Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

ker Wille, ist unsere Äufgabe und unser einziges Glück; zu
dem übrigen können wir lachen, beten, weinen. -- --




Alles was in den französischen Romanen vorkommt, geht
noch gar nicht über den Kreis hinaus, in welchem "die Män-
ner noch roh sind, und folglich die Weiber noch affektirt sein
müssen." Oder beide sind monstruös verderbt -- das berühmte
Buch von Laclos -- d. h. in Albernheit sich verlierend;
wie Gurli in Naivetät; und Thekla, auf Maximen schreitend,
zum Nichts hin trabt, wankt, und stolpert! Diese beiden
letzten sind durchaus Pendants; und schlechtere Mahler, die
aber nach dem Leben mahlten, haben bessere gemacht.



An Rose, in Amsterdam.

Es war mir recht angenehm, so schnell zu erfahren, daß
mein großer Brief euch richtig und unversehrt überkommen ist.
-- Die erwähnte Sache verstehe ich wirklich gar nicht, außer
sehr im Großen, wie ein gut organisirter Kopf alles verstehen
muß. Im Detail hangen diese Menschen, wie jede Volks-
klasse in jedem Lande, zu sehr von der jedesmaligen Verfas-
sung desselben, worin sie sich befinden, ab: um daß ich ihre
zeitliche und örtliche Zustände sollte beurtheilen können. Es
ist mir aber in der Seele lieb, wenn etwas Gutes für die
holländischen Juden bewirkt wird; ihre Zahl ist groß; und

ker Wille, iſt unſere Äufgabe und unſer einziges Glück; zu
dem übrigen können wir lachen, beten, weinen. — —




Alles was in den franzöſiſchen Romanen vorkommt, geht
noch gar nicht über den Kreis hinaus, in welchem „die Män-
ner noch roh ſind, und folglich die Weiber noch affektirt ſein
müſſen.“ Oder beide ſind monſtruös verderbt — das berühmte
Buch von Laclos — d. h. in Albernheit ſich verlierend;
wie Gurli in Naivetät; und Thekla, auf Maximen ſchreitend,
zum Nichts hin trabt, wankt, und ſtolpert! Dieſe beiden
letzten ſind durchaus Pendants; und ſchlechtere Mahler, die
aber nach dem Leben mahlten, haben beſſere gemacht.



An Roſe, in Amſterdam.

Es war mir recht angenehm, ſo ſchnell zu erfahren, daß
mein großer Brief euch richtig und unverſehrt überkommen iſt.
— Die erwähnte Sache verſtehe ich wirklich gar nicht, außer
ſehr im Großen, wie ein gut organiſirter Kopf alles verſtehen
muß. Im Detail hangen dieſe Menſchen, wie jede Volks-
klaſſe in jedem Lande, zu ſehr von der jedesmaligen Verfaſ-
ſung deſſelben, worin ſie ſich befinden, ab: um daß ich ihre
zeitliche und örtliche Zuſtände ſollte beurtheilen können. Es
iſt mir aber in der Seele lieb, wenn etwas Gutes für die
holländiſchen Juden bewirkt wird; ihre Zahl iſt groß; und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0310" n="296"/>
ker Wille, i&#x017F;t un&#x017F;ere Äufgabe und un&#x017F;er einziges Glück; zu<lb/>
dem übrigen können wir lachen, beten, weinen. &#x2014; &#x2014;</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Freitag, den 3. September 1806.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Alles was in den franzö&#x017F;i&#x017F;chen Romanen vorkommt, geht<lb/>
noch gar nicht über den Kreis hinaus, in welchem &#x201E;die Män-<lb/>
ner noch roh &#x017F;ind, und folglich die Weiber noch affektirt &#x017F;ein<lb/>&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Oder beide &#x017F;ind mon&#x017F;truös verderbt &#x2014; das berühmte<lb/>
Buch von Laclos &#x2014; d. h. in Albernheit &#x017F;ich <hi rendition="#g">verlierend</hi>;<lb/>
wie Gurli in Naivetät; und Thekla, auf Maximen &#x017F;chreitend,<lb/><hi rendition="#g">zum Nichts</hi> hin <hi rendition="#g">trabt</hi>, wankt, und &#x017F;tolpert! Die&#x017F;e beiden<lb/>
letzten &#x017F;ind <hi rendition="#g">durchaus</hi> Pendants; und &#x017F;chlechtere Mahler, die<lb/>
aber nach dem Leben mahlten, haben be&#x017F;&#x017F;ere gemacht.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Ro&#x017F;e, in Am&#x017F;terdam.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Berlin, Sonnabend den 13. September 1806.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Es war mir recht angenehm, &#x017F;o &#x017F;chnell zu erfahren, daß<lb/>
mein großer Brief euch richtig und unver&#x017F;ehrt überkommen i&#x017F;t.<lb/>
&#x2014; Die erwähnte Sache ver&#x017F;tehe ich wirklich <hi rendition="#g">gar nicht</hi>, außer<lb/>
&#x017F;ehr im Großen, wie ein gut organi&#x017F;irter Kopf alles ver&#x017F;tehen<lb/><hi rendition="#g">muß</hi>. Im Detail hangen die&#x017F;e Men&#x017F;chen, wie jede Volks-<lb/>
kla&#x017F;&#x017F;e in jedem Lande, zu &#x017F;ehr von der jedesmaligen Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung de&#x017F;&#x017F;elben, worin &#x017F;ie &#x017F;ich befinden, ab: um daß ich ihre<lb/>
zeitliche und örtliche Zu&#x017F;tände &#x017F;ollte beurtheilen können. Es<lb/>
i&#x017F;t mir aber in der Seele lieb, wenn etwas Gutes für die<lb/>
holländi&#x017F;chen Juden bewirkt wird; ihre Zahl i&#x017F;t groß; und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0310] ker Wille, iſt unſere Äufgabe und unſer einziges Glück; zu dem übrigen können wir lachen, beten, weinen. — — Freitag, den 3. September 1806. Alles was in den franzöſiſchen Romanen vorkommt, geht noch gar nicht über den Kreis hinaus, in welchem „die Män- ner noch roh ſind, und folglich die Weiber noch affektirt ſein müſſen.“ Oder beide ſind monſtruös verderbt — das berühmte Buch von Laclos — d. h. in Albernheit ſich verlierend; wie Gurli in Naivetät; und Thekla, auf Maximen ſchreitend, zum Nichts hin trabt, wankt, und ſtolpert! Dieſe beiden letzten ſind durchaus Pendants; und ſchlechtere Mahler, die aber nach dem Leben mahlten, haben beſſere gemacht. An Roſe, in Amſterdam. Berlin, Sonnabend den 13. September 1806. Es war mir recht angenehm, ſo ſchnell zu erfahren, daß mein großer Brief euch richtig und unverſehrt überkommen iſt. — Die erwähnte Sache verſtehe ich wirklich gar nicht, außer ſehr im Großen, wie ein gut organiſirter Kopf alles verſtehen muß. Im Detail hangen dieſe Menſchen, wie jede Volks- klaſſe in jedem Lande, zu ſehr von der jedesmaligen Verfaſ- ſung deſſelben, worin ſie ſich befinden, ab: um daß ich ihre zeitliche und örtliche Zuſtände ſollte beurtheilen können. Es iſt mir aber in der Seele lieb, wenn etwas Gutes für die holländiſchen Juden bewirkt wird; ihre Zahl iſt groß; und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/310
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/310>, abgerufen am 30.11.2024.