pbo_057.001 durch leichte und flüssige Metrik im Verse ausgeglichen.*)pbo_057.002 Diese sklavische und völlig unangemessene Art der Nachahmung pbo_057.003 des antiken Verses wurde auch schließlich überwunden, und alle pbo_057.004 Rückfälle darein bleiben für den, der in dieser Materie klar pbo_057.005 blickt, von vornherein aussichtslos.
pbo_057.006 Man fand schließlich das Auskunftsmittel, die antike Metrik pbo_057.007 der deutschen Sprache anzueignen, dadurch, daß man ihre pbo_057.008 Schemen in analogen rhythmischen nachbildete.pbo_057.009 Man muß dabei nur nach Kräften bemüht sein, nicht durch pbo_057.010 allzu grobe Verstöße gegen den ursprünglichen Sinn dieser pbo_057.011 Metren die Analogie illusorisch zu machen, also nicht durch pbo_057.012 allzugroße Schwere in den unbetonten Silben, allzu große pbo_057.013 Leichtigkeit der betonten die Beziehung auf die eigentlich notwendigen pbo_057.014 strengen Längen und Kürzen gradezu herauszufordern. pbo_057.015 Der Daktylus "Holzklotzpflöck" in Hexametern, wie Platen sie pbo_057.016 parodirt, ist freilich kaum geeignet, im Hörer den Eindruck pbo_057.017 antiken Metrums hervorzurufen. Ebenso wenig sollen die pbo_057.018 festen metrischen Schemen durch sprachliche Opfer, Silben- pbo_057.019 verstümmlung und Abwerfung (syllabische Synkopepbo_057.020 und Apokope: g'sagt, neid't; hab's, d'Vater, d'Mutter), pbo_057.021 Silbenzusammenziehung (Synalöphe: so'n Mensch = so ein pbo_057.022 u. dgl.) erzwungen werden. Auch der Hiatus, das Aufeinandertreffen pbo_057.023 zweier Vokale zwischen zwei Worten, bei uns pbo_057.024 des stummen Ausgangs-e's (heute erwartet; zur Statue entgeistert), pbo_057.025 ist im Auge zu behalten, den das feinere Gehör der pbo_057.026 Alten durchgängig vermied oder durch Verschleifung tilgte.
pbo_057.027 Die gelegentliche Schwierigkeit dieser Aufgabe kann jedoch pbo_057.028 nicht abhalten, so klassische künstlerische Gebilde, wie sie pbo_057.029 in den antiken Metren vorliegen, der Dichtung zu bewahren.
*)pbo_057.030 Vgl. des Verf. Poetik der Renaissance in Deutschland Berl. 1886. S. 30 ff.
pbo_057.001 durch leichte und flüssige Metrik im Verse ausgeglichen.*)pbo_057.002 Diese sklavische und völlig unangemessene Art der Nachahmung pbo_057.003 des antiken Verses wurde auch schließlich überwunden, und alle pbo_057.004 Rückfälle darein bleiben für den, der in dieser Materie klar pbo_057.005 blickt, von vornherein aussichtslos.
pbo_057.006 Man fand schließlich das Auskunftsmittel, die antike Metrik pbo_057.007 der deutschen Sprache anzueignen, dadurch, daß man ihre pbo_057.008 Schemen in analogen rhythmischen nachbildete.pbo_057.009 Man muß dabei nur nach Kräften bemüht sein, nicht durch pbo_057.010 allzu grobe Verstöße gegen den ursprünglichen Sinn dieser pbo_057.011 Metren die Analogie illusorisch zu machen, also nicht durch pbo_057.012 allzugroße Schwere in den unbetonten Silben, allzu große pbo_057.013 Leichtigkeit der betonten die Beziehung auf die eigentlich notwendigen pbo_057.014 strengen Längen und Kürzen gradezu herauszufordern. pbo_057.015 Der Daktylus „Holzklotzpflöck“ in Hexametern, wie Platen sie pbo_057.016 parodirt, ist freilich kaum geeignet, im Hörer den Eindruck pbo_057.017 antiken Metrums hervorzurufen. Ebenso wenig sollen die pbo_057.018 festen metrischen Schemen durch sprachliche Opfer, Silben- pbo_057.019 verstümmlung und Abwerfung (syllabische Synkopepbo_057.020 und Apokope: g'sagt, neid't; hab's, d'Vater, d'Mutter), pbo_057.021 Silbenzusammenziehung (Synalöphe: so'n Mensch = so ein pbo_057.022 u. dgl.) erzwungen werden. Auch der Hiatus, das Aufeinandertreffen pbo_057.023 zweier Vokale zwischen zwei Worten, bei uns pbo_057.024 des stummen Ausgangs-e's (heutē ērwartet; zur Statuē ēntgeistert), pbo_057.025 ist im Auge zu behalten, den das feinere Gehör der pbo_057.026 Alten durchgängig vermied oder durch Verschleifung tilgte.
pbo_057.027 Die gelegentliche Schwierigkeit dieser Aufgabe kann jedoch pbo_057.028 nicht abhalten, so klassische künstlerische Gebilde, wie sie pbo_057.029 in den antiken Metren vorliegen, der Dichtung zu bewahren.
*)pbo_057.030 Vgl. des Verf. Poetik der Renaissance in Deutschland Berl. 1886. S. 30 ff.
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Diese sklavische und völlig unangemessene Art der Nachahmung pbo_057.003
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Man fand schließlich das Auskunftsmittel, die antike Metrik pbo_057.007
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Man muß dabei nur nach Kräften bemüht sein, nicht durch pbo_057.010
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Metren die Analogie illusorisch zu machen, also nicht durch pbo_057.012
allzugroße Schwere in den unbetonten Silben, allzu große pbo_057.013
Leichtigkeit der betonten die Beziehung auf die eigentlich notwendigen pbo_057.014
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Der Daktylus „Holzklotzpflöck“ in Hexametern, wie Platen sie pbo_057.016
parodirt, ist freilich kaum geeignet, im Hörer den Eindruck pbo_057.017
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festen metrischen Schemen durch sprachliche Opfer, Silben- pbo_057.019
verstümmlung und Abwerfung (syllabische Synkope pbo_057.020
und Apokope: g'sagt, neid't; hab's, d'Vater, d'Mutter), pbo_057.021
Silbenzusammenziehung (Synalöphe: so'n Mensch = so ein pbo_057.022
u. dgl.) erzwungen werden. Auch der Hiatus, das Aufeinandertreffen pbo_057.023
zweier Vokale zwischen zwei Worten, bei uns pbo_057.024
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Die gelegentliche Schwierigkeit dieser Aufgabe kann jedoch pbo_057.028
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Vgl. des Verf. Poetik der Renaissance in Deutschland Berl. 1886. S. 30 ff.
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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/61>, abgerufen am 16.02.2025.
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