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Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708.

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des Landes Gvinea.

Jedoch werden diese herrliche Beschenckungen so
vielmehr und weniger gegeben/ je reichere Erben der
Verstorbene nachlässet/ so einige Erkenntlichkeit
schuldig seynd. Nach Vollendung alles dessen wenn
die Anverwandten und Gefreunde sich mit einander
hierüber vereiniget/ wird der Todte begraben/ es mag
denn zwey oder drey Jahr nach dessen Ableiben seyn.
Vor dem Cörper gehen oder lauffen vielmehr einige
junge Soldaten/ längst den Weg ohnauffhörlich
schiessende/ bis derselbe eingesencket ist. An den Sei-
ten findet sich eine unbeschreibliche Menge Volcks/ so-
wol Manns-als Weibesleute/ imgleichen auch Kin-
der durch einander/ der eine Hauffe weinet und schreyet
gar gelinde/ der andre aus vollem Halse/ der dritte la-
chet und redet so starck/ daß man sagen solte es kön-
te kein Mensch sterben/ bey dessen Tod sie auch den ge-
ringsten Schein einiger Betrübniß könnten spüren
lassen.

Sobald nun der Cörper in der Erde/ gehet einje-
der zurück/ und zwar die meisten nach dem Sterb-
Haus/ um sich zu erlustigen/ und weidlich herum zu
trincken/ womit sie einige Tage nach einander aushal-
ten/ so daß ein solches Leichbegängniß einer Hochzeit
oder sonst angestellten Lustigkeit vielmehr ähnlich ist.

Der König oder Oberhaupt der Mohren/ oder
sonst eine andre vornehme/ und bey ihnen Zeit Lebens
hoch angesehene Person/ bleibet offtmahls ein gantzes
Jahr über der Erde unbegraben stehen; da denn der
Cörper/ damit er nicht anfange zu faulen und zu stin-
cken/ auf einer über gelindes Kohlfeuer gestelleten höl-
tzernen Rost geleget/ allmählig austrocknen muß. An-
dere hingegen begraben ihn heimlich in dem Hause/ und

ma-
des Landes Gvinea.

Jedoch werden dieſe herrliche Beſchenckungen ſo
vielmehr und weniger gegeben/ je reichere Erben der
Verſtorbene nachlaͤſſet/ ſo einige Erkenntlichkeit
ſchuldig ſeynd. Nach Vollendung alles deſſen wenn
die Anverwandten und Gefreunde ſich mit einander
hieruͤber vereiniget/ wird der Todte begraben/ es mag
denn zwey oder drey Jahr nach deſſen Ableiben ſeyn.
Vor dem Coͤrper gehen oder lauffen vielmehr einige
junge Soldaten/ laͤngſt den Weg ohnauffhoͤrlich
ſchieſſende/ bis derſelbe eingeſencket iſt. An den Sei-
ten findet ſich eine unbeſchreibliche Menge Volcks/ ſo-
wol Manns-als Weibesleute/ imgleichen auch Kin-
der durch einander/ der eine Hauffe weinet und ſchreyet
gar gelinde/ der andre aus vollem Halſe/ der dritte la-
chet und redet ſo ſtarck/ daß man ſagen ſolte es koͤn-
te kein Menſch ſterben/ bey deſſen Tod ſie auch den ge-
ringſten Schein einiger Betruͤbniß koͤnnten ſpuͤren
laſſen.

Sobald nun der Coͤrper in der Erde/ gehet einje-
der zuruͤck/ und zwar die meiſten nach dem Sterb-
Haus/ um ſich zu erluſtigen/ und weidlich herum zu
trincken/ womit ſie einige Tage nach einander aushal-
ten/ ſo daß ein ſolches Leichbegaͤngniß einer Hochzeit
oder ſonſt angeſtellten Luſtigkeit vielmehr aͤhnlich iſt.

Der Koͤnig oder Oberhaupt der Mohren/ oder
ſonſt eine andre vornehme/ und bey ihnen Zeit Lebens
hoch angeſehene Perſon/ bleibet offtmahls ein gantzes
Jahr uͤber der Erde unbegraben ſtehen; da denn der
Coͤrper/ damit er nicht anfange zu faulen und zu ſtin-
cken/ auf einer uͤber gelindes Kohlfeuer geſtelleten hoͤl-
tzernen Roſt geleget/ allmaͤhlig austrocknen muß. An-
dere hingegen begraben ihn heimlich in dem Hauſe/ und

ma-
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[271/0315] des Landes Gvinea. Jedoch werden dieſe herrliche Beſchenckungen ſo vielmehr und weniger gegeben/ je reichere Erben der Verſtorbene nachlaͤſſet/ ſo einige Erkenntlichkeit ſchuldig ſeynd. Nach Vollendung alles deſſen wenn die Anverwandten und Gefreunde ſich mit einander hieruͤber vereiniget/ wird der Todte begraben/ es mag denn zwey oder drey Jahr nach deſſen Ableiben ſeyn. Vor dem Coͤrper gehen oder lauffen vielmehr einige junge Soldaten/ laͤngſt den Weg ohnauffhoͤrlich ſchieſſende/ bis derſelbe eingeſencket iſt. An den Sei- ten findet ſich eine unbeſchreibliche Menge Volcks/ ſo- wol Manns-als Weibesleute/ imgleichen auch Kin- der durch einander/ der eine Hauffe weinet und ſchreyet gar gelinde/ der andre aus vollem Halſe/ der dritte la- chet und redet ſo ſtarck/ daß man ſagen ſolte es koͤn- te kein Menſch ſterben/ bey deſſen Tod ſie auch den ge- ringſten Schein einiger Betruͤbniß koͤnnten ſpuͤren laſſen. Sobald nun der Coͤrper in der Erde/ gehet einje- der zuruͤck/ und zwar die meiſten nach dem Sterb- Haus/ um ſich zu erluſtigen/ und weidlich herum zu trincken/ womit ſie einige Tage nach einander aushal- ten/ ſo daß ein ſolches Leichbegaͤngniß einer Hochzeit oder ſonſt angeſtellten Luſtigkeit vielmehr aͤhnlich iſt. Der Koͤnig oder Oberhaupt der Mohren/ oder ſonſt eine andre vornehme/ und bey ihnen Zeit Lebens hoch angeſehene Perſon/ bleibet offtmahls ein gantzes Jahr uͤber der Erde unbegraben ſtehen; da denn der Coͤrper/ damit er nicht anfange zu faulen und zu ſtin- cken/ auf einer uͤber gelindes Kohlfeuer geſtelleten hoͤl- tzernen Roſt geleget/ allmaͤhlig austrocknen muß. An- dere hingegen begraben ihn heimlich in dem Hauſe/ und ma-

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Zitationshilfe: Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bossmann_gvinea_1708/315>, abgerufen am 24.11.2024.