pbo_066.003 Vers nennen wir eine in sich abgeschlossene wiederkehrende pbo_066.004 (vergl. oben versus!) metrische (rhythmische) Taktreihe. Jhre pbo_066.005 Takteinheiten charakterisirt die Metrik als Füße (Schritte). pbo_066.006 Als ästhetisches Grundgesetz für die Versgestaltung gilt für pbo_066.007 alle Versgeschlechter, daß die einzelnen Wörter nicht regelmäßig pbo_066.008 mit den Versfüßen zusammenfallen, sondern nach Möglichkeit pbo_066.009 über sie hinausgreifen, sie durchbrechen.
pbo_066.010 Also jambisch nicht:
pbo_066.011
Wohlan | frischauf | gewagt
pbo_066.012 sondern:
pbo_066.013
Wir wol | len's freu | dig wag | en
pbo_066.014 Wir haben hier nun wieder einen fühlbaren Ausdruck der oben pbo_066.015 im Eingange der Metrik erörterten idealen Zusammengehörigkeit pbo_066.016 von kunstmäßiger Wortfügung und Wortsinn. Die Sinnglieder, pbo_066.017 die Wörter, sollen nicht aus den Versgliedern gleichsam pbo_066.018 herausfallen, sondern sich in sie verschlingen, in sie pbo_066.019 förmlich verkettet sein. Und wie mit dem engsten Sinnglied, pbo_066.020 dem Worte, steht es auch mit den weiteren, Satzteil und Satz. pbo_066.021 Der mit ihnen verbundene Ruhepunkt soll lieber innerhalb pbo_066.022 der Glieder des Verses einschneiden (Caesur), als durch pbo_066.023 den Zusammenfall mit ihnen den Vers auseinanderreißen pbo_066.024 (Diärese). Also:
pbo_066.025
Hinaus | in eu | re Schat | ten, || re | ge Wip | fel || Caesur.
pbo_066.026 Doch sind gerade in der hier mit angeführten Versart die pbo_066.027 Caesuren oft diäretisch:
pbo_066.001
Kapitel 2. Uebersicht der typischen Verse.
pbo_066.002
§ 49. Jnnerer Bau des Verses.
pbo_066.003 Vers nennen wir eine in sich abgeschlossene wiederkehrende pbo_066.004 (vergl. oben versus!) metrische (rhythmische) Taktreihe. Jhre pbo_066.005 Takteinheiten charakterisirt die Metrik als Füße (Schritte). pbo_066.006 Als ästhetisches Grundgesetz für die Versgestaltung gilt für pbo_066.007 alle Versgeschlechter, daß die einzelnen Wörter nicht regelmäßig pbo_066.008 mit den Versfüßen zusammenfallen, sondern nach Möglichkeit pbo_066.009 über sie hinausgreifen, sie durchbrechen.
pbo_066.010 Also jambisch nicht:
pbo_066.011
Wohlán | frischáuf | gewágt
pbo_066.012 sondern:
pbo_066.013
Wir wól | len's freú | dig wág | en
pbo_066.014 Wir haben hier nun wieder einen fühlbaren Ausdruck der oben pbo_066.015 im Eingange der Metrik erörterten idealen Zusammengehörigkeit pbo_066.016 von kunstmäßiger Wortfügung und Wortsinn. Die Sinnglieder, pbo_066.017 die Wörter, sollen nicht aus den Versgliedern gleichsam pbo_066.018 herausfallen, sondern sich in sie verschlingen, in sie pbo_066.019 förmlich verkettet sein. Und wie mit dem engsten Sinnglied, pbo_066.020 dem Worte, steht es auch mit den weiteren, Satzteil und Satz. pbo_066.021 Der mit ihnen verbundene Ruhepunkt soll lieber innerhalb pbo_066.022 der Glieder des Verses einschneiden (Caesur), als durch pbo_066.023 den Zusammenfall mit ihnen den Vers auseinanderreißen pbo_066.024 (Diärese). Also:
pbo_066.025
Hinaús | in eú | re Schát | ten, ‖ ré | ge Wíp | fel ‖ Caesur.
pbo_066.026 Doch sind gerade in der hier mit angeführten Versart die pbo_066.027 Caesuren oft diäretisch:
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Kapitel 2. Uebersicht der typischen Verse. pbo_066.002
§ 49. Jnnerer Bau des Verses. pbo_066.003
Vers nennen wir eine in sich abgeschlossene wiederkehrende pbo_066.004
(vergl. oben versus!) metrische (rhythmische) Taktreihe. Jhre pbo_066.005
Takteinheiten charakterisirt die Metrik als Füße (Schritte). pbo_066.006
Als ästhetisches Grundgesetz für die Versgestaltung gilt für pbo_066.007
alle Versgeschlechter, daß die einzelnen Wörter nicht regelmäßig pbo_066.008
mit den Versfüßen zusammenfallen, sondern nach Möglichkeit pbo_066.009
über sie hinausgreifen, sie durchbrechen.
pbo_066.010
Also jambisch nicht:
pbo_066.011
Wohlán | frischáuf | gewágt
pbo_066.012
sondern:
pbo_066.013
Wir wól | len's freú | dig wág | en
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Wir haben hier nun wieder einen fühlbaren Ausdruck der oben pbo_066.015
im Eingange der Metrik erörterten idealen Zusammengehörigkeit pbo_066.016
von kunstmäßiger Wortfügung und Wortsinn. Die Sinnglieder, pbo_066.017
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förmlich verkettet sein. Und wie mit dem engsten Sinnglied, pbo_066.020
dem Worte, steht es auch mit den weiteren, Satzteil und Satz. pbo_066.021
Der mit ihnen verbundene Ruhepunkt soll lieber innerhalb pbo_066.022
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den Zusammenfall mit ihnen den Vers auseinanderreißen pbo_066.024
(Diärese). Also:
pbo_066.025
Hinaús | in eú | re Schát | ten, ‖ ré | ge Wíp | fel ‖ Caesur.
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Doch sind gerade in der hier mit angeführten Versart die pbo_066.027
Caesuren oft diäretisch:
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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/70>, abgerufen am 16.02.2025.
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