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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.

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Form im Liede. Jhrer kann sich jedermann im geeigneten pbo_101.002
Momente bemächtigen, und sei es auch nur in der pbo_101.003
primitiven Fassung der Zwei- und Vierzeile (G'stanzeln, pbo_101.004
Schnadahüpferln unserer Gebirgsvölker). Das richtige Volkslied pbo_101.005
muß daher ein Jedermannslied sein, von jedermann, für pbo_101.006
jedermann gesungen. Höchstens Stand, Beruf, Gewerbe des pbo_101.007
Sängers darf anklingen, der sich so zum Chorführer seiner pbo_101.008
besonderen Genossen in der allgemeinen Sangeslust macht pbo_101.009
(Soldatenlieder, Studentenlieder, "Müllerlieder", im allgemeinen pbo_101.010
Handwerkslieder, Bergreihen). Das Kunstlied vermittelt pbo_101.011
die Persönlichkeit seines Verfassers, seine Auffassung pbo_101.012
der Welt, seine speziellen Bezüge in ihr, zu seinem pbo_101.013
Kreise, seinen Lieben. Doch ist Simon Dachs "Aennchen pbo_101.014
von Tharau" volkstümlich geworden, als Typus der "durch pbo_101.015
Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth" erwählten Braut. pbo_101.016
Hinwiederum haben die Romantiker gar manches "im Volkston" pbo_101.017
gedichtet, was nur innerhalb ihres ganz besonderen pbo_101.018
Kreises verständlich wird. Goethes Kraft, gleichsam aus der pbo_101.019
Volksseele heraus zu singen, läßt ihn wirkliche Volkslieder pbo_101.020
geradezu nach- und weiter dichten ("Wie kommt's, daß du pbo_101.021
so traurig bist?"); Eichendorff, Uhland, Heine haben dem pbo_101.022
Jahrhundert seine verbreitetsten Volkslieder gegeben.

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§ 65. Stoffwelt des Liedes.

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Betrachten wir die Stoffwelt des Liedes. Wir werden pbo_101.025
nicht feststellen können, daß sie eingeschränkter sei, als die der pbo_101.026
Poesie überhaupt. Gegenstand des Liedes kann alles sein, pbo_101.027
auch das rein Historische, welches sich in objektivierter Behandlung pbo_101.028
das Epos zu eigen macht, oder das Szenisch-Aktuelle, pbo_101.029
das im Drama, vom Dichter abgelöst, für sich selber wirkt. pbo_101.030
Jn der Ballade, einer merkwürdigen volkstümlichen Dichtungsform,

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der Welt, seine speziellen Bezüge in ihr, zu seinem pbo_101.013
Kreise, seinen Lieben. Doch ist Simon Dachs „Aennchen pbo_101.014
von Tharau“ volkstümlich geworden, als Typus der „durch pbo_101.015
Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth“ erwählten Braut. pbo_101.016
Hinwiederum haben die Romantiker gar manches „im Volkston“ pbo_101.017
gedichtet, was nur innerhalb ihres ganz besonderen pbo_101.018
Kreises verständlich wird. Goethes Kraft, gleichsam aus der pbo_101.019
Volksseele heraus zu singen, läßt ihn wirkliche Volkslieder pbo_101.020
geradezu nach- und weiter dichten („Wie kommt's, daß du pbo_101.021
so traurig bist?“); Eichendorff, Uhland, Heine haben dem pbo_101.022
Jahrhundert seine verbreitetsten Volkslieder gegeben.

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§ 65. Stoffwelt des Liedes.

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Betrachten wir die Stoffwelt des Liedes. Wir werden pbo_101.025
nicht feststellen können, daß sie eingeschränkter sei, als die der pbo_101.026
Poesie überhaupt. Gegenstand des Liedes kann alles sein, pbo_101.027
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das Epos zu eigen macht, oder das Szenisch-Aktuelle, pbo_101.029
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Zitationshilfe: Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/105>, abgerufen am 23.11.2024.