Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_081.001 Plötzlich da kommt es mir, pbo_081.005 Treuloser Knabe, pbo_081.006 Daß ich die Nacht von dir pbo_081.007 Geträumet habe. pbo_081.009 pbo_081.014 Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei -- pbo_081.023 pbo_081.024Und vereinen, was ewig sich flieht. § 55. Regelmäßige Versgestaltungen im Taktwechsel. pbo_081.025 *) pbo_081.028
S. Eduard Mörikes Gesammelte Schriften Stuttgart 1889. 1 Bd. pbo_081.029 S. 61, 58. Vgl. auch "An eine Aeolsharfe" S. 39. "Lied vom Winde" S. 59. pbo_081.001 Plötzlich da kommt es mir, pbo_081.005 Treuloser Knabe, pbo_081.006 Daß ich die Nacht von dir pbo_081.007 Geträumet habe. pbo_081.009 pbo_081.014 Der Ménsch ist fréi gescháffen, ist fréi — pbo_081.023 pbo_081.024Únd vereínen, was éwig sich fliéht. § 55. Regelmäßige Versgestaltungen im Taktwechsel. pbo_081.025 *) pbo_081.028
S. Eduard Mörikes Gesammelte Schriften Stuttgart 1889. 1 Bd. pbo_081.029 S. 61, 58. Vgl. auch „An eine Aeolsharfe“ S. 39. „Lied vom Winde“ S. 59. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0085" n="81"/><lb n="pbo_081.001"/> verlassenen Mägdleins (im <hi rendition="#g">Maler Nolten</hi>) besonders die <lb n="pbo_081.002"/> in ihrer Sinngemäßheit metrisch unausschöpflichen Verse der <lb n="pbo_081.003"/> dritten Strophe:</p> <lb n="pbo_081.004"/> <lg> <l>Plötzlich da kommt es mir, </l> <lb n="pbo_081.005"/> <l>Treuloser Knabe,</l> <lb n="pbo_081.006"/> <l>Daß ich die Nacht von dir</l> </lg> <p><lb n="pbo_081.007"/> und nun mit plötzlichem Wechsel des Rhythmus:</p> <lb n="pbo_081.008"/> <lg> <l>Geträumet habe.</l> </lg> <p><lb n="pbo_081.009"/> So auch der rhythmische Wechselruf der von Rob. Schumann <lb n="pbo_081.010"/> chorisch komponierten Ballade „Schön Rohtraut“.<note corresp="PBO_081_*" place="foot" n="*)"><lb n="pbo_081.028"/> S. Eduard <hi rendition="#g">Mörikes</hi> Gesammelte Schriften Stuttgart 1889. 1 Bd. <lb n="pbo_081.029"/> S. 61, 58. Vgl. auch „An eine Aeolsharfe“ S. 39. „Lied vom Winde“ S. 59.</note> <lb n="pbo_081.011"/> Auf die rhythmische Bedeutung der <hi rendition="#g">Kehrverse,</hi> der sogenannten <lb n="pbo_081.012"/> <hi rendition="#g">Refrains,</hi> ist hier besonders zu achten. Doch werden <lb n="pbo_081.013"/> diese erst in der Lehre von den Strophen verständlich.</p> <p><lb n="pbo_081.014"/> Freiheit im Wechsel des Verstakts ist zwischen den ähnlichen <lb n="pbo_081.015"/> Taktgeschlechtern Daktylus und Trochäus, Anapäst und <lb n="pbo_081.016"/> Jambus natürlich, wie schon aus der Behandlung des daktylischen <lb n="pbo_081.017"/> Hexameters und der Anapäste erhellt haben wird. Man <lb n="pbo_081.018"/> kann leicht bei stärkerer Erregung aus dem jambischen Versgang <lb n="pbo_081.019"/> in anapästischen, aus trochäischen in daktylischen übergehen. <lb n="pbo_081.020"/> Die Bewegung erscheint dann nur beschleunigt, nicht <lb n="pbo_081.021"/> radikal verändert:</p> <lb n="pbo_081.022"/> <lg> <l>Der Ménsch ist fréi gescháffen, ist fréi — </l> <lb n="pbo_081.023"/> <l>Únd vereínen, was éwig sich fliéht.</l> </lg> <lb n="pbo_081.024"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 55. Regelmäßige Versgestaltungen im Taktwechsel.</hi> </head> <p><lb n="pbo_081.025"/> Unsere <hi rendition="#g">rhythmische</hi> Verskunst scheint auf diese leichteste <lb n="pbo_081.026"/> Art des Taktwechsels beschränkt, während die antike <hi rendition="#g">metrische</hi> <lb n="pbo_081.027"/> ein Reihe gangbarer Verstypen auf reicheren Formen <hi rendition="#g">gegen- </hi></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0085]
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verlassenen Mägdleins (im Maler Nolten) besonders die pbo_081.002
in ihrer Sinngemäßheit metrisch unausschöpflichen Verse der pbo_081.003
dritten Strophe:
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Plötzlich da kommt es mir, pbo_081.005
Treuloser Knabe, pbo_081.006
Daß ich die Nacht von dir
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und nun mit plötzlichem Wechsel des Rhythmus:
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Geträumet habe.
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So auch der rhythmische Wechselruf der von Rob. Schumann pbo_081.010
chorisch komponierten Ballade „Schön Rohtraut“. *) pbo_081.011
Auf die rhythmische Bedeutung der Kehrverse, der sogenannten pbo_081.012
Refrains, ist hier besonders zu achten. Doch werden pbo_081.013
diese erst in der Lehre von den Strophen verständlich.
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Freiheit im Wechsel des Verstakts ist zwischen den ähnlichen pbo_081.015
Taktgeschlechtern Daktylus und Trochäus, Anapäst und pbo_081.016
Jambus natürlich, wie schon aus der Behandlung des daktylischen pbo_081.017
Hexameters und der Anapäste erhellt haben wird. Man pbo_081.018
kann leicht bei stärkerer Erregung aus dem jambischen Versgang pbo_081.019
in anapästischen, aus trochäischen in daktylischen übergehen. pbo_081.020
Die Bewegung erscheint dann nur beschleunigt, nicht pbo_081.021
radikal verändert:
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Der Ménsch ist fréi gescháffen, ist fréi — pbo_081.023
Únd vereínen, was éwig sich fliéht.
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§ 55. Regelmäßige Versgestaltungen im Taktwechsel. pbo_081.025
Unsere rhythmische Verskunst scheint auf diese leichteste pbo_081.026
Art des Taktwechsels beschränkt, während die antike metrische pbo_081.027
ein Reihe gangbarer Verstypen auf reicheren Formen gegen-
*) pbo_081.028
S. Eduard Mörikes Gesammelte Schriften Stuttgart 1889. 1 Bd. pbo_081.029
S. 61, 58. Vgl. auch „An eine Aeolsharfe“ S. 39. „Lied vom Winde“ S. 59.
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Zitationshilfe: | Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/85>, abgerufen am 16.02.2025. |