Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_132.001 § 92. Komischer Roman. pbo_132.008 pbo_132.019 pbo_132.001 § 92. Komischer Roman. pbo_132.008 pbo_132.019 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0136" n="132"/><lb n="pbo_132.001"/> in der Romanerzählung beginnt es auch diesen einzubüßen. <lb n="pbo_132.002"/> Die völlige Vernichtung des epischen Helden in seiner nunmehrigen <lb n="pbo_132.003"/> traurigen Gestalt des durch die dürre Romanprosa <lb n="pbo_132.004"/> irrenden vorsündflutlichen „Ritters“ bezeichnet ein unsterbliches <lb n="pbo_132.005"/> Werk der Weltlitteratur, das erste und zugleich das Meisterwerk <lb n="pbo_132.006"/> des komischen Romans, Cervantes' <hi rendition="#g">Don Quixote.</hi></p> <lb n="pbo_132.007"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 92. Komischer Roman.</hi> </head> <p><lb n="pbo_132.008"/> Das giebt einen bemerkenswerten Fingerzeig für das <lb n="pbo_132.009"/> Bestimmen der eigentlichen Stellung des Romans in der <lb n="pbo_132.010"/> Poetik. Jm <hi rendition="#g">komischen Roman</hi> hat in der That das <lb n="pbo_132.011"/> heroische Epos sein komisches Pendant gefunden, das ihm auf <lb n="pbo_132.012"/> poetischem Grunde so gegenübersteht, wie die Komödie der <lb n="pbo_132.013"/> Tragödie. Der poetische Held, dessen Thaten das Epos trägt, <lb n="pbo_132.014"/> wird in ihm zur <hi rendition="#g">komischen Figur,</hi> die der unpoetischen <lb n="pbo_132.015"/> Welt, der platten Wirklichkeit Thaten aufzwingen will, Thaten, <lb n="pbo_132.016"/> die in ihr überflüssig, verkehrt und somit gerade im Verhältnis <lb n="pbo_132.017"/> zu dem auf sie verwendeten Ernste um so lächerlicher erscheinen.</p> <lb n="pbo_132.018"/> <p><lb n="pbo_132.019"/> Hier zeigt sich nun aber im Unterschied von der Komödie <lb n="pbo_132.020"/> die Natur des Epos schon darin vorteilhafter für den komischen <lb n="pbo_132.021"/> Helden, als es hier im Grunde nur die <hi rendition="#g">Begebenheiten</hi> <lb n="pbo_132.022"/> sind, die ihn zur komischen Figur machen, keineswegs aber <lb n="pbo_132.023"/> sein Charakter, sein verkehrtes Streben. Diese sind vielmehr <lb n="pbo_132.024"/> gut und tüchtig, der Schlechtigkeit der Welt überlegen, und <lb n="pbo_132.025"/> über sie unbelehrt und gerade nach ihrem inneren Gegensatz <lb n="pbo_132.026"/> zu ihr unbelehrbar. Daher die Meister des komischen Romans <lb n="pbo_132.027"/> (nach dem unsterblichen spanischen Schöpfer der Gattung besonders <lb n="pbo_132.028"/> Engländer, vornehmlich <hi rendition="#g">Lorenz Sterne,</hi> in Deutschland <lb n="pbo_132.029"/> <hi rendition="#g">Jean Paul</hi>) ihre Helden zwar mit jener Jronie behandeln, <lb n="pbo_132.030"/> welche die Erkenntnis ihres lächerlich erscheinenden </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0136]
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in der Romanerzählung beginnt es auch diesen einzubüßen. pbo_132.002
Die völlige Vernichtung des epischen Helden in seiner nunmehrigen pbo_132.003
traurigen Gestalt des durch die dürre Romanprosa pbo_132.004
irrenden vorsündflutlichen „Ritters“ bezeichnet ein unsterbliches pbo_132.005
Werk der Weltlitteratur, das erste und zugleich das Meisterwerk pbo_132.006
des komischen Romans, Cervantes' Don Quixote.
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§ 92. Komischer Roman. pbo_132.008
Das giebt einen bemerkenswerten Fingerzeig für das pbo_132.009
Bestimmen der eigentlichen Stellung des Romans in der pbo_132.010
Poetik. Jm komischen Roman hat in der That das pbo_132.011
heroische Epos sein komisches Pendant gefunden, das ihm auf pbo_132.012
poetischem Grunde so gegenübersteht, wie die Komödie der pbo_132.013
Tragödie. Der poetische Held, dessen Thaten das Epos trägt, pbo_132.014
wird in ihm zur komischen Figur, die der unpoetischen pbo_132.015
Welt, der platten Wirklichkeit Thaten aufzwingen will, Thaten, pbo_132.016
die in ihr überflüssig, verkehrt und somit gerade im Verhältnis pbo_132.017
zu dem auf sie verwendeten Ernste um so lächerlicher erscheinen.
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Hier zeigt sich nun aber im Unterschied von der Komödie pbo_132.020
die Natur des Epos schon darin vorteilhafter für den komischen pbo_132.021
Helden, als es hier im Grunde nur die Begebenheiten pbo_132.022
sind, die ihn zur komischen Figur machen, keineswegs aber pbo_132.023
sein Charakter, sein verkehrtes Streben. Diese sind vielmehr pbo_132.024
gut und tüchtig, der Schlechtigkeit der Welt überlegen, und pbo_132.025
über sie unbelehrt und gerade nach ihrem inneren Gegensatz pbo_132.026
zu ihr unbelehrbar. Daher die Meister des komischen Romans pbo_132.027
(nach dem unsterblichen spanischen Schöpfer der Gattung besonders pbo_132.028
Engländer, vornehmlich Lorenz Sterne, in Deutschland pbo_132.029
Jean Paul) ihre Helden zwar mit jener Jronie behandeln, pbo_132.030
welche die Erkenntnis ihres lächerlich erscheinenden
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