Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage VII.
Vater eines Mannes, welcher eine die Trauer verletzende
Frau heurathet (b).

Die Gründe für meine Meynung sind folgende:

1) Die entgegengesetzte ist nur möglich unter Voraus-
setzung der Worte earum quam (weil diese zu dem vor-
hergehenden sowohl als zu dem nachfolgenden construirt
werden können), die aber, wie ich bereits gezeigt habe,
nicht dem Prätor, sondern dem Epitomator angehören.
Nach den ächten Worten der Digesten ist diese Erklärung
völlig unmöglich, weil nun die Worte nur allein als auf
das Vorhergehende zurückweisend verstanden werden können.


(b) Diese Meynung findet sich
bey Wenck praef. ad Hauboldi
opuscula Vol. I. p. XXXII.
XXXIII.
Er kommt darauf ganz
consequent, indem er von der
Voraussetzung ausgeht, das Edict
so wie wir es kennen (in den Va-
ticanen sowohl als in den Dige-
sten) zähle überall nur Männer
als Infame auf, keine Frauen,
da es ja überhaupt nur an die
Unfähigkeit der Infamen zum Po-
stuliren denke. Auf eine Erklä-
rung der großen Verschiedenheit
unter den beiden Texten läßt er
sich gar nicht ein. -- Eigentlich
läßt sich nun diese Meynung noch
in zwey Gestalten denken, je nach-
dem man die Infamie des Schwie-
gervaters als Folge ansieht 1) ent-
weder von der während der Trau-
erzeit geschlossenen Ehe, 2) oder
von einem Trauerbruch, dessen sich
einmal die Frau in irgend einer
früheren Zeit, durch welche Hand-
lung es auch sey, schuldig gemacht
hat. Die letzte Deutung schließt
sich mehr an die Worte an (quae
... non eluxerit
). Man muß es
dann so verstehen: durch den
Trauerbruch sey die Frau für
ihr ganzes Leben infam gewor-
den, und wenn sie nachmals heu-
rathete, so sey auch der Mann
oder dessen Vater in Infamie ver-
fallen. Dieses ist wirklich die Mey-
nung von Wenck p. XXXIII, aber
eine solche ansteckende Kraft der
Infamie ist nun vollends ganz
unerhört, ohne irgend eine Ana-
logie, ja im Widerspruch mit ganz
sicheren Zeugnissen. Denn wenn
z. B. ein Senator durch die Ehe
mit einer Schauspielerin infam
geworden (also aus dem Senat
getreten) wäre, warum hätte man
denn ganz unnützerweise diese Ehe
auch noch für nichtig erklärt (L. 42
§ 1 de ritu nupt.
23. 2.)?

Beylage VII.
Vater eines Mannes, welcher eine die Trauer verletzende
Frau heurathet (b).

Die Gründe für meine Meynung ſind folgende:

1) Die entgegengeſetzte iſt nur moͤglich unter Voraus-
ſetzung der Worte earum quam (weil dieſe zu dem vor-
hergehenden ſowohl als zu dem nachfolgenden conſtruirt
werden können), die aber, wie ich bereits gezeigt habe,
nicht dem Prätor, ſondern dem Epitomator angehören.
Nach den ächten Worten der Digeſten iſt dieſe Erklärung
völlig unmöglich, weil nun die Worte nur allein als auf
das Vorhergehende zurückweiſend verſtanden werden koͤnnen.


