Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

ewigen Sommer durch dieses Zimmer und meine vie-
len lebenden Blumen geschaffen hätte. Jch vermeide
es dann, in's Freie hinauszusehen; ich liege auf mei-
nem Divan und träume vom Frühlinge; ich athme
den Duft me ner Blumen ein, lausche dem Gesange
der Stuben ögel, mache Musik, besehe Kupferstiche,
ordne meine Muschelsammlung und so geht die böse
Jahreszeit fast unbemerkt vorüber. Sie aber müssen
alle meine Herrlichkeiten in Augenschein nehmen,"
schloß sie ihre Rede, "denn darauf habe ich mich
schon gefreut und Sie dürfen mir die Freude nicht
verderben, Mr. Arnold!"

-- "Keine einzige, so weit das in meiner Macht
steht!" betheuerte er, die Hand auf's Herz legend.

-- "Das ist gut von Jhnen, Sir! Fangen wir
mit der Musik an: wollen Sie zuerst spielen, oder
soll ich es?"

-- "Jch bitte Sie, den Anfang zu machen,
Lady."

-- "Mir ist es so recht," antwortete sie, an
einen kostbaren Flügel eilend und diesen öffnend. Er
trat zu ihr, um ihr zu helfen; sie nahm seine Hülfe
freundlich an und suchte unter den Noten, während
er ihr einen Stuhl hinstellte, auf den sie sich nie-
derließ.

-- "Jetzt setzen Sie sich auf den Divan," be-

ewigen Sommer durch dieſes Zimmer und meine vie-
len lebenden Blumen geſchaffen hätte. Jch vermeide
es dann, in’s Freie hinauszuſehen; ich liege auf mei-
nem Divan und träume vom Frühlinge; ich athme
den Duft me ner Blumen ein, lauſche dem Geſange
der Stuben ögel, mache Muſik, beſehe Kupferſtiche,
ordne meine Muſchelſammlung und ſo geht die böſe
Jahreszeit faſt unbemerkt vorüber. Sie aber müſſen
alle meine Herrlichkeiten in Augenſchein nehmen,“
ſchloß ſie ihre Rede, „denn darauf habe ich mich
ſchon gefreut und Sie dürfen mir die Freude nicht
verderben, Mr. Arnold!“

— „Keine einzige, ſo weit das in meiner Macht
ſteht!“ betheuerte er, die Hand auf’s Herz legend.

— „Das iſt gut von Jhnen, Sir! Fangen wir
mit der Muſik an: wollen Sie zuerſt ſpielen, oder
ſoll ich es?“

— „Jch bitte Sie, den Anfang zu machen,
Lady.“

— „Mir iſt es ſo recht,“ antwortete ſie, an
einen koſtbaren Flügel eilend und dieſen öffnend. Er
trat zu ihr, um ihr zu helfen; ſie nahm ſeine Hülfe
freundlich an und ſuchte unter den Noten, während
er ihr einen Stuhl hinſtellte, auf den ſie ſich nie-
derließ.

— „Jetzt ſetzen Sie ſich auf den Divan,“ be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0028" n="22"/>
ewigen Sommer durch die&#x017F;es Zimmer und meine vie-<lb/>
len lebenden Blumen ge&#x017F;chaffen hätte. Jch vermeide<lb/>
es dann, in&#x2019;s Freie hinauszu&#x017F;ehen; ich liege auf mei-<lb/>
nem Divan und träume vom Frühlinge; ich athme<lb/>
den Duft me ner Blumen ein, lau&#x017F;che dem Ge&#x017F;ange<lb/>
der Stuben ögel, mache Mu&#x017F;ik, be&#x017F;ehe Kupfer&#x017F;tiche,<lb/>
ordne meine Mu&#x017F;chel&#x017F;ammlung und &#x017F;o geht die bö&#x017F;e<lb/>
Jahreszeit fa&#x017F;t unbemerkt vorüber. Sie aber mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
alle meine Herrlichkeiten in Augen&#x017F;chein nehmen,&#x201C;<lb/>
&#x017F;chloß &#x017F;ie ihre Rede, &#x201E;denn darauf habe ich mich<lb/>
&#x017F;chon gefreut und Sie dürfen mir die Freude nicht<lb/>
verderben, Mr. Arnold!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Keine einzige, &#x017F;o weit das in meiner Macht<lb/>
&#x017F;teht!&#x201C; betheuerte er, die Hand auf&#x2019;s Herz legend.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Das i&#x017F;t gut von Jhnen, Sir! Fangen wir<lb/>
mit der Mu&#x017F;ik an: wollen Sie zuer&#x017F;t &#x017F;pielen, oder<lb/>
&#x017F;oll ich es?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Jch bitte Sie, den Anfang zu machen,<lb/>
Lady.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Mir i&#x017F;t es &#x017F;o recht,&#x201C; antwortete &#x017F;ie, an<lb/>
einen ko&#x017F;tbaren Flügel eilend und die&#x017F;en öffnend. Er<lb/>
trat zu ihr, um ihr zu helfen; &#x017F;ie nahm &#x017F;eine Hülfe<lb/>
freundlich an und &#x017F;uchte unter den Noten, während<lb/>
er ihr einen Stuhl hin&#x017F;tellte, auf den &#x017F;ie &#x017F;ich nie-<lb/>
derließ.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Jetzt &#x017F;etzen Sie &#x017F;ich auf den Divan,&#x201C; be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0028] ewigen Sommer durch dieſes Zimmer und meine vie- len lebenden Blumen geſchaffen hätte. Jch vermeide es dann, in’s Freie hinauszuſehen; ich liege auf mei- nem Divan und träume vom Frühlinge; ich athme den Duft me ner Blumen ein, lauſche dem Geſange der Stuben ögel, mache Muſik, beſehe Kupferſtiche, ordne meine Muſchelſammlung und ſo geht die böſe Jahreszeit faſt unbemerkt vorüber. Sie aber müſſen alle meine Herrlichkeiten in Augenſchein nehmen,“ ſchloß ſie ihre Rede, „denn darauf habe ich mich ſchon gefreut und Sie dürfen mir die Freude nicht verderben, Mr. Arnold!“ — „Keine einzige, ſo weit das in meiner Macht ſteht!“ betheuerte er, die Hand auf’s Herz legend. — „Das iſt gut von Jhnen, Sir! Fangen wir mit der Muſik an: wollen Sie zuerſt ſpielen, oder ſoll ich es?“ — „Jch bitte Sie, den Anfang zu machen, Lady.“ — „Mir iſt es ſo recht,“ antwortete ſie, an einen koſtbaren Flügel eilend und dieſen öffnend. Er trat zu ihr, um ihr zu helfen; ſie nahm ſeine Hülfe freundlich an und ſuchte unter den Noten, während er ihr einen Stuhl hinſtellte, auf den ſie ſich nie- derließ. — „Jetzt ſetzen Sie ſich auf den Divan,“ be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/28
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/28>, abgerufen am 23.11.2024.