pbo_095.001 die höchste Stufe gehoben, fand trotz immer wieder erneutem pbo_095.002 Anklopfen in der Renaissancepoesie des 16. und 17. Jh. in pbo_095.003 Deutschland lange keine Pflege. Erst das mächtige Einwirken pbo_095.004 Dantes im Anfange unseres Jahrhunderts hat sie auch hier pbo_095.005 zu Lande populär gemacht. Bekannt ist Chamissos Vorliebe pbo_095.006 für diese Form.
pbo_095.007
Jch saß vor Sonnenaufgang an dem Strande, pbo_095.008 Das Sternenkreuz verkündete den Tag, pbo_095.009 Sich neigend zu des Horizontes Rande.
pbo_095.010
Und noch gehüllt in tiefes Dunkel lagpbo_095.011 Vor mir der Osten, leuchtend mir entrollte pbo_095.012 Zu meinen Füßen sich der Wellenschlag.
pbo_095.013
Mir war, als ob die Nacht nicht enden wollte ...
pbo_095.014
(Aus dessen "Salas y Gomez".)
pbo_095.015 Die Stanze oder Ottaverime kann ihrer inneren pbo_095.016 Anlage nach als der Versuch angesehen werden, die Terzine pbo_095.017 strophisch zum Stillstand und Abschluß zu bringen; womit pbo_095.018 wir nicht gesagt haben wollen, daß sie sich historisch so gebildet pbo_095.019 habe, obwohl ihr zeitliches Auftreten nach der Terzine pbo_095.020 im 14. Jh. auch nicht gerade das Gegenteil beweist. Die pbo_095.021 Stanze hat sich jedenfalls weit rascher überall Bahn gebrochen pbo_095.022 (auch in Deutschland im 17. Jh.) und weit mehr Raum verschafft, pbo_095.023 als die Terzinen. Jhre epische Verwendung in den pbo_095.024 anmutigen und kühnen Rittergedichten, an denen sich die pbo_095.025 italienische Renaissance für ihre antiken Schulstudien schadlos pbo_095.026 hielt, machten sie zur modernen Heldenstrophe für alle möglichen pbo_095.027 Vorwürfe aus dem Feen- und Schäferlande. Schiller pbo_095.028 wagte sogar Virgils Aeneis in sie einzugießen. Goethes Bevorzugung pbo_095.029 der Strophe für die tiefsinnigsten Aussprachen seines pbo_095.030 Jnnern, wie Byrons dämonisch witziges Geplauder in ihr
pbo_095.001 die höchste Stufe gehoben, fand trotz immer wieder erneutem pbo_095.002 Anklopfen in der Renaissancepoesie des 16. und 17. Jh. in pbo_095.003 Deutschland lange keine Pflege. Erst das mächtige Einwirken pbo_095.004 Dantes im Anfange unseres Jahrhunderts hat sie auch hier pbo_095.005 zu Lande populär gemacht. Bekannt ist Chamissos Vorliebe pbo_095.006 für diese Form.
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Jch saß vor Sonnenaufgang an dem Strande, pbo_095.008 Das Sternenkreuz verkündete den Tag, pbo_095.009 Sich neigend zu des Horizontes Rande.
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Und noch gehüllt in tiefes Dunkel lagpbo_095.011 Vor mir der Osten, leuchtend mir entrollte pbo_095.012 Zu meinen Füßen sich der Wellenschlag.
pbo_095.013
Mir war, als ob die Nacht nicht enden wollte ...
pbo_095.014
(Aus dessen „Salas y Gomez“.)
pbo_095.015 Die Stanze oder Ottaverime kann ihrer inneren pbo_095.016 Anlage nach als der Versuch angesehen werden, die Terzine pbo_095.017 strophisch zum Stillstand und Abschluß zu bringen; womit pbo_095.018 wir nicht gesagt haben wollen, daß sie sich historisch so gebildet pbo_095.019 habe, obwohl ihr zeitliches Auftreten nach der Terzine pbo_095.020 im 14. Jh. auch nicht gerade das Gegenteil beweist. Die pbo_095.021 Stanze hat sich jedenfalls weit rascher überall Bahn gebrochen pbo_095.022 (auch in Deutschland im 17. Jh.) und weit mehr Raum verschafft, pbo_095.023 als die Terzinen. Jhre epische Verwendung in den pbo_095.024 anmutigen und kühnen Rittergedichten, an denen sich die pbo_095.025 italienische Renaissance für ihre antiken Schulstudien schadlos pbo_095.026 hielt, machten sie zur modernen Heldenstrophe für alle möglichen pbo_095.027 Vorwürfe aus dem Feen- und Schäferlande. Schiller pbo_095.028 wagte sogar Virgils Aeneis in sie einzugießen. Goethes Bevorzugung pbo_095.029 der Strophe für die tiefsinnigsten Aussprachen seines pbo_095.030 Jnnern, wie Byrons dämonisch witziges Geplauder in ihr
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Mir war, als ob die Nacht nicht enden wollte ...
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Die Stanze oder Ottaverime kann ihrer inneren pbo_095.016
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Vorwürfe aus dem Feen- und Schäferlande. Schiller pbo_095.028
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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/99>, abgerufen am 16.02.2025.
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