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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Siebente Geistliche Lection

8. Dieses Spiel hat sonderlich wohl verstanden der H. Bernardus/ so
dieser Belohnung halber/ alles ihme zugefügtes Unrecht mit höchster
Sanfftmuth übertragen: unter welches dieses sonderbahr denckwürdig ist.
In vita e-
jus.
Es kombt einsmals ein Closter-Geistlicher/ der schon in unterschiedlichen
Clöstern Profession gethan hatte/ bittet den heiligen Mann/ er mögte ihn
zu seinem Orden auffnehmen. Nachdem er aber von ihme eine abschlägi-
ge Antwort bekommen/ ergrimmet der obgemeldte Geistliche/ und gibt
dem frommen Bernardo eine so wohl gemessene Maule Tasch/ daß ih-
me der obere Theil deß Backens gantz schwartz und blau gezeichnet/ alsbald
geschwollen. Diesen Ehr-losen Priester-Schänder hat er nicht allein
meisterlich verthätiget/ damit er dieserthalben nichts leyden dörffte; sondern
auch allen Fleiß angewendet/ daß er von andern ehrlich und höfflich gehalten
würde; also/ daß man hätte vermeinen sollen/ er habe an Platz der dichten
Ohrfeigen grosse Wolthaten von selbigem empfangen. Nicht aber allein
diesen/ sondern viele andere unverdiente Feinde hat dieser heilige Abt erdül-
ten müssen; für welche er den lieben GOtt sehr eyfferig gebetten/ und sie mit
seinen demüthigen und eingezogenen Sitten zu versöhnen getrachtet. Nun
setzen wir einen Sprung zurück zu unserm vorgehabten Streit. Wer den
Goliath übermeistern wird/ dessen Hauß oder Geschlecht wird der König
Schatz und Steurfrey machen. Das ist/ indem er für seine Sünden in
den purgirenden Flammen den schuldigen Tribut zu zahlen verpflichtet; so
wird er darvon befreyet werden/ nemblich von der Straff deß Fegfeurs; wel-
chem man durch diese am besten entkommen kan; wie ein sicher Geistlicher
mit seinem grossen Nutzen erfahren hat; dieser obwohlen ziemblich lau in sei-
nem Beruff/ dannoch zum verzeyhen seinen Feinden sehr geneigt/ hat ohne
einige Verhinderung die himmlische Erbschafft angetretten. Also sage
ich/ wann ein jede Allmuß den Menschen von den Sünden waschet/ und
in die Finsternuß zu gehen nicht zulasset; wie der fromme Tobias gesagt
hat; wie viel mehr wird diese kräfftige Wirckung an sich haben die aller-
vollkommenste Allmuß/ Krafft deren den Feinden die Christliche Verzeyhung
widerfahret.

9. Wann ich den Didacum Nyssenum frage/ warumb GOTT die
kupfferne Schlang in der Wüsten habe lassen auffrichten/ auß deren An-
schauung/ die von den Schlangen gebissene Menschen geheilet würden;
so gibt er zur Antwort: dieses seye darumb geschehen/ daß GOTT hat

wollen
Die Siebente Geiſtliche Lection

8. Dieſes Spiel hat ſonderlich wohl verſtanden der H. Bernardus/ ſo
dieſer Belohnung halber/ alles ihme zugefuͤgtes Unrecht mit hoͤchſter
Sanfftmuth uͤbertragen: unter welches dieſes ſonderbahr denckwuͤrdig iſt.
In vita e-
jus.
Es kombt einsmals ein Cloſter-Geiſtlicher/ der ſchon in unterſchiedlichen
Cloͤſtern Profeſſion gethan hatte/ bittet den heiligen Mann/ er moͤgte ihn
zu ſeinem Orden auffnehmen. Nachdem er aber von ihme eine abſchlaͤgi-
ge Antwort bekommen/ ergrimmet der obgemeldte Geiſtliche/ und gibt
dem frommen Bernardo eine ſo wohl gemeſſene Maule Taſch/ daß ih-
me der obere Theil deß Backens gantz ſchwartz und blau gezeichnet/ alsbald
geſchwollen. Dieſen Ehr-loſen Prieſter-Schaͤnder hat er nicht allein
meiſterlich verthaͤtiget/ damit er dieſerthalben nichts leyden doͤrffte; ſondern
auch allen Fleiß angewendet/ daß er von andern ehrlich und hoͤfflich gehalten
wuͤrde; alſo/ daß man haͤtte vermeinen ſollen/ er habe an Platz der dichten
Ohrfeigen groſſe Wolthaten von ſelbigem empfangen. Nicht aber allein
dieſen/ ſondern viele andere unverdiente Feinde hat dieſer heilige Abt erduͤl-
ten muͤſſen; fuͤr welche er den lieben GOtt ſehr eyfferig gebetten/ und ſie mit
ſeinen demuͤthigen und eingezogenen Sitten zu verſoͤhnen getrachtet. Nun
ſetzen wir einen Sprung zuruͤck zu unſerm vorgehabten Streit. Wer den
Goliath uͤbermeiſtern wird/ deſſen Hauß oder Geſchlecht wird der Koͤnig
Schatz und Steurfrey machen. Das iſt/ indem er fuͤr ſeine Suͤnden in
den purgirenden Flammen den ſchuldigen Tribut zu zahlen verpflichtet; ſo
wird er darvon befreyet werden/ nemblich von der Straff deß Fegfeurs; wel-
chem man durch dieſe am beſten entkommen kan; wie ein ſicher Geiſtlicher
mit ſeinem groſſen Nutzen erfahren hat; dieſer obwohlen ziemblich lau in ſei-
nem Beruff/ dannoch zum verzeyhen ſeinen Feinden ſehr geneigt/ hat ohne
einige Verhinderung die himmliſche Erbſchafft angetretten. Alſo ſage
ich/ wann ein jede Allmuß den Menſchen von den Suͤnden waſchet/ und
in die Finſternuß zu gehen nicht zulaſſet; wie der fromme Tobias geſagt
hat; wie viel mehr wird dieſe kraͤfftige Wirckung an ſich haben die aller-
vollkommenſte Allmuß/ Krafft deren den Feinden die Chriſtliche Verzeyhung
widerfahret.

