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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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zu erkennen ist, folgt, daß der Verfasser der Rückertschen Recension
und der Schreiber dieses Notizenblatts, da es einen Nachtrag zur
ersteren enthält, einer und derselbe ist. Dieser Grund ist ganz
entscheidend. Uebrigens finden sich auch noch andere einzelne An-
zeichen ihres Schellingschen Ursprungs. Z. B. ein stehender Aus-
druck im Kritischen Journal ist der: "Durchbruch", "zum Durch-
bruch verhelfen" oder "zum Durchbruch kommen"; vgl. S. 7, Z. 11
v. o. in der schon als Schellingisch erkannten Stelle, S. 126,
Z. 14 v. u., S. 187, Z. 12 v. u. Dieser Ausdruck findet sich
hier zweimal S. 78 und S. 93. Der prägnante philosophische
Gebrauch des Worts empfängt S. 92, Z. 1 v. u. ist gleich-
falls ein zu jener Zeit Schelling eigenthümlicher und findet sich
z. B. S. 212, Z. 18. v. o. (vgl. S. 140, Z. 3 v. o.) in diesem
und S. 517, Z. 8 v. o., sowie S. 519, Z. 2 v. u. (Abh.
über die Metalle) im vorhergehenden Band. Schellingisch wie nur
irgend etwas ist der Satz S. 94: "jener Nothwendigkeit aber,
welche nicht mit der Freiheit im Kampfe liegt, jener göttlichen,
übersinnlichen, unbewegten, heiligen, die Schicksal heißt, sich zu
unterwerfen, ist die Lehre jeder ächten Philosophie und die ein-
zige Weisheit." Ganz ähnlich heißt es in einem Würzburger
Manuscript:
Dieß beruhigt uns, dieß erhebt uns auf immer über alle leere Sehn-
sucht, Furcht und Hoffnung, zu wissen, daß nicht wir handeln, sondern
daß eine göttliche Nothwendigkeit in uns handelt, von der wir zum Ziel
getragen werden, und mit der nichts im Widerstreit stehen kann, was
aus absoluter Freiheit folgt.

Wenn endlich S. 87 Rückert vorgeworfen wird, er nehme
den Idealismus auf den ganz gemeinen Standpunkt herunter, "wo
jeder Taglöhner und Markthelfer auch steht", so erinnert dieß an
die Worte eines Briefs an Fichte 1: "Kann ich dafür, wenn man
mir keinen andern Begriff der Natur zuschreibt, als den jeder Che-
miker und Apotheker auch hat." Man sehe auch das Citat S. 88.

1 Briefwechsel, S. 103.

zu erkennen iſt, folgt, daß der Verfaſſer der Rückertſchen Recenſion
und der Schreiber dieſes Notizenblatts, da es einen Nachtrag zur
erſteren enthält, einer und derſelbe iſt. Dieſer Grund iſt ganz
entſcheidend. Uebrigens finden ſich auch noch andere einzelne An-
zeichen ihres Schellingſchen Urſprungs. Z. B. ein ſtehender Aus-
druck im Kritiſchen Journal iſt der: „Durchbruch“, „zum Durch-
bruch verhelfen“ oder „zum Durchbruch kommen“; vgl. S. 7, Z. 11
v. o. in der ſchon als Schellingiſch erkannten Stelle, S. 126,
Z. 14 v. u., S. 187, Z. 12 v. u. Dieſer Ausdruck findet ſich
hier zweimal S. 78 und S. 93. Der prägnante philoſophiſche
Gebrauch des Worts empfängt S. 92, Z. 1 v. u. iſt gleich-
falls ein zu jener Zeit Schelling eigenthümlicher und findet ſich
z. B. S. 212, Z. 18. v. o. (vgl. S. 140, Z. 3 v. o.) in dieſem
und S. 517, Z. 8 v. o., ſowie S. 519, Z. 2 v. u. (Abh.
über die Metalle) im vorhergehenden Band. Schellingiſch wie nur
irgend etwas iſt der Satz S. 94: „jener Nothwendigkeit aber,
welche nicht mit der Freiheit im Kampfe liegt, jener göttlichen,
überſinnlichen, unbewegten, heiligen, die Schickſal heißt, ſich zu
unterwerfen, iſt die Lehre jeder ächten Philoſophie und die ein-
zige Weisheit.“ Ganz ähnlich heißt es in einem Würzburger
Manuſcript:
Dieß beruhigt uns, dieß erhebt uns auf immer über alle leere Sehn-
ſucht, Furcht und Hoffnung, zu wiſſen, daß nicht wir handeln, ſondern
daß eine göttliche Nothwendigkeit in uns handelt, von der wir zum Ziel
getragen werden, und mit der nichts im Widerſtreit ſtehen kann, was
aus abſoluter Freiheit folgt.

Wenn endlich S. 87 Rückert vorgeworfen wird, er nehme
den Idealismus auf den ganz gemeinen Standpunkt herunter, „wo
jeder Taglöhner und Markthelfer auch ſteht“, ſo erinnert dieß an
die Worte eines Briefs an Fichte 1: „Kann ich dafür, wenn man
mir keinen andern Begriff der Natur zuſchreibt, als den jeder Che-
miker und Apotheker auch hat.“ Man ſehe auch das Citat S. 88.

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/18>, abgerufen am 28.03.2024.