Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

pbo_062.001
der melodischen Ausgestaltung in der musikalischen Periode. pbo_062.002
Der Auftakt erscheint hier als sich fortpflanzendes Glied der pbo_062.003
Kette, während er in der Musik gleichsam nur den Atem pbo_062.004
vorausnimmt. Er begründet auf diese Weise in der strengen pbo_062.005
Metrik gesonderte Versgeschlechter sowohl im geraden als im pbo_062.006
ungeraden Takt. Dem daktylischen (d. i. dreigliedrigen, pbo_062.007
von daktulos, Finger) Geschlecht

pbo_062.008

[Musik]

pbo_062.009
tritt das anapästische (eigentlich Widerschlag, anapaio) pbo_062.010
gegenüber, durch einsilbigen Auftakt (Anakrusis) eingeführt, pbo_062.011
was sehr lebhaft für die Beziehung zur synkopischen Reihe pbo_062.012
spricht:

pbo_062.013

[Musik]

pbo_062.014
Dem trochäischen (d. i. laufenden, schnellen von trokhos, pbo_062.015
trekho) Geschlecht

pbo_062.016

[Musik]

pbo_062.017
entspricht auf der andern Seite das jambische (wohl gleichfalls pbo_062.018
von der raschen Bewegung des Verses, vergl. Christ pbo_062.019
a. a. O. p. 317 iaptein senden [von Geschossen], erst danach pbo_062.020
iambizein; mythologische Erklärung: Jambe, Persönlichkeit pbo_062.021
des eleusinischen Demeterkults).

pbo_062.022

[Musik]

pbo_062.023
§ 48. Regelmäßigkeit des Verses.

pbo_062.024
Die Regelmäßigkeit der streng gegensätzlichen Verstypen pbo_062.025
bezeichnet am kenntlichsten die Einwirkung der antiken Metrik

pbo_062.001
der melodischen Ausgestaltung in der musikalischen Periode. pbo_062.002
Der Auftakt erscheint hier als sich fortpflanzendes Glied der pbo_062.003
Kette, während er in der Musik gleichsam nur den Atem pbo_062.004
vorausnimmt. Er begründet auf diese Weise in der strengen pbo_062.005
Metrik gesonderte Versgeschlechter sowohl im geraden als im pbo_062.006
ungeraden Takt. Dem daktylischen (d. i. dreigliedrigen, pbo_062.007
von δάκτυλος, Finger) Geschlecht

pbo_062.008

[Musik]

pbo_062.009
tritt das anapästische (eigentlich Widerschlag, ἀναπαίω) pbo_062.010
gegenüber, durch einsilbigen Auftakt (Anakrusis) eingeführt, pbo_062.011
was sehr lebhaft für die Beziehung zur synkopischen Reihe pbo_062.012
spricht:

pbo_062.013

[Musik]

pbo_062.014
Dem trochäischen (d. i. laufenden, schnellen von τροχός, pbo_062.015
τρέχω) Geschlecht

pbo_062.016

[Musik]

pbo_062.017
entspricht auf der andern Seite das jambische (wohl gleichfalls pbo_062.018
von der raschen Bewegung des Verses, vergl. Christ pbo_062.019
a. a. O. p. 317 ἰάπτειν senden [von Geschossen], erst danach pbo_062.020
ἰαμβίζειν; mythologische Erklärung: Jambe, Persönlichkeit pbo_062.021
des eleusinischen Demeterkults).

pbo_062.022

[Musik]

pbo_062.023
§ 48. Regelmäßigkeit des Verses.

pbo_062.024
Die Regelmäßigkeit der streng gegensätzlichen Verstypen pbo_062.025
bezeichnet am kenntlichsten die Einwirkung der antiken Metrik

