Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_054.001 pbo_054.006 [Musik] pbo_054.016"essetai emar otan" pbo_054.017 [Musik] pbo_054.019§ 43. Romanische und germanische Versübung. pbo_054.020 pbo_054.023
kehrt sich das Verhältnis um, wie bei der Stimme besonders klar wird. Dann pbo_054.024 ist der Moment der Hebung derjenige, welcher sich geltend macht gegenüber pbo_054.025 dem der Senkung. Man sollte also, wie schon der erste Einführer dieser Ausdrucksweise pbo_054.026 (Clayus in seiner deutschen Grammatik von 1578) arsis : thesis pbo_054.027 = Senkung : Hebung setzen; oder, um Mißverständnisse ganz zu vermeiden, pbo_054.028 sich gewöhnen, von Schwachton und Starkton zu reden. (Also: diese pbo_054.029 Silbe trägt den "Starkton", nicht die "Hebung". Diese Silbe steht "im pbo_054.030 "Schwachton", nicht "in der Senkung".) pbo_054.001 pbo_054.006 [Musik] pbo_054.016„ἔσσεται ἧμαρ ὅταν“ pbo_054.017 [Musik] pbo_054.019§ 43. Romanische und germanische Versübung. pbo_054.020 pbo_054.023
kehrt sich das Verhältnis um, wie bei der Stimme besonders klar wird. Dann pbo_054.024 ist der Moment der Hebung derjenige, welcher sich geltend macht gegenüber pbo_054.025 dem der Senkung. Man sollte also, wie schon der erste Einführer dieser Ausdrucksweise pbo_054.026 (Clayus in seiner deutschen Grammatik von 1578) ἄρσις : θέσις pbo_054.027 = Senkung : Hebung setzen; oder, um Mißverständnisse ganz zu vermeiden, pbo_054.028 sich gewöhnen, von Schwachton und Starkton zu reden. (Also: diese pbo_054.029 Silbe trägt den „Starkton“, nicht die „Hebung“. Diese Silbe steht „im pbo_054.030 „Schwachton“, nicht „in der Senkung“.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0058" n="54"/><lb n="pbo_054.001"/> Die Griechen und ihre Schüler, die Lateiner, besaßen in der <lb n="pbo_054.002"/> feinen Unterscheidung von <hi rendition="#g">langen</hi> und <hi rendition="#g">kurzen</hi> Silben in <lb n="pbo_054.003"/> ihren Sprachen die Mittel, die Takte viel wechselvoller mit <lb n="pbo_054.004"/> langen und kurzen Silbennoten auszufüllen, im Prinzip unbekümmert, <lb n="pbo_054.005"/> wohin im Takte die Wortbetonung fiel.</p> <p><lb n="pbo_054.006"/> Es ist klar, daß diese Betonung, wie jetzt noch im Süden, <lb n="pbo_054.007"/> mehr musikalisch nach Höhe und Tiefe unterschieden gewesen <lb n="pbo_054.008"/> sein muß, da Stärke und Schwäche ja gute und schlechte Taktteile <lb n="pbo_054.009"/> auseinanderhielt. Während unsre Deklamation also <lb n="pbo_054.010"/> im Prinzip tonlos erscheint, war die antike tonreich und bot <lb n="pbo_054.011"/> schon an und für sich ohne Komposition ein lebhaft bewegtes <lb n="pbo_054.012"/> Notenbild. „Einst wird kommen der Tag“ lautet nach dem <lb n="pbo_054.013"/> Prinzip unserer Deklamation zunächst nur in rhythmischen <lb n="pbo_054.014"/> Schlägen: </p> <lb n="pbo_054.015"/> <p> <figure type="notatedMusic"/> </p> <lb n="pbo_054.016"/> <p>„<foreign xml:lang="grc">ἔσσεται ἧμαρ ὅταν</foreign>“ <lb n="pbo_054.017"/> dagegen melodisch unterschieden etwa</p> <lb n="pbo_054.018"/> <p> <figure type="notatedMusic"/> </p> <lb n="pbo_054.019"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 43. Romanische und germanische Versübung.