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Treuer, Gottlieb Samuel: Die Unveränderliche Tugend Des weyland Durchlauchtigsten Fürsten und Herren, Herren Anthon Ulrichs, Hertzoges zu Braunschweig und Lüneburg. Helmstedt, [1714].

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Göttlichen Thrones werffen / was wir vor eine tieffe Erniedrigung von nöthen haben. Die Feder schämet sich weiter daran zu gedencken, und eilet zu etwas / dessen mit keinen gnungsamen Ruhme kan erwehnet werden. Anthon Ulrich erhielt in seiner heiligen Bemühung was ER suchte, und fand eine überschwenckliche Gnade bey dem / der IHM so viel Gnade gegen seine Unterthanen gegeben hatte. ER wuste / daß für ihm keine Krone so helle sey / die nicht Staub an sich habe, und die Himmel für seinen Augen nicht rein erfunden werden. Daher entschlug ER sich aller Hoheit, und wieß / daß sein Glaube IHN so klein und geringe / als seine Tugend groß machen konte. Und wie ER hiedurch des Himmels / ja noch was grössers / als desselben sich versichert hatte / so wartete ER auf nichts / als auf den letzten Winck der höchsten Majestät / um die Gräntzen der Ewigkeit zu betreten.

Allein, Gnädigster Hertzog / hinterlässest du deinem betrübten Lande keinen Seegen und siehest du nicht noch einmahl zurück auf seine vergebliche Thränen? doch die Sorge war nicht nöthig. ER that noch einen Blick auf das / was ER verlassen solte, und da sahe ER seine Diener / da sahe ER sein Land / da sahe ER seine Printzen, und sein gantzes Hauß. Die meisten seiner Bedienten waren schon genung gesegnet / weil seine Gnade Ihnen alles war, und so schwach IHN die entkräfftete Natur machte / so sammlete ER doch alle Krafft / mit der grösten Gedult ihre Dienste zu erkennen, und einem jeglichen die Hand zum Kuß dar zu reichen / welche zur Bezeugung der Danckbarkeit nichts als einen betrübten Abschieds-Kuß vor alle ihre Wolthaten zu begehren schiene. Aber das schwereste deuchtete uns zu seyn / ER solte seinen Printzen den letzten Kuß geben. Und wie gienge es hier dem sterbenden Hertzoge?

Er blieb unbeweglich! Wie das alte Rom die ruhigen Gesichter seiner Helden beschreibt / wenn sie im Triumph eingezogen / so sahe das seinige aus, und es war eben die Majestät drinnen zu sehen / die es wieß / wenn es pflegte einen Winck zu Vollziehung seiner Befehle zu ertheilen: Denn es bildete die Bewegung einer Seele vor / die über dem Tod herrschete. ER hielte selbst die Wehmuht derer zurücke / die so was unschätzbahres ohne Schmertzen nicht verlieren konnten, und war nicht fähig zu leyden / daß sein großmühtiger Triumph mit Thränen solte begleitet werden. Er küssete die Ebenbilder seiner Tugend zum letzten mal / ohne gebeuget zu werden / weil ER bedachte / daß ER in IHNEN unsterblich würde. ER küssete seine grosse Hoffnung in Printz Carln / den der Himmel nicht vergebens annoch lassen gebohren werden / damit ER die Seegen Anthon Ulrichs erben möchte, und ER küssete IHN mit solcher Liebe / daß es schiene / als ob ER einen Theil seines Geistes auf diesem Printz legte. Er küssete die Hertzoginnen seines Durchlauchtigsten Hauses / an denen er so viele Wunder der Tugend / Schönheit und Hoheit erblicket, und im Geist nahm Er auch von denen hohen Persohnen Abschied / die in Deutschland / Moscow und Franckreich / seiner Liebe / Freundschafft / Weißheit und Tugend so viel zu dancken und sie so wehrt gehalten. Sonderlich überschüttete ER seine Printzen und Printzeßinnen mit Seegen aus der Höhe nach Wunsch der Hohen in der

Göttlichen Thrones werffen / was wir vor eine tieffe Erniedrigung von nöthen haben. Die Feder schämet sich weiter daran zu gedencken, und eilet zu etwas / dessen mit keinen gnungsamen Ruhme kan erwehnet werden. Anthon Ulrich erhielt in seiner heiligen Bemühung was ER suchte, und fand eine überschwenckliche Gnade bey dem / der IHM so viel Gnade gegen seine Unterthanen gegeben hatte. ER wuste / daß für ihm keine Krone so helle sey / die nicht Staub an sich habe, und die Himmel für seinen Augen nicht rein erfunden werden. Daher entschlug ER sich aller Hoheit, und wieß / daß sein Glaube IHN so klein und geringe / als seine Tugend groß machen konte. Und wie ER hiedurch des Himmels / ja noch was grössers / als desselben sich versichert hatte / so wartete ER auf nichts / als auf den letzten Winck der höchsten Majestät / um die Gräntzen der Ewigkeit zu betreten.

