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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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geblikt, dann stekte er seinen Löffel in eine Scheide
neben das Faß, schlug oben das Spundloch zu, nahm
die Tragbänder des Schubkarrens auf sich, hob
letzteren empor, und fuhr damit davon. Da ich nun
allein war, und ein zwar halb angenehmes aber de߬
ungeachtet auch nicht ganz beruhigtes Gefühl hatte,
wollte ich mich doch auch der Mutter zeigen. Mit
vorsichtig in die Höhe gehaltenen Höschen ging ich in
die Stube hinein. Es war eben Samstag, und an
jedem Samstage mußte die Stube sehr schön gewaschen
und gescheuert werden, was auch heute am Morgen
geschehen war, so wie der Wagenschmiermann gerne
an Samstagen kam, um am Sonntage da zu bleiben,
und in die Kirche zu gehen. Die gut ausgelaugte und
wieder getroknete Holzfaser des Fußbodens nahm die
Wagenschmiere meiner Füsse sehr begierig auf, so daß
hinter jedem meiner Tritte eine starke Tappe auf dem
Boden blieb. Die Mutter saß eben, da ich herein kam,
an dem Fenstertische vorne, und nähte. Da sie mich so
kommen und vorwärts schreiten sah, sprang sie auf.
Sie blieb einen Augenblik in der Schwebe, entweder
weil sie mich so bewunderte, oder weil sie sich nach
einem Werkzeuge umsah, mich zu empfangen. Endlich
aber rief sie: "Was hat denn dieser heillose einge¬
fleischte Sohn heute für Dinge an sich?"

geblikt, dann ſtekte er ſeinen Löffel in eine Scheide
neben das Faß, ſchlug oben das Spundloch zu, nahm
die Tragbänder des Schubkarrens auf ſich, hob
letzteren empor, und fuhr damit davon. Da ich nun
allein war, und ein zwar halb angenehmes aber de߬
ungeachtet auch nicht ganz beruhigtes Gefühl hatte,
wollte ich mich doch auch der Mutter zeigen. Mit
vorſichtig in die Höhe gehaltenen Höschen ging ich in
die Stube hinein. Es war eben Samſtag, und an
jedem Samſtage mußte die Stube ſehr ſchön gewaſchen
und geſcheuert werden, was auch heute am Morgen
geſchehen war, ſo wie der Wagenſchmiermann gerne
an Samſtagen kam, um am Sonntage da zu bleiben,
und in die Kirche zu gehen. Die gut ausgelaugte und
wieder getroknete Holzfaſer des Fußbodens nahm die
Wagenſchmiere meiner Füſſe ſehr begierig auf, ſo daß
hinter jedem meiner Tritte eine ſtarke Tappe auf dem
Boden blieb. Die Mutter ſaß eben, da ich herein kam,
an dem Fenſtertiſche vorne, und nähte. Da ſie mich ſo
kommen und vorwärts ſchreiten ſah, ſprang ſie auf.
Sie blieb einen Augenblik in der Schwebe, entweder
weil ſie mich ſo bewunderte, oder weil ſie ſich nach
einem Werkzeuge umſah, mich zu empfangen. Endlich
aber rief ſie: „Was hat denn dieſer heilloſe einge¬
fleiſchte Sohn heute für Dinge an ſich?“

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[24/0037] geblikt, dann ſtekte er ſeinen Löffel in eine Scheide neben das Faß, ſchlug oben das Spundloch zu, nahm die Tragbänder des Schubkarrens auf ſich, hob letzteren empor, und fuhr damit davon. Da ich nun allein war, und ein zwar halb angenehmes aber de߬ ungeachtet auch nicht ganz beruhigtes Gefühl hatte, wollte ich mich doch auch der Mutter zeigen. Mit vorſichtig in die Höhe gehaltenen Höschen ging ich in die Stube hinein. Es war eben Samſtag, und an jedem Samſtage mußte die Stube ſehr ſchön gewaſchen und geſcheuert werden, was auch heute am Morgen geſchehen war, ſo wie der Wagenſchmiermann gerne an Samſtagen kam, um am Sonntage da zu bleiben, und in die Kirche zu gehen. Die gut ausgelaugte und wieder getroknete Holzfaſer des Fußbodens nahm die Wagenſchmiere meiner Füſſe ſehr begierig auf, ſo daß hinter jedem meiner Tritte eine ſtarke Tappe auf dem Boden blieb. Die Mutter ſaß eben, da ich herein kam, an dem Fenſtertiſche vorne, und nähte. Da ſie mich ſo kommen und vorwärts ſchreiten ſah, ſprang ſie auf. Sie blieb einen Augenblik in der Schwebe, entweder weil ſie mich ſo bewunderte, oder weil ſie ſich nach einem Werkzeuge umſah, mich zu empfangen. Endlich aber rief ſie: „Was hat denn dieſer heilloſe einge¬ fleiſchte Sohn heute für Dinge an ſich?“

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/37>, abgerufen am 28.03.2024.