pbo_023.001 Teilen der Poetik, dem Material, den Arten und pbo_023.002 Vorwürfen der Dichtung, überzugehen anschicken. Die objektiven pbo_023.003 Anforderungen, welche der dichterische Stoff, die Vorführung pbo_023.004 des immer besonderen, wechselnden Weltbildes an pbo_023.005 den Dichter stellt, scheinen sich zu kreuzen mit der Bewährung pbo_023.006 einer persönlichen Eigenart oder eines bestimmten Jdeals pbo_023.007 im Stil. Der Dichter redet selbst; aber er redet meist aus pbo_023.008 dem Sinne und durch den Mund der von ihm dargestellten pbo_023.009 Personen, die allen Ständen und Verhältnissen des Lebens pbo_023.010 angehören können. Das ist ja zum großen Teil die Kunst pbo_023.011 seiner Darstellung; seine eigenste Kunst, die er vor allen pbo_023.012 Künsten voraus hat, bei denen dies besondere Stildilemma in pbo_023.013 dieser Form denn auch nicht auftritt.
pbo_023.014 Gleichwohl beruht die sich ebensooft aufdrängende als pbo_023.015 erörterte Schwierigkeit nur auf einer unklaren und äußerlichen pbo_023.016 Auffassung des Stoffverhältnisses in der poetischen Kunst. pbo_023.017 Weil nämlich der Stoff der Dichtung das bewegte Leben unmittelbar pbo_023.018 (zumal im Drama) wiederzugeben scheint, Rede und pbo_023.019 Gegenrede, Situationen und Umstände der körperlichen Wirklichkeit pbo_023.020 vorführt, übersieht man, dadurch getäuscht, darin befangen, pbo_023.021 daß auch dieser allgemeinste und umfassendste Stoff pbo_023.022 erst den Durchgang durch eine künstlerische Anschauung gemacht pbo_023.023 hat, daß auch er in einer einheitlichen Betrachtung um- pbo_023.024 und zusammengeschmolzen ist.
pbo_023.025
§ 16. Die allumfassende poetische Ausdrucksform pbo_023.026 (gebundene Rede).
pbo_023.027 Der deutlichste Beleg hiefür ist die Durchführung einer pbo_023.028 idealen, unwirklichen Ausdrucksform, an der sich in gleicher pbo_023.029 Weise die redend eingeführten Personen beteiligen, der gebundenen pbo_023.030 Rede, der gleichartigen Versform (fünf- und
pbo_023.001 Teilen der Poetik, dem Material, den Arten und pbo_023.002 Vorwürfen der Dichtung, überzugehen anschicken. Die objektiven pbo_023.003 Anforderungen, welche der dichterische Stoff, die Vorführung pbo_023.004 des immer besonderen, wechselnden Weltbildes an pbo_023.005 den Dichter stellt, scheinen sich zu kreuzen mit der Bewährung pbo_023.006 einer persönlichen Eigenart oder eines bestimmten Jdeals pbo_023.007 im Stil. Der Dichter redet selbst; aber er redet meist aus pbo_023.008 dem Sinne und durch den Mund der von ihm dargestellten pbo_023.009 Personen, die allen Ständen und Verhältnissen des Lebens pbo_023.010 angehören können. Das ist ja zum großen Teil die Kunst pbo_023.011 seiner Darstellung; seine eigenste Kunst, die er vor allen pbo_023.012 Künsten voraus hat, bei denen dies besondere Stildilemma in pbo_023.013 dieser Form denn auch nicht auftritt.
pbo_023.014 Gleichwohl beruht die sich ebensooft aufdrängende als pbo_023.015 erörterte Schwierigkeit nur auf einer unklaren und äußerlichen pbo_023.016 Auffassung des Stoffverhältnisses in der poetischen Kunst. pbo_023.017 Weil nämlich der Stoff der Dichtung das bewegte Leben unmittelbar pbo_023.018 (zumal im Drama) wiederzugeben scheint, Rede und pbo_023.019 Gegenrede, Situationen und Umstände der körperlichen Wirklichkeit pbo_023.020 vorführt, übersieht man, dadurch getäuscht, darin befangen, pbo_023.021 daß auch dieser allgemeinste und umfassendste Stoff pbo_023.022 erst den Durchgang durch eine künstlerische Anschauung gemacht pbo_023.023 hat, daß auch er in einer einheitlichen Betrachtung um- pbo_023.024 und zusammengeschmolzen ist.
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§ 16. Die allumfassende poetische Ausdrucksform pbo_023.026 (gebundene Rede).
pbo_023.027 Der deutlichste Beleg hiefür ist die Durchführung einer pbo_023.028 idealen, unwirklichen Ausdrucksform, an der sich in gleicher pbo_023.029 Weise die redend eingeführten Personen beteiligen, der gebundenen pbo_023.030 Rede, der gleichartigen Versform (fünf- und
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Künsten voraus hat, bei denen dies besondere Stildilemma in pbo_023.013
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Gleichwohl beruht die sich ebensooft aufdrängende als pbo_023.015
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§ 16. Die allumfassende poetische Ausdrucksform pbo_023.026
(gebundene Rede). pbo_023.027
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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/27>, abgerufen am 16.02.2025.
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