Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_135.001 § 95. Jnhalt der Novelle vom Falken. pbo_135.002 (Boccaccio, Decamerone II. Teil. Fünfter Tag, 9. Novelle): pbo_135.003 pbo_135.001 § 95. Jnhalt der Novelle vom Falken. pbo_135.002 (Boccaccio, Decamerone II. Teil. Fünfter Tag, 9. Novelle): pbo_135.003 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0139" n="135"/> <lb n="pbo_135.001"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 95. Jnhalt der Novelle vom Falken. <lb n="pbo_135.002"/> (Boccaccio, Decamerone II. Teil. Fünfter Tag, 9. Novelle):</hi> </head> <p><lb n="pbo_135.003"/> Federigo degli Alberighi, ein junger, reicher Florentiner, <lb n="pbo_135.004"/> liebte eine Dame namens Giovanna. Er verschwendet <lb n="pbo_135.005"/> sein Vermögen in Festen und exzentrischen Aufzügen, aber <lb n="pbo_135.006"/> ohne auch nur die Aufmerksamkeit seiner Angebeteten auf sich <lb n="pbo_135.007"/> zu lenken. Sie, für die er sie giebt, ist die Einzige, die <lb n="pbo_135.008"/> nicht bei seinen Festen erscheint, in übermäßiger Wahrung <lb n="pbo_135.009"/> ihrer fräulichen Würde. Federigo richtet sich zugrunde und <lb n="pbo_135.010"/> muß schließlich auf einem letzten Bauerngütchen höchst eingeschränkt <lb n="pbo_135.011"/> leben, als einsamer Jäger, nur von einem vorzüglichen <lb n="pbo_135.012"/> Falken, einem Ausbund von Schönheit und Dressur, <lb n="pbo_135.013"/> begleitet. Da stirbt Giovannas kranker Mann, ihr Söhnchen <lb n="pbo_135.014"/> und an dessen Stelle sie zum Erben seines großen Vermögens <lb n="pbo_135.015"/> einsetzend. Der Zufall fügt es, daß auf einer ihrer benachbarten <lb n="pbo_135.016"/> Besitzungen der Knabe Bekanntschaft und Freundschaft <lb n="pbo_135.017"/> mit Federigo und seinem Falken schließt. Er ist ganz voll <lb n="pbo_135.018"/> von diesem Falken, und als er in eine Krankheit verfällt, weiß <lb n="pbo_135.019"/> er nur noch von diesem Falken zu sprechen und daß er ihn <lb n="pbo_135.020"/> haben müsse, wenn er nicht sterben solle. Das veranlaßte <lb n="pbo_135.021"/> die besorgte Muter, ihrem einstigen reichen Liebhaber einen <lb n="pbo_135.022"/> Besuch auf seinem Höfchen zu machen. Federigo empfängt <lb n="pbo_135.023"/> sie und ihre Begleiterin in der höchsten Freude. Aber ach! <lb n="pbo_135.024"/> Er, der früher Unsummen für sie vergeudet hat, ohne sie zu <lb n="pbo_135.025"/> sehen, er kann jetzt, wo sie ihm gegenübersitzt, nicht einen <lb n="pbo_135.026"/> Bissen aufwenden, um ihn ihr vorzusetzen. Kein Geld, kein <lb n="pbo_135.027"/> Pfand, nichts im Hause vorhanden! Da fällt sein Blick auf <lb n="pbo_135.028"/> seinen feisten Prachtfalken, und im Nu durchzuckt ihn die Jdee, <lb n="pbo_135.029"/> diesen zu schlachten, um ihn seiner Gebieterin auftischen zu <lb n="pbo_135.030"/> können. Gedacht, gethan! Nach dem Mahle bringt Giovanna </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0139]
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§ 95. Jnhalt der Novelle vom Falken. pbo_135.002
(Boccaccio, Decamerone II. Teil. Fünfter Tag, 9. Novelle): pbo_135.003
Federigo degli Alberighi, ein junger, reicher Florentiner, pbo_135.004
liebte eine Dame namens Giovanna. Er verschwendet pbo_135.005
sein Vermögen in Festen und exzentrischen Aufzügen, aber pbo_135.006
ohne auch nur die Aufmerksamkeit seiner Angebeteten auf sich pbo_135.007
zu lenken. Sie, für die er sie giebt, ist die Einzige, die pbo_135.008
nicht bei seinen Festen erscheint, in übermäßiger Wahrung pbo_135.009
ihrer fräulichen Würde. Federigo richtet sich zugrunde und pbo_135.010
muß schließlich auf einem letzten Bauerngütchen höchst eingeschränkt pbo_135.011
leben, als einsamer Jäger, nur von einem vorzüglichen pbo_135.012
Falken, einem Ausbund von Schönheit und Dressur, pbo_135.013
begleitet. Da stirbt Giovannas kranker Mann, ihr Söhnchen pbo_135.014
und an dessen Stelle sie zum Erben seines großen Vermögens pbo_135.015
einsetzend. Der Zufall fügt es, daß auf einer ihrer benachbarten pbo_135.016
Besitzungen der Knabe Bekanntschaft und Freundschaft pbo_135.017
mit Federigo und seinem Falken schließt. Er ist ganz voll pbo_135.018
von diesem Falken, und als er in eine Krankheit verfällt, weiß pbo_135.019
er nur noch von diesem Falken zu sprechen und daß er ihn pbo_135.020
haben müsse, wenn er nicht sterben solle. Das veranlaßte pbo_135.021
die besorgte Muter, ihrem einstigen reichen Liebhaber einen pbo_135.022
Besuch auf seinem Höfchen zu machen. Federigo empfängt pbo_135.023
sie und ihre Begleiterin in der höchsten Freude. Aber ach! pbo_135.024
Er, der früher Unsummen für sie vergeudet hat, ohne sie zu pbo_135.025
sehen, er kann jetzt, wo sie ihm gegenübersitzt, nicht einen pbo_135.026
Bissen aufwenden, um ihn ihr vorzusetzen. Kein Geld, kein pbo_135.027
Pfand, nichts im Hause vorhanden! Da fällt sein Blick auf pbo_135.028
seinen feisten Prachtfalken, und im Nu durchzuckt ihn die Jdee, pbo_135.029
diesen zu schlachten, um ihn seiner Gebieterin auftischen zu pbo_135.030
können. Gedacht, gethan! Nach dem Mahle bringt Giovanna
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