Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_119.001 § 79. Die Komödie. pbo_119.013 pbo_119.001 § 79. Die Komödie. pbo_119.013 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0123" n="119"/><lb n="pbo_119.001"/> zur Welt, sein besonderes Schicksal, die transszendentale <lb n="pbo_119.002"/> Freiheit, die er bewährt. Das hebt ihn über die gemeine <lb n="pbo_119.003"/> Masse und dazu braucht er weder Prinz, noch Heerführer zu <lb n="pbo_119.004"/> sein, obschon dann das Exponierte seines Standorts das Erschütternde <lb n="pbo_119.005"/> seines Falles (die „Fallhöhe“) an und für sich <lb n="pbo_119.006"/> steigert. Das gemeine Gesellschaftsdrama (Jntriguen-Sensations-Rührstück), <lb n="pbo_119.007"/> in dem familiäre Zerwürfnisse, ehelicher Zank, <lb n="pbo_119.008"/> häusliches Unglück, Schulden, Krankheit, Vererbung das <hi rendition="#g">allgemeine</hi> <lb n="pbo_119.009"/> Elend repräsentieren, entfernt sich vielmehr rein <lb n="pbo_119.010"/> künstlerisch von der poetischen Aufgabe des Dramas, die das <lb n="pbo_119.011"/> <hi rendition="#g">absolut persönliche</hi> Schicksal zum Gegenstande hat.</p> <lb n="pbo_119.012"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 79. Die Komödie.</hi> </head> <p><lb n="pbo_119.013"/> Zu dieser Aufgabe kehrt dagegen die künstlerische Form <lb n="pbo_119.014"/> des heiteren Dramas, die <hi rendition="#g">Komödie</hi> (von <foreign xml:lang="grc">κῶμος</foreign> fröhliches <lb n="pbo_119.015"/> Gelage oder <foreign xml:lang="grc">κώμη</foreign> Dorf) wiederum zurück. Sie erwählt sich <lb n="pbo_119.016"/> das Bereich des <hi rendition="#g">allgemeinen</hi> Lebens bewußt zu ihrem <lb n="pbo_119.017"/> künstlerischen Gebiet. Aber indem sie sich darüber erhebt, <lb n="pbo_119.018"/> indem sie die tausend Mißstände, Unfälle und Verdrießlichkeiten <lb n="pbo_119.019"/> des Daseins in die Sphäre des Lächerlichen, des vom <lb n="pbo_119.020"/> rein menschlichen Standpunkt gar nicht ernst zu Nehmenden <lb n="pbo_119.021"/> rückt, dadurch wahrt sie sich von vornherein jene transszendentale <lb n="pbo_119.022"/> Freiheit, welche sich die Tragödie, wie wir sahen, gerade durch <lb n="pbo_119.023"/> das Auskosten der vollen Herbigkeit des Menschengeschickes <lb n="pbo_119.024"/> erwirbt. Der tragische Held scheitert durch die Größe seiner <lb n="pbo_119.025"/> Gesinnung an der Kleinheit, Enge und Gebundenheit der <lb n="pbo_119.026"/> Weltverhältnisse. Demgegenüber zeigt aber nun die <hi rendition="#g">komische <lb n="pbo_119.027"/> Figur,</hi> daß darin die Erbärmlichkeit, Nichtigkeit und Gemeinheit <lb n="pbo_119.028"/> ebenso wenig zu ihrem Ziele gelangt. Sie wird <lb n="pbo_119.029"/> gleichermaßen desavouiert, geprellt, bloßgestellt, abgeführt und <lb n="pbo_119.030"/> giebt so wiederum dem wahren Menschheitsgefühle Gelegenheit, </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0123]
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zur Welt, sein besonderes Schicksal, die transszendentale pbo_119.002
Freiheit, die er bewährt. Das hebt ihn über die gemeine pbo_119.003
Masse und dazu braucht er weder Prinz, noch Heerführer zu pbo_119.004
sein, obschon dann das Exponierte seines Standorts das Erschütternde pbo_119.005
seines Falles (die „Fallhöhe“) an und für sich pbo_119.006
steigert. Das gemeine Gesellschaftsdrama (Jntriguen-Sensations-Rührstück), pbo_119.007
in dem familiäre Zerwürfnisse, ehelicher Zank, pbo_119.008
häusliches Unglück, Schulden, Krankheit, Vererbung das allgemeine pbo_119.009
Elend repräsentieren, entfernt sich vielmehr rein pbo_119.010
künstlerisch von der poetischen Aufgabe des Dramas, die das pbo_119.011
absolut persönliche Schicksal zum Gegenstande hat.
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§ 79. Die Komödie. pbo_119.013
Zu dieser Aufgabe kehrt dagegen die künstlerische Form pbo_119.014
des heiteren Dramas, die Komödie (von κῶμος fröhliches pbo_119.015
Gelage oder κώμη Dorf) wiederum zurück. Sie erwählt sich pbo_119.016
das Bereich des allgemeinen Lebens bewußt zu ihrem pbo_119.017
künstlerischen Gebiet. Aber indem sie sich darüber erhebt, pbo_119.018
indem sie die tausend Mißstände, Unfälle und Verdrießlichkeiten pbo_119.019
des Daseins in die Sphäre des Lächerlichen, des vom pbo_119.020
rein menschlichen Standpunkt gar nicht ernst zu Nehmenden pbo_119.021
rückt, dadurch wahrt sie sich von vornherein jene transszendentale pbo_119.022
Freiheit, welche sich die Tragödie, wie wir sahen, gerade durch pbo_119.023
das Auskosten der vollen Herbigkeit des Menschengeschickes pbo_119.024
erwirbt. Der tragische Held scheitert durch die Größe seiner pbo_119.025
Gesinnung an der Kleinheit, Enge und Gebundenheit der pbo_119.026
Weltverhältnisse. Demgegenüber zeigt aber nun die komische pbo_119.027
Figur, daß darin die Erbärmlichkeit, Nichtigkeit und Gemeinheit pbo_119.028
ebenso wenig zu ihrem Ziele gelangt. Sie wird pbo_119.029
gleichermaßen desavouiert, geprellt, bloßgestellt, abgeführt und pbo_119.030
giebt so wiederum dem wahren Menschheitsgefühle Gelegenheit,
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