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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.

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Mitgefühl mit dem Leiden aller sind überwunden dadurch, pbo_115.002
daß wir in der Tragödie unserer selbst gewiß geworden sind. pbo_115.003
Daher die ganz paradoxe, aber noch von jedem gefühlte Beruhigung, pbo_115.004
die seelische Befreiung am Schlusse einer wahren pbo_115.005
Tragödie, an der selbst unser physischer Organismus teilzunehmen pbo_115.006
scheint (Medizinische, physiologische Erklärung des pbo_115.007
Katharsis: Entladung).

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§. 76. Analyse der Schillerschen Maria Stuart.

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Jn Schillers Drama Maria Stuart giebt die Auseinandersetzung pbo_115.010
des Wächters der in England gefangenen schottischen pbo_115.011
Königin mit ihrer alten Amme Hanna Kennedy über die pbo_115.012
grausame und ungerechte Behandlung Marias, zu der diese pbo_115.013
selbst hinzutritt, eine lebhaft bewegte Exposition. Jhre früheren pbo_115.014
Beziehungen sowie der gegenwärtige Stand der Dinge treten pbo_115.015
bei diesem Kampf um die Wahrung ihrer Würde deutlich pbo_115.016
hervor. Das Auftreten Mortimers, des in Frankreich für die pbo_115.017
katholische Sache in der Person der Maria gewonnenen Neffen pbo_115.018
des Kerkermeisters, bringt die Handlung ins Rollen. Jn ihm pbo_115.019
ersteht der Maria ein zum Aeußersten entschlossener Helfer, pbo_115.020
der mit ihrem mächtigen heimlichen Verehrer, dem Günstling pbo_115.021
der Königin Elisabeth, Grafen Leicester, in Unterhandlung pbo_115.022
tritt, zugleich so gewandt und verdachtlos, daß Elisabeth und pbo_115.023
ihr Staatsminister Burleigh ihn mit einem heimlichen Mordauftrag pbo_115.024
gegen die Maria betrauen können. Leicester giebt pbo_115.025
den Ausschlag in dem im Staatsrat der Elisabeth zum Ausdruck pbo_115.026
kommenden Verlangen, an Maria Gnade walten zu pbo_115.027
lassen. Ja, er bestimmt sie sogar, den Bitten der Gefangenen pbo_115.028
um eine Zusammenkunft in ihrem Kerkerschloß zu Fotheringhay pbo_115.029
nachzugeben.

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Mitgefühl mit dem Leiden aller sind überwunden dadurch, pbo_115.002
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Katharsis: Entladung).

pbo_115.008
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[115/0119] pbo_115.001 Mitgefühl mit dem Leiden aller sind überwunden dadurch, pbo_115.002 daß wir in der Tragödie unserer selbst gewiß geworden sind. pbo_115.003 Daher die ganz paradoxe, aber noch von jedem gefühlte Beruhigung, pbo_115.004 die seelische Befreiung am Schlusse einer wahren pbo_115.005 Tragödie, an der selbst unser physischer Organismus teilzunehmen pbo_115.006 scheint (Medizinische, physiologische Erklärung des pbo_115.007 Katharsis: Entladung). pbo_115.008 §. 76. Analyse der Schillerschen Maria Stuart. pbo_115.009 Jn Schillers Drama Maria Stuart giebt die Auseinandersetzung pbo_115.010 des Wächters der in England gefangenen schottischen pbo_115.011 Königin mit ihrer alten Amme Hanna Kennedy über die pbo_115.012 grausame und ungerechte Behandlung Marias, zu der diese pbo_115.013 selbst hinzutritt, eine lebhaft bewegte Exposition. Jhre früheren pbo_115.014 Beziehungen sowie der gegenwärtige Stand der Dinge treten pbo_115.015 bei diesem Kampf um die Wahrung ihrer Würde deutlich pbo_115.016 hervor. Das Auftreten Mortimers, des in Frankreich für die pbo_115.017 katholische Sache in der Person der Maria gewonnenen Neffen pbo_115.018 des Kerkermeisters, bringt die Handlung ins Rollen. Jn ihm pbo_115.019 ersteht der Maria ein zum Aeußersten entschlossener Helfer, pbo_115.020 der mit ihrem mächtigen heimlichen Verehrer, dem Günstling pbo_115.021 der Königin Elisabeth, Grafen Leicester, in Unterhandlung pbo_115.022 tritt, zugleich so gewandt und verdachtlos, daß Elisabeth und pbo_115.023 ihr Staatsminister Burleigh ihn mit einem heimlichen Mordauftrag pbo_115.024 gegen die Maria betrauen können. Leicester giebt pbo_115.025 den Ausschlag in dem im Staatsrat der Elisabeth zum Ausdruck pbo_115.026 kommenden Verlangen, an Maria Gnade walten zu pbo_115.027 lassen. Ja, er bestimmt sie sogar, den Bitten der Gefangenen pbo_115.028 um eine Zusammenkunft in ihrem Kerkerschloß zu Fotheringhay pbo_115.029 nachzugeben.

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Zitationshilfe: Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/119>, abgerufen am 28.11.2024.