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0066" n="62"/><lb n="pbo_062.001"/>
der melodischen Ausgestaltung in der musikalischen Periode. <lb n="pbo_062.002"/>
Der Auftakt erscheint hier als sich fortpflanzendes Glied der <lb n="pbo_062.003"/>
Kette, während er in der Musik gleichsam nur den Atem <lb n="pbo_062.004"/>
vorausnimmt. Er begründet auf diese Weise in der strengen <lb n="pbo_062.005"/>
Metrik gesonderte Versgeschlechter sowohl im geraden als im <lb n="pbo_062.006"/>
ungeraden Takt. Dem <hi rendition="#g">daktylischen</hi> (d. i. dreigliedrigen, <lb n="pbo_062.007"/>
von <foreign xml:lang="grc">&#x03B4;&#x03AC;&#x03BA;&#x03C4;&#x03C5;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2;</foreign>, Finger) Geschlecht</p>
              <lb n="pbo_062.008"/>
              <p>
                <figure type="notatedMusic"/>
              </p>
              <p><lb n="pbo_062.009"/>
tritt das <hi rendition="#g">anapästische</hi> (eigentlich Widerschlag, <foreign xml:lang="grc">&#x1F00;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C0;&#x03B1;&#x03AF;&#x03C9;</foreign>) <lb n="pbo_062.010"/>
gegenüber, durch einsilbigen Auftakt (Anakrusis) eingeführt, <lb n="pbo_062.011"/>
was sehr lebhaft für die Beziehung zur synkopischen Reihe <lb n="pbo_062.012"/>
spricht:</p>
              <lb n="pbo_062.013"/>
              <p>
                <figure type="notatedMusic"/>
              </p>
              <p><lb n="pbo_062.014"/>
Dem <hi rendition="#g">trochäischen</hi> (d. i. laufenden, schnellen von <foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C7;&#x03CC;&#x03C2;</foreign>, <lb n="pbo_062.015"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03C1;&#x03AD;&#x03C7;&#x03C9;</foreign>) Geschlecht</p>
              <lb n="pbo_062.016"/>
              <p>
                <figure type="notatedMusic"/>
              </p>
              <p><lb n="pbo_062.017"/>
entspricht auf der andern Seite das <hi rendition="#g">jambische</hi> (wohl gleichfalls <lb n="pbo_062.018"/>
von der raschen Bewegung des Verses, vergl. Christ <lb n="pbo_062.019"/>
a. a. O. p. 317 <foreign xml:lang="grc">&#x1F30;&#x03AC;&#x03C0;&#x03C4;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;</foreign> senden [von Geschossen], erst danach <lb n="pbo_062.020"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x1F30;&#x03B1;&#x03BC;&#x03B2;&#x03AF;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;</foreign>; mythologische Erklärung: Jambe, Persönlichkeit <lb n="pbo_062.021"/>
des eleusinischen Demeterkults).</p>
              <lb n="pbo_062.022"/>
              <p>
                <figure type="notatedMusic"/>
              </p>
              <lb n="pbo_062.023"/>
            </div>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c">§ 48. Regelmäßigkeit des Verses.</hi> </head>
              <p><lb n="pbo_062.024"/>
Die Regelmäßigkeit der streng gegensätzlichen Verstypen <lb n="pbo_062.025"/>
bezeichnet am kenntlichsten die Einwirkung der antiken Metrik
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0066] pbo_062.001 der melodischen Ausgestaltung in der musikalischen Periode. pbo_062.002 Der Auftakt erscheint hier als sich fortpflanzendes Glied der pbo_062.003 Kette, während er in der Musik gleichsam nur den Atem pbo_062.004 vorausnimmt. Er begründet auf diese Weise in der strengen pbo_062.005 Metrik gesonderte Versgeschlechter sowohl im geraden als im pbo_062.006 ungeraden Takt. Dem daktylischen (d. i. dreigliedrigen, pbo_062.007 von δάκτυλος, Finger) Geschlecht pbo_062.008 [Abbildung] pbo_062.009 tritt das anapästische (eigentlich Widerschlag, ἀναπαίω) pbo_062.010 gegenüber, durch einsilbigen Auftakt (Anakrusis) eingeführt, pbo_062.011 was sehr lebhaft für die Beziehung zur synkopischen Reihe pbo_062.012 spricht: pbo_062.013 [Abbildung] pbo_062.014 Dem trochäischen (d. i. laufenden, schnellen von τροχός, pbo_062.015 τρέχω) Geschlecht pbo_062.016 [Abbildung] pbo_062.017 entspricht auf der andern Seite das jambische (wohl gleichfalls pbo_062.018 von der raschen Bewegung des Verses, vergl. Christ pbo_062.019 a. a. O. p. 317 ἰάπτειν senden [von Geschossen], erst danach pbo_062.020 ἰαμβίζειν; mythologische Erklärung: Jambe, Persönlichkeit pbo_062.021 des eleusinischen Demeterkults). pbo_062.022 [Abbildung] pbo_062.023 § 48. Regelmäßigkeit des Verses. pbo_062.024 Die Regelmäßigkeit der streng gegensätzlichen Verstypen pbo_062.025 bezeichnet am kenntlichsten die Einwirkung der antiken Metrik

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: manuell (doppelt erfasst).

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;

Hervorhebungen durch Wechsel von Fraktur zu Antiqua: nicht gekennzeichnet




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/66
Zitationshilfe: Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/66>, abgerufen am 22.11.2024.