Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708.des Landes Gvinea. liche doppelten Gewinst ziehet. Die andre Art denGötzen zu befragen ist diese/ wenn der Geistliche un- terschiedliche Nußkerne vom wilden Nußbaum unge- zählet in die Hand nimmt und selbige auf die Erde fallen lässet/ nachgehends zählet ob es gleich oder un- gleich ist/ da mit die Geistlichen trefflich behende sind. Mit einem Wort/ es ist nichts was sie diesen leicht[-] gläubigen Menschen nicht überreden/ oder auf dieser ihre Unkosten sich reich zu machen nicht allerhand Li- ste anwenden können: doch ist die meiste Ursach von dieser ihrer Leichtgläubigkeit diese/ daß ihre Geistlichen insgemein listige Betrieger/ die schönste Gelegenheit haben sie zu betriegen oder zu blenden/ denn im Fall ihre Weissagung nicht eintrifft/ haben sie allezeit diese Entschuldigung vor sich/ daß man nicht in acht ge- nommen/ was doch hätte geschehen sollen/ und dahero von dem erzürnten Götzen kein guter Ausgang der Sache verliehen worden. Da ist nun kein Mensch der dieses nicht ohne einigen Bedacht in der grösten Blindheit annehmen/ oder die Geistlichen viel weni- ger einer Lügen straffen würde/ wenn auch das gantze Land darüber zu trümmern ginge/ denn diese wissen sich allezeit sehr artig heraus zu wickeln. Geschichet es aber/ daß ihre Worte eingetroffen/ werden sie vor die heiligste Leute von der gantzen Welt gehalten/ und muß an ihren reichlichen Belohnungen nichts fehlen. Jhren Gottesdienst könnte man nicht unbillig ei- samm- M 5
des Landes Gvinea. liche doppelten Gewinſt ziehet. Die andre Art denGoͤtzen zu befragen iſt dieſe/ wenn der Geiſtliche un- terſchiedliche Nußkerne vom wilden Nußbaum unge- zaͤhlet in die Hand nimmt und ſelbige auf die Erde fallen laͤſſet/ nachgehends zaͤhlet ob es gleich oder un- gleich iſt/ da mit die Geiſtlichen trefflich behende ſind. Mit einem Wort/ es iſt nichts was ſie dieſen leicht[-] glaͤubigen Menſchen nicht uͤberreden/ oder auf dieſer ihre Unkoſten ſich reich zu machen nicht allerhand Li- ſte anwenden koͤnnen: doch iſt die meiſte Urſach von dieſer ihrer Leichtglaͤubigkeit dieſe/ daß ihre Geiſtlichen insgemein liſtige Betrieger/ die ſchoͤnſte Gelegenheit haben ſie zu betriegen oder zu blenden/ denn im Fall ihre Weiſſagung nicht eintrifft/ haben ſie allezeit dieſe Entſchuldigung vor ſich/ daß man nicht in acht ge- nommen/ was doch haͤtte geſchehen ſollen/ und dahero von dem erzuͤrnten Goͤtzen kein guter Ausgang der Sache verliehen worden. Da iſt nun kein Menſch der dieſes nicht ohne einigen Bedacht in der groͤſten Blindheit annehmen/ oder die Geiſtlichen viel weni- ger einer Luͤgen ſtraffen wuͤrde/ wenn auch das gantze Land daruͤber zu truͤmmern ginge/ denn dieſe wiſſen ſich allezeit ſehr artig heraus zu wickeln. Geſchichet es aber/ daß ihre Worte eingetroffen/ werden ſie vor die heiligſte Leute von der gantzen Welt gehalten/ und muß an ihren reichlichen Belohnungen nichts fehlen. Jhren Gottesdienſt koͤnnte man nicht unbillig ei- ſamm- M 5
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des Landes Gvinea.
liche doppelten Gewinſt ziehet. Die andre Art den
Goͤtzen zu befragen iſt dieſe/ wenn der Geiſtliche un-
terſchiedliche Nußkerne vom wilden Nußbaum unge-
zaͤhlet in die Hand nimmt und ſelbige auf die Erde
fallen laͤſſet/ nachgehends zaͤhlet ob es gleich oder un-
gleich iſt/ da mit die Geiſtlichen trefflich behende ſind.
Mit einem Wort/ es iſt nichts was ſie dieſen leicht-
glaͤubigen Menſchen nicht uͤberreden/ oder auf dieſer
ihre Unkoſten ſich reich zu machen nicht allerhand Li-
ſte anwenden koͤnnen: doch iſt die meiſte Urſach von
dieſer ihrer Leichtglaͤubigkeit dieſe/ daß ihre Geiſtlichen
insgemein liſtige Betrieger/ die ſchoͤnſte Gelegenheit
haben ſie zu betriegen oder zu blenden/ denn im Fall
ihre Weiſſagung nicht eintrifft/ haben ſie allezeit dieſe
Entſchuldigung vor ſich/ daß man nicht in acht ge-
nommen/ was doch haͤtte geſchehen ſollen/ und dahero
von dem erzuͤrnten Goͤtzen kein guter Ausgang der
Sache verliehen worden. Da iſt nun kein Menſch
der dieſes nicht ohne einigen Bedacht in der groͤſten
Blindheit annehmen/ oder die Geiſtlichen viel weni-
ger einer Luͤgen ſtraffen wuͤrde/ wenn auch das gantze
Land daruͤber zu truͤmmern ginge/ denn dieſe wiſſen
ſich allezeit ſehr artig heraus zu wickeln. Geſchichet
es aber/ daß ihre Worte eingetroffen/ werden ſie vor
die heiligſte Leute von der gantzen Welt gehalten/ und
muß an ihren reichlichen Belohnungen nichts fehlen.
Jhren Gottesdienſt koͤnnte man nicht unbillig ei-
nen allgemeinen nennen/ weil derſelbige in einem gan-
tzen Land oder Dorff gehalten wird/ wenn es unfrucht-
bahre Jahres-Zeiten giebet/ entweder den Regen vom
Himmel zu erbitten/ oder denſelbigen abwendig zu
machen/ wenn er allzuhaͤuffig einfaͤllt. Alsdenn ver-
ſamm-
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Zitationshilfe: | Bosman, Willem: Reyse nach Gvinea. Hamburg, 1708, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bossmann_gvinea_1708/229>, abgerufen am 31.07.2024. |