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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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deßwegen doch nicht verdammet oder für Unevangelische geachtet werden, weil sie dennoch den eigentlichen Trost und Hoffnung ihrer Seeligkeit nicht auf solche irrige Lehren, nicht auf Verdienst und Anruffung der Heiligen, nicht auf Seel-Messen, nicht auf Ablaß, nicht auf Closter-Orden und anders dergleichen, sondern allein auf die lautere Gnade und Barmhertzigkeit Gottes in JEsu Christo dem Gecreutzigten gesetzet haben. Ob man auch einwenden wolte, daß sie dennoch zur Messe gehen, die wir für abgöttisch halten und demnach alle solche Leute als eitel Abgötter verdammen müssen. So mögen wir antworten, daß solche Leute zur Meß gehen, in der Einfalt ihres Hertzens, auf den alten einfältigen Glauben der Worte Christi im heil. Abendmahl, davon auch noch die heutigen Päbstlichen so weit mit uns einig seyn müssen, daß es sey sacrificium commemorativum, ein Gedächtniß des Opfers Christi am Creutz und die geistl. Speise unserer Seelen u. s. w. Ob auch schon in den Ceremonien der Messe von der ersten Einsetzung des HErrn Christi sehr abgewichen und viel menschliche, theils abergläubische, theils abgöttische darzu gethan; so können doch nicht bald alle diejenigen für verdammete Abgötter gehalten werden, die zu denen Zeiten und Orten, da man des HErren Nachtmahl nicht anders haben kan, den gemeinen Messen, um desjenigen willen, was noch an der Einsetzung des HErren darinnen übrig, in ihrer Einfalt zu dem Ende beywohnen, daß sie des Leibes und Blutes Christi zur Speise ihrer Seelen geniessen möchten; Gleichwie sie auch der H. Tauffe, ungeachtet der vielfältigen abergl. menschlichen Ceremonien, die man dazu gethan, zu Abwaschung ihrer Sünden gebrauchet: Welche auch, ob sie schon für dem geheiligten Brot und Wein niederknien, doch die eigentl. Anbetung und Vertrauen ihres Hertzens nicht auf Brot und Wein, sondern auf Christum selbst zur Rechten des Vaters im Himmel richten: Des wegen sie noch viel weniger für Abgötterey zu halten, als da sie etwa für gemahlten oder geschnizten Crucifixen nied erknien den HErrn Christum in Himmel dafür anzubeten.

XIIX. Nachdem also bißhero zum voraus sattsam behauptetBey der II. Frage: Ob eine Lutherische Person ihrer Seeligkeit worden, daß die Catholischen in ihrer Religion, wenn sie einfältig glauben, und Christlich leben, gar wohl können seelig werden; wird es auch nicht unschwer seyn, die andre Frage zu beantworten: Ob dann auch Z.E. eine Lutherische Person ihrer Seeligkeit verlustig werde, wenn sie zur

deßwegen doch nicht verdam̃et oder für Unevangelische geachtet werden, weil sie dennoch den eigentlichen Trost und Hoffnung ihrer Seeligkeit nicht auf solche irrige Lehren, nicht auf Verdienst und Anruffung der Heiligen, nicht auf Seel-Messen, nicht auf Ablaß, nicht auf Closter-Orden und anders dergleichen, sondern allein auf die lautere Gnade und Barmhertzigkeit Gottes in JEsu Christo dem Gecreutzigten gesetzet haben. Ob man auch einwenden wolte, daß sie dennoch zur Messe gehen, die wir für abgöttisch halten und demnach alle solche Leute als eitel Abgötter verdammen müssen. So mögen wir antworten, daß solche Leute zur Meß gehen, in der Einfalt ihres Hertzens, auf den alten einfältigen Glauben der Worte Christi im heil. Abendmahl, davon auch noch die heutigen Päbstlichen so weit mit uns einig seyn müssen, daß es sey sacrificium commemorativum, ein Gedächtniß des Opfers Christi am Creutz und die geistl. Speise unserer Seelen u. s. w. Ob auch schon in den Ceremonien der Messe von der ersten Einsetzung des HErrn Christi sehr abgewichen und viel menschliche, theils abergläubische, theils abgöttische darzu gethan; so können doch nicht bald alle diejenigen für verdammete Abgötter gehalten werden, die zu denen Zeiten und Orten, da man des HErren Nachtmahl nicht anders haben kan, den gemeinen Messen, um desjenigen willen, was noch an der Einsetzung des HErren darinnen übrig, in ihrer Einfalt zu dem Ende beywohnen, daß sie des Leibes und Blutes Christi zur Speise ihrer Seelen geniessen möchten; Gleichwie sie auch der H. Tauffe, ungeachtet der vielfältigen abergl. menschlichen Ceremonien, die man dazu gethan, zu Abwaschung ihrer Sünden gebrauchet: Welche auch, ob sie schon für dem geheiligten Brot und Wein niederknien, doch die eigentl. Anbetung und Vertrauen ihres Hertzens nicht auf Brot und Wein, sondern auf Christum selbst zur Rechten des Vaters im Him̃el richten: Des wegen sie noch viel weniger für Abgötterey zu halten, als da sie etwa für gemahlten oder geschnizten Crucifixen nied erknien den HErrn Christum in Him̃el dafür anzubeten.

