ker Wille, ist unsere Äufgabe und unser einziges Glück; zu dem übrigen können wir lachen, beten, weinen. -- --
Freitag, den 3. September 1806.
Alles was in den französischen Romanen vorkommt, geht noch gar nicht über den Kreis hinaus, in welchem "die Män- ner noch roh sind, und folglich die Weiber noch affektirt sein müssen." Oder beide sind monstruös verderbt -- das berühmte Buch von Laclos -- d. h. in Albernheit sich verlierend; wie Gurli in Naivetät; und Thekla, auf Maximen schreitend, zum Nichts hin trabt, wankt, und stolpert! Diese beiden letzten sind durchaus Pendants; und schlechtere Mahler, die aber nach dem Leben mahlten, haben bessere gemacht.
An Rose, in Amsterdam.
Berlin, Sonnabend den 13. September 1806.
Es war mir recht angenehm, so schnell zu erfahren, daß mein großer Brief euch richtig und unversehrt überkommen ist. -- Die erwähnte Sache verstehe ich wirklich gar nicht, außer sehr im Großen, wie ein gut organisirter Kopf alles verstehen muß. Im Detail hangen diese Menschen, wie jede Volks- klasse in jedem Lande, zu sehr von der jedesmaligen Verfas- sung desselben, worin sie sich befinden, ab: um daß ich ihre zeitliche und örtliche Zustände sollte beurtheilen können. Es ist mir aber in der Seele lieb, wenn etwas Gutes für die holländischen Juden bewirkt wird; ihre Zahl ist groß; und
ker Wille, iſt unſere Äufgabe und unſer einziges Glück; zu dem übrigen können wir lachen, beten, weinen. — —
Freitag, den 3. September 1806.
Alles was in den franzöſiſchen Romanen vorkommt, geht noch gar nicht über den Kreis hinaus, in welchem „die Män- ner noch roh ſind, und folglich die Weiber noch affektirt ſein müſſen.“ Oder beide ſind monſtruös verderbt — das berühmte Buch von Laclos — d. h. in Albernheit ſich verlierend; wie Gurli in Naivetät; und Thekla, auf Maximen ſchreitend, zum Nichts hin trabt, wankt, und ſtolpert! Dieſe beiden letzten ſind durchaus Pendants; und ſchlechtere Mahler, die aber nach dem Leben mahlten, haben beſſere gemacht.
An Roſe, in Amſterdam.
Berlin, Sonnabend den 13. September 1806.
Es war mir recht angenehm, ſo ſchnell zu erfahren, daß mein großer Brief euch richtig und unverſehrt überkommen iſt. — Die erwähnte Sache verſtehe ich wirklich gar nicht, außer ſehr im Großen, wie ein gut organiſirter Kopf alles verſtehen muß. Im Detail hangen dieſe Menſchen, wie jede Volks- klaſſe in jedem Lande, zu ſehr von der jedesmaligen Verfaſ- ſung deſſelben, worin ſie ſich befinden, ab: um daß ich ihre zeitliche und örtliche Zuſtände ſollte beurtheilen können. Es iſt mir aber in der Seele lieb, wenn etwas Gutes für die holländiſchen Juden bewirkt wird; ihre Zahl iſt groß; und
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ker Wille, iſt unſere Äufgabe und unſer einziges Glück; zu
dem übrigen können wir lachen, beten, weinen. — —
Freitag, den 3. September 1806.
Alles was in den franzöſiſchen Romanen vorkommt, geht
noch gar nicht über den Kreis hinaus, in welchem „die Män-
ner noch roh ſind, und folglich die Weiber noch affektirt ſein
müſſen.“ Oder beide ſind monſtruös verderbt — das berühmte
Buch von Laclos — d. h. in Albernheit ſich verlierend;
wie Gurli in Naivetät; und Thekla, auf Maximen ſchreitend,
zum Nichts hin trabt, wankt, und ſtolpert! Dieſe beiden
letzten ſind durchaus Pendants; und ſchlechtere Mahler, die
aber nach dem Leben mahlten, haben beſſere gemacht.
An Roſe, in Amſterdam.
Berlin, Sonnabend den 13. September 1806.
Es war mir recht angenehm, ſo ſchnell zu erfahren, daß
mein großer Brief euch richtig und unverſehrt überkommen iſt.
— Die erwähnte Sache verſtehe ich wirklich gar nicht, außer
ſehr im Großen, wie ein gut organiſirter Kopf alles verſtehen
muß. Im Detail hangen dieſe Menſchen, wie jede Volks-
klaſſe in jedem Lande, zu ſehr von der jedesmaligen Verfaſ-
ſung deſſelben, worin ſie ſich befinden, ab: um daß ich ihre
zeitliche und örtliche Zuſtände ſollte beurtheilen können. Es
iſt mir aber in der Seele lieb, wenn etwas Gutes für die
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/310>, abgerufen am 30.11.2024.
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