Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_131.001 § 91. Der Roman. pbo_131.009 *) pbo_131.030
Proben in Sammlung Göschen Nr. 22. pbo_131.001 § 91. Der Roman. pbo_131.009 *) pbo_131.030
Proben in Sammlung Göschen Nr. 22. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0135" n="131"/><lb n="pbo_131.001"/> als ihren Vorwurf in diesem besonderen Falle komisch. <lb n="pbo_131.002"/> Der Begriff des Komischen, auf das Epos angewandt, entäußert <lb n="pbo_131.003"/> dasselbe alsbald seines Grundrequisits der <hi rendition="#g">poetischen <lb n="pbo_131.004"/> Sprache,</hi> die die Komödie in ihrer idealeren Voraussetzung <lb n="pbo_131.005"/> sich wohl noch wahren kann. Das Epos tritt, wo es komisch <lb n="pbo_131.006"/> seiner Jdee nach werden will, mit Notwendigkeit zur <hi rendition="#g">Prosa</hi> <lb n="pbo_131.007"/> über, wird zum <hi rendition="#g">Roman.</hi></p> <lb n="pbo_131.008"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 91. Der Roman.</hi> </head> <p><lb n="pbo_131.009"/> Der <hi rendition="#g">Roman</hi> ist die Form, in welcher die Auflösung <lb n="pbo_131.010"/> der Poesie in Prosa überhaupt vor sich geht: er ist noch <lb n="pbo_131.011"/> poetische Form, aber für eine rein prosaische Sache, er ist <lb n="pbo_131.012"/> nicht mehr Ausdruck des poetischen Standpunkts selbst, sondern <lb n="pbo_131.013"/> erörtert, commentiert ihn höchstens, weist auf ihn hin. Die <lb n="pbo_131.014"/> Hirten-, Zauber- und Abenteuergeschichten des Altertums <lb n="pbo_131.015"/> (Milesische Märchen; Lucians „Wahre Geschichten“, Longos <lb n="pbo_131.016"/> „Daphnis und Chloe“; Apulejus goldener Esel, worin das <lb n="pbo_131.017"/> holde Märchen von Amor und Psyche) zeigen schon früh den <lb n="pbo_131.018"/> Ansatz zum Prosaroman. Desgleichen die italienische Novellistik <lb n="pbo_131.019"/> des Mittelalters (Boccaccios „Dekameron“). Was man im <lb n="pbo_131.020"/> Mittelalter Romane nannte (poetische Werke in der romanischen <lb n="pbo_131.021"/> Landessprache im Gegensatze zum kirchlichen Latein,) hatte <lb n="pbo_131.022"/> noch Fühlung mit dem Epos, wenn es auch selbst bei seinen <lb n="pbo_131.023"/> Klassikern (in Deutschland Hartmann von Aue, Wolfram von <lb n="pbo_131.024"/> Eschenbach, Gottfried von Straßburg<note corresp="PBO_131_*" place="foot" n="*)"><lb n="pbo_131.030"/> Proben in <hi rendition="#g">Sammlung Göschen</hi> Nr. 22.</note> den Schwerpunkt <lb n="pbo_131.025"/> schon völlig in das Aeußerliche der bloßen Begebenheiten <lb n="pbo_131.026"/> (die „ritterlichen Abenteuer“) verlegt. Doch es wahrt mit <lb n="pbo_131.027"/> der poetischen Sprache noch immer den poetischen <hi rendition="#g">Helden</hi> <lb n="pbo_131.028"/> (den fahrenden Ritter), und — merkwürdig — erst mit dem <lb n="pbo_131.029"/> Verlust des poetischen Gewandes, mit der Zunahme der Prosa </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0135]
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als ihren Vorwurf in diesem besonderen Falle komisch. pbo_131.002
Der Begriff des Komischen, auf das Epos angewandt, entäußert pbo_131.003
dasselbe alsbald seines Grundrequisits der poetischen pbo_131.004
Sprache, die die Komödie in ihrer idealeren Voraussetzung pbo_131.005
sich wohl noch wahren kann. Das Epos tritt, wo es komisch pbo_131.006
seiner Jdee nach werden will, mit Notwendigkeit zur Prosa pbo_131.007
über, wird zum Roman.
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§ 91. Der Roman. pbo_131.009
Der Roman ist die Form, in welcher die Auflösung pbo_131.010
der Poesie in Prosa überhaupt vor sich geht: er ist noch pbo_131.011
poetische Form, aber für eine rein prosaische Sache, er ist pbo_131.012
nicht mehr Ausdruck des poetischen Standpunkts selbst, sondern pbo_131.013
erörtert, commentiert ihn höchstens, weist auf ihn hin. Die pbo_131.014
Hirten-, Zauber- und Abenteuergeschichten des Altertums pbo_131.015
(Milesische Märchen; Lucians „Wahre Geschichten“, Longos pbo_131.016
„Daphnis und Chloe“; Apulejus goldener Esel, worin das pbo_131.017
holde Märchen von Amor und Psyche) zeigen schon früh den pbo_131.018
Ansatz zum Prosaroman. Desgleichen die italienische Novellistik pbo_131.019
des Mittelalters (Boccaccios „Dekameron“). Was man im pbo_131.020
Mittelalter Romane nannte (poetische Werke in der romanischen pbo_131.021
Landessprache im Gegensatze zum kirchlichen Latein,) hatte pbo_131.022
noch Fühlung mit dem Epos, wenn es auch selbst bei seinen pbo_131.023
Klassikern (in Deutschland Hartmann von Aue, Wolfram von pbo_131.024
Eschenbach, Gottfried von Straßburg *) den Schwerpunkt pbo_131.025
schon völlig in das Aeußerliche der bloßen Begebenheiten pbo_131.026
(die „ritterlichen Abenteuer“) verlegt. Doch es wahrt mit pbo_131.027
der poetischen Sprache noch immer den poetischen Helden pbo_131.028
(den fahrenden Ritter), und — merkwürdig — erst mit dem pbo_131.029
Verlust des poetischen Gewandes, mit der Zunahme der Prosa
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Proben in Sammlung Göschen Nr. 22.
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