(b) Dieſe Meynung findet ſich
bey Wenck praef. ad Hauboldi
opuscula Vol. I. p. XXXII.
XXXIII.
Er kommt darauf ganz
conſequent, indem er von der
Vorausſetzung ausgeht, das Edict
ſo wie wir es kennen (in den Va-
ticanen ſowohl als in den Dige-
ſten) zähle überall nur Männer
als Infame auf, keine Frauen,
da es ja überhaupt nur an die
Unfähigkeit der Infamen zum Po-
ſtuliren denke. Auf eine Erklä-
rung der großen Verſchiedenheit
unter den beiden Texten läßt er
ſich gar nicht ein. — Eigentlich
läßt ſich nun dieſe Meynung noch
in zwey Geſtalten denken, je nach-
dem man die Infamie des Schwie-
gervaters als Folge anſieht 1) ent-
weder von der während der Trau-
erzeit geſchloſſenen Ehe, 2) oder
von einem Trauerbruch, deſſen ſich
einmal die Frau in irgend einer
früheren Zeit, durch welche Hand-
lung es auch ſey, ſchuldig gemacht
hat. Die letzte Deutung ſchließt
ſich mehr an die Worte an (quae
… non eluxerit
). Man muß es
dann ſo verſtehen: durch den
Trauerbruch ſey die Frau für
ihr ganzes Leben infam gewor-
den, und wenn ſie nachmals heu-
rathete, ſo ſey auch der Mann
oder deſſen Vater in Infamie ver-
fallen. Dieſes iſt wirklich die Mey-
nung von Wenck p. XXXIII, aber
eine ſolche anſteckende Kraft der
Infamie iſt nun vollends ganz
unerhört, ohne irgend eine Ana-
logie, ja im Widerſpruch mit ganz
ſicheren Zeugniſſen. Denn wenn
z. B. ein Senator durch die Ehe
mit einer Schauſpielerin infam
geworden (alſo aus dem Senat
getreten) wäre, warum hätte man
denn ganz unnützerweiſe dieſe Ehe
auch noch für nichtig erklärt (L. 42
§ 1 de ritu nupt.
23. 2.)?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0556" n="542"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VII.</hi></fw><lb/>
Vater eines Mannes, welcher eine die Trauer verletzende<lb/>
Frau heurathet <note place="foot" n="(b)">Die&#x017F;e Meynung findet &#x017F;ich<lb/>
bey <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Wenck</hi> praef. ad Hauboldi<lb/>
opuscula Vol. I. p. XXXII.<lb/>
XXXIII.</hi> Er kommt darauf ganz<lb/>
con&#x017F;equent, indem er von der<lb/>
Voraus&#x017F;etzung ausgeht, das Edict<lb/>
&#x017F;o wie wir es kennen (in den Va-<lb/>
ticanen &#x017F;owohl als in den Dige-<lb/>
&#x017F;ten) zähle überall nur Männer<lb/>
als Infame auf, keine Frauen,<lb/>
da es ja überhaupt nur an die<lb/>
Unfähigkeit der Infamen zum Po-<lb/>
&#x017F;tuliren denke. Auf eine Erklä-<lb/>
rung der großen Ver&#x017F;chiedenheit<lb/>
unter den beiden Texten läßt er<lb/>
&#x017F;ich gar nicht ein. &#x2014; Eigentlich<lb/>
läßt &#x017F;ich nun die&#x017F;e Meynung noch<lb/>
in zwey Ge&#x017F;talten denken, je nach-<lb/>
dem man die Infamie des Schwie-<lb/>
gervaters als Folge an&#x017F;ieht 1) ent-<lb/>
weder von der während der Trau-<lb/>
erzeit ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Ehe, 2) oder<lb/>
von einem Trauerbruch, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
einmal die Frau in irgend einer<lb/>
früheren Zeit, durch welche Hand-<lb/>
lung es auch &#x017F;ey, &#x017F;chuldig gemacht<lb/>
hat. Die letzte Deutung &#x017F;chließt<lb/>
&#x017F;ich mehr an die Worte an (<hi rendition="#aq">quae<lb/>
&#x2026; non eluxerit</hi>). Man muß es<lb/>
dann &#x017F;o ver&#x017F;tehen: durch den<lb/>
Trauerbruch &#x017F;ey die Frau für<lb/>
ihr ganzes Leben infam gewor-<lb/>
den, und wenn &#x017F;ie nachmals heu-<lb/>
rathete, &#x017F;o &#x017F;ey auch der Mann<lb/>
oder de&#x017F;&#x017F;en Vater in Infamie ver-<lb/>
fallen. Die&#x017F;es i&#x017F;t wirklich die Mey-<lb/>
nung von <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Wenck</hi> p. XXXIII,</hi> aber<lb/>