Allein, Gnädigster Hertzog / hinterlässest du deinem betrübten Lande keinen Seegen und siehest du nicht noch einmahl zurück auf seine vergebliche Thränen? doch die Sorge war nicht nöthig. ER that noch einen Blick auf das / was ER verlassen solte, und da sahe ER seine Diener / da sahe ER sein Land / da sahe ER seine Printzen, und sein gantzes Hauß. Die meisten seiner Bedienten waren schon genung gesegnet / weil seine Gnade Ihnen alles war, und so schwach IHN die entkräfftete Natur machte / so sammlete ER doch alle Krafft / mit der grösten Gedult ihre Dienste zu erkennen, und einem jeglichen die Hand zum Kuß dar zu reichen / welche zur Bezeugung der Danckbarkeit nichts als einen betrübten Abschieds-Kuß vor alle ihre Wolthaten zu begehren schiene. Aber das schwereste deuchtete uns zu seyn / ER solte seinen Printzen den letzten Kuß geben. Und wie gienge es hier dem sterbenden Hertzoge?

Er blieb unbeweglich! Wie das alte Rom die ruhigen Gesichter seiner Helden beschreibt / wenn sie im Triumph eingezogen / so sahe das seinige aus, und es war eben die Majestät drinnen zu sehen / die es wieß / wenn es pflegte einen Winck zu Vollziehung seiner Befehle zu ertheilen: Denn es bildete die Bewegung einer Seele vor / die über dem Tod herrschete. ER hielte selbst die Wehmuht derer zurücke / die so was unschätzbahres ohne Schmertzen nicht verlieren konnten, und war nicht fähig zu leyden / daß sein großmühtiger Triumph mit Thränen solte begleitet werden. Er küssete die Ebenbilder seiner Tugend zum letzten mal / ohne gebeuget zu werden / weil ER bedachte / daß ER in IHNEN unsterblich würde. ER küssete seine grosse Hoffnung in Printz Carln / den der Himmel nicht vergebens annoch lassen gebohren werden / damit ER die Seegen Anthon Ulrichs erben möchte, und ER küssete IHN mit solcher Liebe / daß es schiene / als ob ER einen Theil seines Geistes auf diesem Printz legte. Er küssete die Hertzoginnen seines Durchlauchtigsten Hauses / an denen er so viele Wunder der Tugend / Schönheit und Hoheit erblicket, und im Geist nahm Er auch von denen hohen Persohnen Abschied / die in Deutschland / Moscow und Franckreich / seiner Liebe / Freundschafft / Weißheit und Tugend so viel zu dancken und sie so wehrt gehalten. Sonderlich überschüttete ER seine Printzen und Printzeßinnen mit Seegen aus der Höhe nach Wunsch der Hohen in der

