pbo_073.001 Ergänzung nach der Seite der Phantasie, des Visionären, pbo_073.002 Zauberischen, Märchenhaften darbietet (so in Ferd. Raimunds pbo_073.003 Märchendramen). Das liegt vielleicht an den oben berührten pbo_073.004 Eigenschaften seiner Kürze bei der Gehaltenheit seines Rhythmus, pbo_073.005 die den Ausdruck des Andeutenden, Ahnungsreichen begünstigen.
pbo_073.006
pbo_073.007 Jm Gegensatz dazu bringt die Combination trochäischer pbo_073.008 Viertakter zu einer trochäischen Langzeile von acht Füßen pbo_073.009 (trochäischer Oktonar) durch den überweiten Rahmen pbo_073.010 für die gewichtigen Rhythmen leicht den Eindruck der Geschwätzigkeit pbo_073.011 hervor. Die Alten verwendeten sie daher nur in kurzer pbo_073.012 Folge zu einer chorischen Zugabe, wie etwa Sophokles am pbo_073.013 Schlusse des "König Oedipus". Während Opitz im 17. Jh. pbo_073.014 mit der Einführung dieses damals nach ihm benannten versus pbo_073.015 Opitianus bei tragischen Vorwürfen (in seiner "Judith") keinen pbo_073.016 guten Griff machte, hat in unserem Jahrhundert Platenpbo_073.017 ihn sehr glücklich zu den komischen Apostrophen seiner Aristophanischen pbo_073.018 Lustspiele benutzt, für die ihm die chorische Parabasepbo_073.019 des antiken Dramas das Muster bot:
pbo_073.020 "Scheint sie auch geschwätzig, laßt sie; denn es ist ein alter Brauch, pbo_073.021 Gerne plaudern ja die Basen und die Parabasen auch."
pbo_073.022 Fünffüßige Trochäen, bei denen eine Diärese nach pbo_073.023 dem zweiten Fuße, eine Caesur im dritten Fuße sich gleich pbo_073.024 bemerkbar macht, sind der Vers der schönen serbischen pbo_073.025 Volkslieder, die Goethes ganz besonderen Beifall fanden. pbo_073.026 (Vgl. seine frühe Uebersetzung des Klaggesang von der pbo_073.027 edlen Frauen des Asan Aga aus dem Morlakischen.)
pbo_073.028
§. 52. Daktylische Verse.
pbo_073.029 Daktylische Verse: Jhre oben berührte heftige Bestreitung pbo_073.030 von Seiten der nationalen Metriker findet ihren
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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/77>, abgerufen am 16.02.2025.
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