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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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so daß die Sonne den Waldesschatten noch nicht
überstiegen hatte.

Der helle Drosselschlag, der von den Lich¬
tungen zu mir scholl, fand seinen Widerhall in
meinem Herzen. Durch die Bestellungen, so mein
theurer Meister van der Helst im letzten Jahre
meines Amsterdamer Aufenthalts mir zugewendet,
war ich aller Sorge quitt geworden; einen guten
Zehrpfennig und einen Wechsel auf Hamburg
trug ich noch itzt in meiner Taschen; dazu war
ich stattlich angethan: mein Haar fiel auf ein
Mäntelchen mit feinem Grauwerk, und der Lütticher
Degen fehlte nicht an meiner Hüfte.

Meine Gedanken aber eileten mir voraus;
immer sah ich Herrn Gerhardus, meinen edlen
großgünstigen Protector, wie er von der Schwelle
seines Zimmers mir die Hände würd' entgegen¬
strecken, mit seinem milden Gruße: "So segne
Gott Deinen Eingang, mein Johannes!"

Er hatte einst mit meinem lieben, ach, gar
zu früh in die ewige Herrlichkeit genommenen
Vater zu Jena die Rechte studiret und war auch

ſo daß die Sonne den Waldesſchatten noch nicht
überſtiegen hatte.

Der helle Droſſelſchlag, der von den Lich¬
tungen zu mir ſcholl, fand ſeinen Widerhall in
meinem Herzen. Durch die Beſtellungen, ſo mein
theurer Meiſter van der Helſt im letzten Jahre
meines Amſterdamer Aufenthalts mir zugewendet,
war ich aller Sorge quitt geworden; einen guten
Zehrpfennig und einen Wechſel auf Hamburg
trug ich noch itzt in meiner Taſchen; dazu war
ich ſtattlich angethan: mein Haar fiel auf ein
Mäntelchen mit feinem Grauwerk, und der Lütticher
Degen fehlte nicht an meiner Hüfte.

Meine Gedanken aber eileten mir voraus;
immer ſah ich Herrn Gerhardus, meinen edlen
großgünſtigen Protector, wie er von der Schwelle
ſeines Zimmers mir die Hände würd' entgegen¬
ſtrecken, mit ſeinem milden Gruße: „So ſegne
Gott Deinen Eingang, mein Johannes!“

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zu früh in die ewige Herrlichkeit genommenen
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[18/0032] ſo daß die Sonne den Waldesſchatten noch nicht überſtiegen hatte. Der helle Droſſelſchlag, der von den Lich¬ tungen zu mir ſcholl, fand ſeinen Widerhall in meinem Herzen. Durch die Beſtellungen, ſo mein theurer Meiſter van der Helſt im letzten Jahre meines Amſterdamer Aufenthalts mir zugewendet, war ich aller Sorge quitt geworden; einen guten Zehrpfennig und einen Wechſel auf Hamburg trug ich noch itzt in meiner Taſchen; dazu war ich ſtattlich angethan: mein Haar fiel auf ein Mäntelchen mit feinem Grauwerk, und der Lütticher Degen fehlte nicht an meiner Hüfte. Meine Gedanken aber eileten mir voraus; immer ſah ich Herrn Gerhardus, meinen edlen großgünſtigen Protector, wie er von der Schwelle ſeines Zimmers mir die Hände würd' entgegen¬ ſtrecken, mit ſeinem milden Gruße: „So ſegne Gott Deinen Eingang, mein Johannes!“ Er hatte einſt mit meinem lieben, ach, gar zu früh in die ewige Herrlichkeit genommenen Vater zu Jena die Rechte ſtudiret und war auch

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/32>, abgerufen am 29.03.2024.