf
gewesen. Er selbst indessen hielt nicht viel besser
Haus. Bey unsrer Rückkehr hatten wir zu Roth-
weil
alle Tag Ball, bald in diesem bald in jenem
Wirthshause. Fast alle Hochzeiten richtete man,
Markoni zu Gefallen, in dem unsrigen an. Der
beschenkte alle Bräute, und trillerte dann eins mit
ihnen herum. Auch für mich war dieß jetzt ein gan-
zes Fressen. Zwar hatt' ich mir's fest vorgenommen,
meinem Aennchen treu zu bleiben, und hielt wirk-

Nachbarſchaft aufs Jagen. Im Hornung 1756 mach-
ten wir eine Reiſe nach Straßburg. Auf dem
Weg nahmen wir zu Haßlach im Kinzinger-Thal
unſer Schlafquartier. In derſelben Nacht war das
entſetzliche Erdbeben, welches man durch ganz Eu-
ropa verſpuͤrte. Ich aber empfand nichts davon;
denn ich hatte mich Tags vorher auf einem Karrn-
gaul todmuͤd geritten. Am Morgen aber ſah’ ich
alle Gaſſen voll Schorſteine; und im naͤchſten Wald
war die Straſſe mit umgeworfenen Baͤumen in die
Kreutz und Queer ſo verhackt, daß wir mehrmals
Umwege nehmen mußten. — In Straßburg mußt’
ich Maul und Augen aufſperren; denn da ſah’ ich:
1.) Die erſte groſſe Stadt. 2.) Die erſte Feſtung.
3.) Die erſte Garniſon. 4.) Am dortigen Muͤnſter
das erſte Kirchengebaͤud’, bey deſſen Anblick ich nicht
laͤcheln mußte wenn man es einen Tempel nannte.
Wir brauchten acht Tag’ zu dieſer Tour. Mein
Herr hielt mich auch dießmal gaſtfrey, und zahlte
mir gleich meinen Sold. Da haͤtt’ ich Geld machen
koͤnnen wie Heu, waͤr’ ich nicht ein liederlicher Tropf
geweſen. Er ſelbſt indeſſen hielt nicht viel beſſer
Haus. Bey unſrer Ruͤckkehr hatten wir zu Roth-
weil
alle Tag Ball, bald in dieſem bald in jenem
Wirthshauſe. Faſt alle Hochzeiten richtete man,
Markoni zu Gefallen, in dem unſrigen an. Der
beſchenkte alle Braͤute, und trillerte dann eins mit
ihnen herum. Auch fuͤr mich war dieß jetzt ein gan-
zes Freſſen. Zwar hatt’ ich mir’s feſt vorgenommen,
meinem Aennchen treu zu bleiben, und hielt wirk-

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[103/0119] Nachbarſchaft aufs Jagen. Im Hornung 1756 mach- ten wir eine Reiſe nach Straßburg. Auf dem Weg nahmen wir zu Haßlach im Kinzinger-Thal unſer Schlafquartier. In derſelben Nacht war das entſetzliche Erdbeben, welches man durch ganz Eu- ropa verſpuͤrte. Ich aber empfand nichts davon; denn ich hatte mich Tags vorher auf einem Karrn- gaul todmuͤd geritten. Am Morgen aber ſah’ ich alle Gaſſen voll Schorſteine; und im naͤchſten Wald war die Straſſe mit umgeworfenen Baͤumen in die Kreutz und Queer ſo verhackt, daß wir mehrmals Umwege nehmen mußten. — In Straßburg mußt’ ich Maul und Augen aufſperren; denn da ſah’ ich: 1.) Die erſte groſſe Stadt. 2.) Die erſte Feſtung. 3.) Die erſte Garniſon. 4.) Am dortigen Muͤnſter das erſte Kirchengebaͤud’, bey deſſen Anblick ich nicht laͤcheln mußte wenn man es einen Tempel nannte. Wir brauchten acht Tag’ zu dieſer Tour. Mein Herr hielt mich auch dießmal gaſtfrey, und zahlte mir gleich meinen Sold. Da haͤtt’ ich Geld machen koͤnnen wie Heu, waͤr’ ich nicht ein liederlicher Tropf geweſen. Er ſelbſt indeſſen hielt nicht viel beſſer Haus. Bey unſrer Ruͤckkehr hatten wir zu Roth- weil alle Tag Ball, bald in dieſem bald in jenem Wirthshauſe. Faſt alle Hochzeiten richtete man, Markoni zu Gefallen, in dem unſrigen an. Der beſchenkte alle Braͤute, und trillerte dann eins mit ihnen herum. Auch fuͤr mich war dieß jetzt ein gan- zes Freſſen. Zwar hatt’ ich mir’s feſt vorgenommen, meinem Aennchen treu zu bleiben, und hielt wirk-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/119>, abgerufen am 23.11.2024.