XIIX. Nachdem also bißhero zum voraus sattsam behauptetBey der II. Frage: Ob eine Lutherische Person ihrer Seeligkeit worden, daß die Catholischen in ihrer Religion, wenn sie einfältig glauben, und Christlich leben, gar wohl können seelig werden; wird es auch nicht unschwer seyn, die andre Frage zu beantworten: Ob dann auch Z.E. eine Lutherische Person ihrer Seeligkeit verlustig werde, wenn sie zur

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[15/0023] deßwegen doch nicht verdam̃et oder für Unevangelische geachtet werden, weil sie dennoch den eigentlichen Trost und Hoffnung ihrer Seeligkeit nicht auf solche irrige Lehren, nicht auf Verdienst und Anruffung der Heiligen, nicht auf Seel-Messen, nicht auf Ablaß, nicht auf Closter-Orden und anders dergleichen, sondern allein auf die lautere Gnade und Barmhertzigkeit Gottes in JEsu Christo dem Gecreutzigten gesetzet haben. Ob man auch einwenden wolte, daß sie dennoch zur Messe gehen, die wir für abgöttisch halten und demnach alle solche Leute als eitel Abgötter verdammen müssen. So mögen wir antworten, daß solche Leute zur Meß gehen, in der Einfalt ihres Hertzens, auf den alten einfältigen Glauben der Worte Christi im heil. Abendmahl, davon auch noch die heutigen Päbstlichen so weit mit uns einig seyn müssen, daß es sey sacrificium commemorativum, ein Gedächtniß des Opfers Christi am Creutz und die geistl. Speise unserer Seelen u. s. w. Ob auch schon in den Ceremonien der Messe von der ersten Einsetzung des HErrn Christi sehr abgewichen und viel menschliche, theils abergläubische, theils abgöttische darzu gethan; so können doch nicht bald alle diejenigen für verdammete Abgötter gehalten werden, die zu denen Zeiten und Orten, da man des HErren Nachtmahl nicht anders haben kan, den gemeinen Messen, um desjenigen willen, was noch an der Einsetzung des HErren darinnen übrig, in ihrer Einfalt zu dem Ende beywohnen, daß sie des Leibes und Blutes Christi zur Speise ihrer Seelen geniessen möchten; Gleichwie sie auch der H. Tauffe, ungeachtet der vielfältigen abergl. menschlichen Ceremonien, die man dazu gethan, zu Abwaschung ihrer Sünden gebrauchet: Welche auch, ob sie schon für dem geheiligten Brot und Wein niederknien, doch die eigentl. Anbetung und Vertrauen ihres Hertzens nicht auf Brot und Wein, sondern auf Christum selbst zur Rechten des Vaters im Him̃el richten: Des wegen sie noch viel weniger für Abgötterey zu halten, als da sie etwa für gemahlten oder geschnizten Crucifixen nied erknien den HErrn Christum in Him̃el dafür anzubeten. XIIX. Nachdem also bißhero zum voraus sattsam behauptet worden, daß die Catholischen in ihrer Religion, wenn sie einfältig glauben, und Christlich leben, gar wohl können seelig werden; wird es auch nicht unschwer seyn, die andre Frage zu beantworten: Ob dann auch Z.E. eine Lutherische Person ihrer Seeligkeit verlustig werde, wenn sie zur Bey der II. Frage: Ob eine Lutherische Person ihrer Seeligkeit

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/23>, abgerufen am 16.04.2024.