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                     dessen mit keinen gnungsamen Ruhme kan erwehnet werden. Anthon Ulrich erhielt in
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                     bey dem / der IHM so viel Gnade gegen seine Unterthanen gegeben hatte. ER wuste
                     / daß für ihm keine Krone so helle sey / die nicht Staub an sich habe, und die
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                     aller Hoheit, und wieß / daß sein Glaube IHN so klein und geringe / als seine
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                     genung gesegnet / weil seine Gnade Ihnen alles war, und so schwach IHN die
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                     Winck zu Vollziehung seiner Befehle zu ertheilen: Denn es bildete die Bewegung
                     einer Seele vor / die über dem Tod herrschete. ER hielte selbst die Wehmuht
                     derer zurücke / die so was unschätzbahres ohne Schmertzen nicht verlieren
                     konnten, und war nicht fähig zu leyden / daß sein großmühtiger Triumph mit
                     Thränen solte begleitet werden. Er küssete die Ebenbilder seiner Tugend zum
                     letzten mal / ohne gebeuget zu werden / weil ER bedachte / daß ER in IHNEN
                     unsterblich würde. ER küssete seine grosse Hoffnung in Printz Carln / den der
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                     Anthon Ulrichs erben möchte, und ER küssete IHN mit solcher Liebe / daß es
                     schiene / als ob ER einen Theil seines Geistes auf diesem Printz legte. Er
                     küssete die Hertzoginnen seines Durchlauchtigsten Hauses / an denen er so viele
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[12/0012] Göttlichen Thrones werffen / was wir vor eine tieffe Erniedrigung von nöthen haben. Die Feder schämet sich weiter daran zu gedencken, und eilet zu etwas / dessen mit keinen gnungsamen Ruhme kan erwehnet werden. Anthon Ulrich erhielt in seiner heiligen Bemühung was ER suchte, und fand eine überschwenckliche Gnade bey dem / der IHM so viel Gnade gegen seine Unterthanen gegeben hatte. ER wuste / daß für ihm keine Krone so helle sey / die nicht Staub an sich habe, und die Himmel für seinen Augen nicht rein erfunden werden. Daher entschlug ER sich aller Hoheit, und wieß / daß sein Glaube IHN so klein und geringe / als seine Tugend groß machen konte. Und wie ER hiedurch des Himmels / ja noch was grössers / als desselben sich versichert hatte / so wartete ER auf nichts / als auf den letzten Winck der höchsten Majestät / um die Gräntzen der Ewigkeit zu betreten. Allein, Gnädigster Hertzog / hinterlässest du deinem betrübten Lande keinen Seegen und siehest du nicht noch einmahl zurück auf seine vergebliche Thränen? doch die Sorge war nicht nöthig. ER that noch einen Blick auf das / was ER verlassen solte, und da sahe ER seine Diener / da sahe ER sein Land / da sahe ER seine Printzen, und sein gantzes Hauß. Die meisten seiner Bedienten waren schon genung gesegnet / weil seine Gnade Ihnen alles war, und so schwach IHN die entkräfftete Natur machte / so sammlete ER doch alle Krafft / mit der grösten Gedult ihre Dienste zu erkennen, und einem jeglichen die Hand zum Kuß dar zu reichen / welche zur Bezeugung der Danckbarkeit nichts als einen betrübten Abschieds-Kuß vor alle ihre Wolthaten zu begehren schiene. Aber das schwereste deuchtete uns zu seyn / ER solte seinen Printzen den letzten Kuß geben. Und wie gienge es hier dem sterbenden Hertzoge? Er blieb unbeweglich! Wie das alte Rom die ruhigen Gesichter seiner Helden beschreibt / wenn sie im Triumph eingezogen / so sahe das seinige aus, und es war eben die Majestät drinnen zu sehen / die es wieß / wenn es pflegte einen Winck zu Vollziehung seiner Befehle zu ertheilen: Denn es bildete die Bewegung einer Seele vor / die über dem Tod herrschete. ER hielte selbst die Wehmuht derer zurücke / die so was unschätzbahres ohne Schmertzen nicht verlieren konnten, und war nicht fähig zu leyden / daß sein großmühtiger Triumph mit Thränen solte begleitet werden. Er küssete die Ebenbilder seiner Tugend zum letzten mal / ohne gebeuget zu werden / weil ER bedachte / daß ER in IHNEN unsterblich würde. ER küssete seine grosse Hoffnung in Printz Carln / den der Himmel nicht vergebens annoch lassen gebohren werden / damit ER die Seegen Anthon Ulrichs erben möchte, und ER küssete IHN mit solcher Liebe / daß es schiene / als ob ER einen Theil seines Geistes auf diesem Printz legte. Er küssete die Hertzoginnen seines Durchlauchtigsten Hauses / an denen er so viele Wunder der Tugend / Schönheit und Hoheit erblicket, und im Geist nahm Er auch von denen hohen Persohnen Abschied / die in Deutschland / Moscow und Franckreich / seiner Liebe / Freundschafft / Weißheit und Tugend so viel zu dancken und sie so wehrt gehalten. Sonderlich überschüttete ER seine Printzen und Printzeßinnen mit Seegen aus der Höhe nach Wunsch der Hohen in der

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Zitationshilfe: Treuer, Gottlieb Samuel: Die Unveränderliche Tugend Des weyland Durchlauchtigsten Fürsten und Herren, Herren Anthon Ulrichs, Hertzoges zu Braunschweig und Lüneburg. Helmstedt, [1714], S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treuer_tugend_1714/12>, abgerufen am 23.04.2024.