Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
17.
Wie wird ihr erst, indem sie rükwärts schaut
Und sieht, an pferde statt, vier Schwanen vor dem wagen,
Regiert von einem Kind? -- und denket, wie's ihr graut,
Da sie emporgelupft und durch die luft getragen
Sich fühlt, und kaum zu athmen sich getraut,
Und nicht begreifen kann, wie, ohne umzuschlagen,
So schwer bepakt, der wagen sich erhebt,
Und, steter als ein kahn, auf leichten wolken schwebt.
18.
Als endlich gar die Nacht sie überfiel,
Ists wunder, daß die furcht zulezt die schaam besiegte,
Und Fatme so gedrang an Scherasmin sich schmiegte,
Als wie, wer schlafen will, an seinen lieben pfühl.
Vermuthlich daß der mann dazu sich willig fügte;
In solchen fällen mischt das herz sich gern ins spiel:
Jedoch gereicht zum ruhm des wackern Alten,
Daß er wie reines gold dies feuer ausgehalten.
19.
Ganz anders war das junge Paar gestimmt,
Das Amor izt mit seiner Mutter schwanen
Davonzuführen schien. Ob auf gewohnten bahnen
Den lauf ihr zauberfuhrwerk nimmt,
Ob durch die luft, ob's rollet oder schwimmt,
Ob langsam oder schnell, mit pferden oder schwanen,
Sanft oder hart, mit oder ohne fahr --
Sie werden nichts von allem dem gewahr.
20. Ein
H 4
17.
Wie wird ihr erſt, indem ſie ruͤkwaͤrts ſchaut
Und ſieht, an pferde ſtatt, vier Schwanen vor dem wagen,
Regiert von einem Kind? — und denket, wie's ihr graut,
Da ſie emporgelupft und durch die luft getragen
Sich fuͤhlt, und kaum zu athmen ſich getraut,
Und nicht begreifen kann, wie, ohne umzuſchlagen,
So ſchwer bepakt, der wagen ſich erhebt,
Und, ſteter als ein kahn, auf leichten wolken ſchwebt.
18.
Als endlich gar die Nacht ſie uͤberfiel,
Iſts wunder, daß die furcht zulezt die ſchaam beſiegte,
Und Fatme ſo gedrang an Scherasmin ſich ſchmiegte,
Als wie, wer ſchlafen will, an ſeinen lieben pfuͤhl.
Vermuthlich daß der mann dazu ſich willig fuͤgte;
In ſolchen faͤllen miſcht das herz ſich gern ins ſpiel:
Jedoch gereicht zum ruhm des wackern Alten,
Daß er wie reines gold dies feuer ausgehalten.
19.
Ganz anders war das junge Paar geſtimmt,
Das Amor izt mit ſeiner Mutter ſchwanen
Davonzufuͤhren ſchien. Ob auf gewohnten bahnen
Den lauf ihr zauberfuhrwerk nimmt,
Ob durch die luft, ob's rollet oder ſchwimmt,
Ob langſam oder ſchnell, mit pferden oder ſchwanen,
Sanft oder hart, mit oder ohne fahr —
Sie werden nichts von allem dem gewahr.
20. Ein
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0125"/>
            <lg n="17">
              <head> <hi rendition="#c">17.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">W</hi>ie wird ihr er&#x017F;t, indem &#x017F;ie ru&#x0364;kwa&#x0364;rts &#x017F;chaut</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ieht, an pferde &#x017F;tatt, vier Schwanen vor dem wagen,</l><lb/>
              <l>Regiert von einem Kind? &#x2014; und denket, wie's ihr graut,</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;ie emporgelupft und durch die luft getragen</l><lb/>
              <l>Sich fu&#x0364;hlt, und kaum zu athmen &#x017F;ich getraut,</l><lb/>
              <l>Und nicht begreifen kann, wie, ohne umzu&#x017F;chlagen,</l><lb/>
              <l>So &#x017F;chwer bepakt, der wagen &#x017F;ich erhebt,</l><lb/>
              <l>Und, &#x017F;teter als ein kahn, auf leichten wolken &#x017F;chwebt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <head> <hi rendition="#c">18.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">A</hi>ls endlich gar die Nacht &#x017F;ie u&#x0364;berfiel,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;ts wunder, daß die furcht zulezt die &#x017F;chaam be&#x017F;iegte,</l><lb/>
              <l>Und Fatme &#x017F;o gedrang an Scherasmin &#x017F;ich &#x017F;chmiegte,</l><lb/>
              <l>Als wie, wer &#x017F;chlafen will, an &#x017F;einen lieben pfu&#x0364;hl.</l><lb/>
              <l>Vermuthlich daß der mann dazu &#x017F;ich willig fu&#x0364;gte;</l><lb/>
              <l>In &#x017F;olchen fa&#x0364;llen mi&#x017F;cht das herz &#x017F;ich gern ins &#x017F;piel:</l><lb/>
              <l>Jedoch gereicht zum ruhm des wackern Alten,</l><lb/>
              <l>Daß er wie reines gold dies feuer ausgehalten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <head> <hi rendition="#c">19.</hi> </head><lb/>
              <l><hi rendition="#in">G</hi>anz anders war das junge Paar ge&#x017F;timmt,</l><lb/>
              <l>Das Amor izt mit &#x017F;einer Mutter &#x017F;chwanen</l><lb/>
              <l>Davonzufu&#x0364;hren &#x017F;chien. Ob auf gewohnten bahnen</l><lb/>
              <l>Den lauf ihr zauberfuhrwerk nimmt,</l><lb/>
              <l>Ob durch die luft, ob's rollet oder &#x017F;chwimmt,</l><lb/>
              <l>Ob lang&#x017F;am oder &#x017F;chnell, mit pferden oder &#x017F;chwanen,</l><lb/>
              <l>Sanft oder hart, mit oder ohne fahr &#x2014;</l><lb/>
              <l>Sie werden nichts von allem dem gewahr.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">H 4</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">20. Ein</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0125] 17. Wie wird ihr erſt, indem ſie ruͤkwaͤrts ſchaut Und ſieht, an pferde ſtatt, vier Schwanen vor dem wagen, Regiert von einem Kind? — und denket, wie's ihr graut, Da ſie emporgelupft und durch die luft getragen Sich fuͤhlt, und kaum zu athmen ſich getraut, Und nicht begreifen kann, wie, ohne umzuſchlagen, So ſchwer bepakt, der wagen ſich erhebt, Und, ſteter als ein kahn, auf leichten wolken ſchwebt. 18. Als endlich gar die Nacht ſie uͤberfiel, Iſts wunder, daß die furcht zulezt die ſchaam beſiegte, Und Fatme ſo gedrang an Scherasmin ſich ſchmiegte, Als wie, wer ſchlafen will, an ſeinen lieben pfuͤhl. Vermuthlich daß der mann dazu ſich willig fuͤgte; In ſolchen faͤllen miſcht das herz ſich gern ins ſpiel: Jedoch gereicht zum ruhm des wackern Alten, Daß er wie reines gold dies feuer ausgehalten. 19. Ganz anders war das junge Paar geſtimmt, Das Amor izt mit ſeiner Mutter ſchwanen Davonzufuͤhren ſchien. Ob auf gewohnten bahnen Den lauf ihr zauberfuhrwerk nimmt, Ob durch die luft, ob's rollet oder ſchwimmt, Ob langſam oder ſchnell, mit pferden oder ſchwanen, Sanft oder hart, mit oder ohne fahr — Sie werden nichts von allem dem gewahr. 20. Ein H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/125
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/125>, abgerufen am 29.11.2024.