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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Liebe der Feind.
wollen anzeigen/ wie grosses und gutes Werck es seye/ daß man sei-
ne Feinde mit lieblichen Augen anschaue. Es muß aber diese Lieblichkeit
im Hertzen ihren Ursprung haben/ sonsten ist alles umbsonst; und ist sotha-
ne Freundlichkeit nur ein Hoff-Streich. Zu Erlangung aber solcher
auffrichtigen Liebe/ ist ein bewehrtes Mittel/ daß man sich versichere/ kei-
ner vermöge mit Unrecht gegen uns zu verfahren/ es seye dann daß dieses
dem lieben GOtt also gefällig ist. Derhalben müssen wir nicht eyfferen
über den Ubelthäter; sondern GOTT für diesen Werck-Meister ansehen;
zumahlen keiner so närrisch leichtlich gefunden wird/ der von seinem Näch-
sten sich zu rechnen suchet. Warumb wollen wir dann unsere Belaidiger
straffen/ dann doch nicht sie/ sondern vielmehr GOtt diese Ubelen uns zufü-
get. Dann GOtt ist/ nach Zeugnuß deß heiligen Hieronymi/ der
Schmied/ unsere Feind seynd der Hammer und die Feile/ mit denen er die
seinige sauberet/ außarbeitet und endlich heilig mache. Gleich wie nun
das Eysen die wiederholte Schläge nicht bekommet von dem Hammer/ als
von einer ersten und fürnemblichsten/ sondern zweyten/ und nur allein ge-
zwungenen werckzeuglichen Ursach; sondern viel mehr von dem Schlagen-
den Schmied: also plagen uns durch ihre Verfolgung nicht so sehr die
Gottlosen/ als eben GOtt selbst/ der diese nur allein zum Jnstrument ge-
brauchet/ umb uns zu versuchen. Darumb sagt Christus zum Pilato:
du hättest keine Gewalt über mich/ wann dir selbige von oben herab nicht
wäre gegeben worden; und lehret recht der heilige Augustinus/ daß auß
gerechtem Urtheil GOttes den Bösen zugelassen werde/ die Außerwählte
nach ihrem Willen herzunehmen; damit sie nemblich durch selbige gesau-
bert und außgearbeitet/ und also deß immerwährenden Himmel-Reichs
mögen fähig werden.

10. Zum andern ist ausser allem Zweiffel zu stellen/ daß/ ob schon
das Gifft in sich schädlich ist; nichts destoweniger heylet es die Kranck-
heiten. Also unsere Feinde/ ob schon selbige in sich böß seynd/ und
den Menschen überlästig; so geben sie gleichwohl umb grossen und viel-
fältigen Nutzen zu geniessen erhebliche Ursach. Solches hat er-
fahren der Prometheus Tessalus, wie Plutarchus erzehlet/ wel-L. deutil.
c. Ex in-
im.

chem/ als der König Lasydes entleiben wollen/ hat er ungefehr deß
Promethei Geschwöhr getroffen und eröffnet/ und also durch Eröff-

nung

Von der Liebe der Feind.
wollen anzeigen/ wie groſſes und gutes Werck es ſeye/ daß man ſei-
ne Feinde mit lieblichen Augen anſchaue. Es muß aber dieſe Lieblichkeit
im Hertzen ihren Urſprung haben/ ſonſten iſt alles umbſonſt; und iſt ſotha-
ne Freundlichkeit nur ein Hoff-Streich. Zu Erlangung aber ſolcher
auffrichtigen Liebe/ iſt ein bewehrtes Mittel/ daß man ſich verſichere/ kei-
ner vermoͤge mit Unrecht gegen uns zu verfahren/ es ſeye dann daß dieſes
dem lieben GOtt alſo gefaͤllig iſt. Derhalben muͤſſen wir nicht eyfferen
uͤber den Ubelthaͤter; ſondern GOTT fuͤr dieſen Werck-Meiſter anſehen;
zumahlen keiner ſo naͤrriſch leichtlich gefunden wird/ der von ſeinem Naͤch-
ſten ſich zu rechnen ſuchet. Warumb wollen wir dann unſere Belaidiger
ſtraffen/ dann doch nicht ſie/ ſondern vielmehr GOtt dieſe Ubelen uns zufuͤ-
get. Dann GOtt iſt/ nach Zeugnuß deß heiligen Hieronymi/ der
Schmied/ unſere Feind ſeynd der Hammer und die Feile/ mit denen er die
ſeinige ſauberet/ außarbeitet und endlich heilig mache. Gleich wie nun
das Eyſen die wiederholte Schlaͤge nicht bekommet von dem Hammer/ als
von einer erſten und fuͤrnemblichſten/ ſondern zweyten/ und nur allein ge-
zwungenen werckzeuglichen Urſach; ſondern viel mehr von dem Schlagen-
den Schmied: alſo plagen uns durch ihre Verfolgung nicht ſo ſehr die
Gottloſen/ als eben GOtt ſelbſt/ der dieſe nur allein zum Jnſtrument ge-
brauchet/ umb uns zu verſuchen. Darumb ſagt Chriſtus zum Pilato:
du haͤtteſt keine Gewalt uͤber mich/ wann dir ſelbige von oben herab nicht
waͤre gegeben worden; und lehret recht der heilige Auguſtinus/ daß auß
gerechtem Urtheil GOttes den Boͤſen zugelaſſen werde/ die Außerwaͤhlte
nach ihrem Willen herzunehmen; damit ſie nemblich durch ſelbige geſau-
bert und außgearbeitet/ und alſo deß immerwaͤhrenden Himmel-Reichs
moͤgen faͤhig werden.