</hi> </head> <p><lb n="pbo_054.020"/> Diese singende Deklamation, die uns störend, ja abgeschmackt <lb n="pbo_054.021"/> erscheint, hat sich denn auch im Süden erhalten, und <lb n="pbo_054.022"/> die <hi rendition="#g">Verskunst</hi> der <hi rendition="#g">Romanen</hi> gründet darauf, obwohl <note corresp="PBO_053_**" xml:id="pbo_fn_053_2b" prev="#pbo_fn_053_2a" place="foot" n="**)"><lb n="pbo_054.023"/> kehrt sich das Verhältnis um, wie bei der Stimme besonders klar wird. Dann <lb n="pbo_054.024"/> ist der Moment der Hebung derjenige, welcher sich geltend macht gegenüber <lb n="pbo_054.025"/> dem der Senkung. Man sollte also, wie schon der erste Einführer dieser Ausdrucksweise <lb n="pbo_054.026"/> (Clayus in seiner deutschen Grammatik von 1578) ἄρσις <hi rendition="#i">:</hi> θέσις <lb n="pbo_054.027"/> = Senkung : Hebung setzen; oder, um Mißverständnisse ganz zu vermeiden, <lb n="pbo_054.028"/> sich gewöhnen, von <hi rendition="#g">Schwachton</hi> und <hi rendition="#g">Starkton</hi> zu reden. (Also: diese <lb n="pbo_054.029"/> Silbe trägt den „Starkton“, <hi rendition="#g">nicht</hi> die „Hebung“. Diese Silbe steht „im <lb n="pbo_054.030"/> „Schwachton“, <hi rendition="#g">nicht</hi> „in der Senkung“.)</note> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0058]
pbo_054.001
Die Griechen und ihre Schüler, die Lateiner, besaßen in der pbo_054.002
feinen Unterscheidung von langen und kurzen Silben in pbo_054.003
ihren Sprachen die Mittel, die Takte viel wechselvoller mit pbo_054.004
langen und kurzen Silbennoten auszufüllen, im Prinzip unbekümmert, pbo_054.005
wohin im Takte die Wortbetonung fiel.
pbo_054.006
Es ist klar, daß diese Betonung, wie jetzt noch im Süden, pbo_054.007
mehr musikalisch nach Höhe und Tiefe unterschieden gewesen pbo_054.008
sein muß, da Stärke und Schwäche ja gute und schlechte Taktteile pbo_054.009
auseinanderhielt. Während unsre Deklamation also pbo_054.010
im Prinzip tonlos erscheint, war die antike tonreich und bot pbo_054.011
schon an und für sich ohne Komposition ein lebhaft bewegtes pbo_054.012
Notenbild. „Einst wird kommen der Tag“ lautet nach dem pbo_054.013
Prinzip unserer Deklamation zunächst nur in rhythmischen pbo_054.014
Schlägen:
pbo_054.015
[Abbildung]
pbo_054.016
„ἔσσεται ἧμαρ ὅταν“ pbo_054.017
dagegen melodisch unterschieden etwa
pbo_054.018
[Abbildung]
pbo_054.019
§ 43. Romanische und germanische Versübung. pbo_054.020
Diese singende Deklamation, die uns störend, ja abgeschmackt pbo_054.021
erscheint, hat sich denn auch im Süden erhalten, und pbo_054.022
die Verskunst der Romanen gründet darauf, obwohl **)
**) pbo_054.023
kehrt sich das Verhältnis um, wie bei der Stimme besonders klar wird. Dann pbo_054.024
ist der Moment der Hebung derjenige, welcher sich geltend macht gegenüber pbo_054.025
dem der Senkung. Man sollte also, wie schon der erste Einführer dieser Ausdrucksweise pbo_054.026
(Clayus in seiner deutschen Grammatik von 1578) ἄρσις : θέσις pbo_054.027
= Senkung : Hebung setzen; oder, um Mißverständnisse ganz zu vermeiden, pbo_054.028
sich gewöhnen, von Schwachton und Starkton zu reden. (Also: diese pbo_054.029
Silbe trägt den „Starkton“, nicht die „Hebung“. Diese Silbe steht „im pbo_054.030
„Schwachton“, nicht „in der Senkung“.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/58 |
Zitationshilfe: | Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/58>, abgerufen am 28.07.2024. |