eine &#x017F;olche an&#x017F;teckende Kraft der<lb/>
Infamie i&#x017F;t nun vollends ganz<lb/>
unerhört, ohne irgend eine Ana-<lb/>
logie, ja im Wider&#x017F;pruch mit ganz<lb/>
&#x017F;icheren Zeugni&#x017F;&#x017F;en. Denn wenn<lb/>
z. B. ein Senator durch die Ehe<lb/>
mit einer Schau&#x017F;pielerin infam<lb/>
geworden (al&#x017F;o aus dem Senat<lb/>
getreten) wäre, warum hätte man<lb/>
denn ganz unnützerwei&#x017F;e die&#x017F;e Ehe<lb/>
auch noch für nichtig erklärt (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 42<lb/>
§ 1 <hi rendition="#i">de ritu nupt.</hi></hi> 23. 2.)?</note>.</p><lb/>
            <p>Die Gründe für meine Meynung &#x017F;ind folgende:</p><lb/>
            <p>1) Die entgegenge&#x017F;etzte i&#x017F;t nur mo&#x0364;glich unter Voraus-<lb/>
&#x017F;etzung der Worte <hi rendition="#aq">earum quam</hi> (weil die&#x017F;e zu dem vor-<lb/>
hergehenden &#x017F;owohl als zu dem nachfolgenden con&#x017F;truirt<lb/>
werden können), die aber, wie ich bereits gezeigt habe,<lb/>
nicht dem Prätor, &#x017F;ondern dem Epitomator angehören.<lb/>
Nach den ächten Worten der Dige&#x017F;ten i&#x017F;t die&#x017F;e Erklärung<lb/>
völlig unmöglich, weil nun die Worte nur allein als auf<lb/>
das Vorhergehende zurückwei&#x017F;end ver&#x017F;tanden werden ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[542/0556] Beylage VII. Vater eines Mannes, welcher eine die Trauer verletzende Frau heurathet (b). Die Gründe für meine Meynung ſind folgende: 1) Die entgegengeſetzte iſt nur moͤglich unter Voraus- ſetzung der Worte earum quam (weil dieſe zu dem vor- hergehenden ſowohl als zu dem nachfolgenden conſtruirt werden können), die aber, wie ich bereits gezeigt habe, nicht dem Prätor, ſondern dem Epitomator angehören. Nach den ächten Worten der Digeſten iſt dieſe Erklärung völlig unmöglich, weil nun die Worte nur allein als auf das Vorhergehende zurückweiſend verſtanden werden koͤnnen. (b) Dieſe Meynung findet ſich bey Wenck praef. ad Hauboldi opuscula Vol. I. p. XXXII. XXXIII. Er kommt darauf ganz conſequent, indem er von der Vorausſetzung ausgeht, das Edict ſo wie wir es kennen (in den Va- ticanen ſowohl als in den Dige- ſten) zähle überall nur Männer als Infame auf, keine Frauen, da es ja überhaupt nur an die Unfähigkeit der Infamen zum Po- ſtuliren denke. Auf eine Erklä- rung der großen Verſchiedenheit unter den beiden Texten läßt er ſich gar nicht ein. — Eigentlich läßt ſich nun dieſe Meynung noch in zwey Geſtalten denken, je nach- dem man die Infamie des Schwie- gervaters als Folge anſieht 1) ent- weder von der während der Trau- erzeit geſchloſſenen Ehe, 2) oder von einem Trauerbruch, deſſen ſich einmal die Frau in irgend einer früheren Zeit, durch welche Hand- lung es auch ſey, ſchuldig gemacht hat. Die letzte Deutung ſchließt ſich mehr an die Worte an (quae … non eluxerit). Man muß es dann ſo verſtehen: durch den Trauerbruch ſey die Frau für ihr ganzes Leben infam gewor- den, und wenn ſie nachmals heu- rathete, ſo ſey auch der Mann oder deſſen Vater in Infamie ver- fallen. Dieſes iſt wirklich die Mey- nung von Wenck p. XXXIII, aber eine ſolche anſteckende Kraft der Infamie iſt nun vollends ganz unerhört, ohne irgend eine Ana- logie, ja im Widerſpruch mit ganz ſicheren Zeugniſſen. Denn wenn z. B. ein Senator durch die Ehe mit einer Schauſpielerin infam geworden (alſo aus dem Senat getreten) wäre, warum hätte man denn ganz unnützerweiſe dieſe Ehe auch noch für nichtig erklärt (L. 42 § 1 de ritu nupt. 23. 2.)?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/556
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/556>, abgerufen am 23.11.2024.