10. Zum andern iſt auſſer allem Zweiffel zu ſtellen/ daß/ ob ſchon
das Gifft in ſich ſchaͤdlich iſt; nichts deſtoweniger heylet es die Kranck-
heiten. Alſo unſere Feinde/ ob ſchon ſelbige in ſich boͤß ſeynd/ und
den Menſchen uͤberlaͤſtig; ſo geben ſie gleichwohl umb groſſen und viel-
faͤltigen Nutzen zu genieſſen erhebliche Urſach. Solches hat er-
fahren der Prometheus Teſſalus, wie Plutarchus erzehlet/ wel-L. deutil.
c. Ex in-
im.

chem/ als der Koͤnig Laſydes entleiben wollen/ hat er ungefehr deß
Promethei Geſchwoͤhr getroffen und eroͤffnet/ und alſo durch Eroͤff-

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[71/0099] Von der Liebe der Feind. wollen anzeigen/ wie groſſes und gutes Werck es ſeye/ daß man ſei- ne Feinde mit lieblichen Augen anſchaue. Es muß aber dieſe Lieblichkeit im Hertzen ihren Urſprung haben/ ſonſten iſt alles umbſonſt; und iſt ſotha- ne Freundlichkeit nur ein Hoff-Streich. Zu Erlangung aber ſolcher auffrichtigen Liebe/ iſt ein bewehrtes Mittel/ daß man ſich verſichere/ kei- ner vermoͤge mit Unrecht gegen uns zu verfahren/ es ſeye dann daß dieſes dem lieben GOtt alſo gefaͤllig iſt. Derhalben muͤſſen wir nicht eyfferen uͤber den Ubelthaͤter; ſondern GOTT fuͤr dieſen Werck-Meiſter anſehen; zumahlen keiner ſo naͤrriſch leichtlich gefunden wird/ der von ſeinem Naͤch- ſten ſich zu rechnen ſuchet. Warumb wollen wir dann unſere Belaidiger ſtraffen/ dann doch nicht ſie/ ſondern vielmehr GOtt dieſe Ubelen uns zufuͤ- get. Dann GOtt iſt/ nach Zeugnuß deß heiligen Hieronymi/ der Schmied/ unſere Feind ſeynd der Hammer und die Feile/ mit denen er die ſeinige ſauberet/ außarbeitet und endlich heilig mache. Gleich wie nun das Eyſen die wiederholte Schlaͤge nicht bekommet von dem Hammer/ als von einer erſten und fuͤrnemblichſten/ ſondern zweyten/ und nur allein ge- zwungenen werckzeuglichen Urſach; ſondern viel mehr von dem Schlagen- den Schmied: alſo plagen uns durch ihre Verfolgung nicht ſo ſehr die Gottloſen/ als eben GOtt ſelbſt/ der dieſe nur allein zum Jnſtrument ge- brauchet/ umb uns zu verſuchen. Darumb ſagt Chriſtus zum Pilato: du haͤtteſt keine Gewalt uͤber mich/ wann dir ſelbige von oben herab nicht waͤre gegeben worden; und lehret recht der heilige Auguſtinus/ daß auß gerechtem Urtheil GOttes den Boͤſen zugelaſſen werde/ die Außerwaͤhlte nach ihrem Willen herzunehmen; damit ſie nemblich durch ſelbige geſau- bert und außgearbeitet/ und alſo deß immerwaͤhrenden Himmel-Reichs moͤgen faͤhig werden. 10. Zum andern iſt auſſer allem Zweiffel zu ſtellen/ daß/ ob ſchon das Gifft in ſich ſchaͤdlich iſt; nichts deſtoweniger heylet es die Kranck- heiten. Alſo unſere Feinde/ ob ſchon ſelbige in ſich boͤß ſeynd/ und den Menſchen uͤberlaͤſtig; ſo geben ſie gleichwohl umb groſſen und viel- faͤltigen Nutzen zu genieſſen erhebliche Urſach. Solches hat er- fahren der Prometheus Teſſalus, wie Plutarchus erzehlet/ wel- chem/ als der Koͤnig Laſydes entleiben wollen/ hat er ungefehr deß Promethei Geſchwoͤhr getroffen und eroͤffnet/ und alſo durch Eroͤff- nung L. deutil. c. Ex in- im.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/99>, abgerufen am 25.04.2024.