9. Wann ich den Didacum Nyſſenum frage/ warumb GOTT die
kupfferne Schlang in der Wuͤſten habe laſſen auffrichten/ auß deren An-
ſchauung/ die von den Schlangen gebiſſene Menſchen geheilet wuͤrden;
ſo gibt er zur Antwort: dieſes ſeye darumb geſchehen/ daß GOTT hat

wollen
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[70/0098] Die Siebente Geiſtliche Lection 8. Dieſes Spiel hat ſonderlich wohl verſtanden der H. Bernardus/ ſo dieſer Belohnung halber/ alles ihme zugefuͤgtes Unrecht mit hoͤchſter Sanfftmuth uͤbertragen: unter welches dieſes ſonderbahr denckwuͤrdig iſt. Es kombt einsmals ein Cloſter-Geiſtlicher/ der ſchon in unterſchiedlichen Cloͤſtern Profeſſion gethan hatte/ bittet den heiligen Mann/ er moͤgte ihn zu ſeinem Orden auffnehmen. Nachdem er aber von ihme eine abſchlaͤgi- ge Antwort bekommen/ ergrimmet der obgemeldte Geiſtliche/ und gibt dem frommen Bernardo eine ſo wohl gemeſſene Maule Taſch/ daß ih- me der obere Theil deß Backens gantz ſchwartz und blau gezeichnet/ alsbald geſchwollen. Dieſen Ehr-loſen Prieſter-Schaͤnder hat er nicht allein meiſterlich verthaͤtiget/ damit er dieſerthalben nichts leyden doͤrffte; ſondern auch allen Fleiß angewendet/ daß er von andern ehrlich und hoͤfflich gehalten wuͤrde; alſo/ daß man haͤtte vermeinen ſollen/ er habe an Platz der dichten Ohrfeigen groſſe Wolthaten von ſelbigem empfangen. Nicht aber allein dieſen/ ſondern viele andere unverdiente Feinde hat dieſer heilige Abt erduͤl- ten muͤſſen; fuͤr welche er den lieben GOtt ſehr eyfferig gebetten/ und ſie mit ſeinen demuͤthigen und eingezogenen Sitten zu verſoͤhnen getrachtet. Nun ſetzen wir einen Sprung zuruͤck zu unſerm vorgehabten Streit. Wer den Goliath uͤbermeiſtern wird/ deſſen Hauß oder Geſchlecht wird der Koͤnig Schatz und Steurfrey machen. Das iſt/ indem er fuͤr ſeine Suͤnden in den purgirenden Flammen den ſchuldigen Tribut zu zahlen verpflichtet; ſo wird er darvon befreyet werden/ nemblich von der Straff deß Fegfeurs; wel- chem man durch dieſe am beſten entkommen kan; wie ein ſicher Geiſtlicher mit ſeinem groſſen Nutzen erfahren hat; dieſer obwohlen ziemblich lau in ſei- nem Beruff/ dannoch zum verzeyhen ſeinen Feinden ſehr geneigt/ hat ohne einige Verhinderung die himmliſche Erbſchafft angetretten. Alſo ſage ich/ wann ein jede Allmuß den Menſchen von den Suͤnden waſchet/ und in die Finſternuß zu gehen nicht zulaſſet; wie der fromme Tobias geſagt hat; wie viel mehr wird dieſe kraͤfftige Wirckung an ſich haben die aller- vollkommenſte Allmuß/ Krafft deren den Feinden die Chriſtliche Verzeyhung widerfahret. In vita e- jus. 9. Wann ich den Didacum Nyſſenum frage/ warumb GOTT die kupfferne Schlang in der Wuͤſten habe laſſen auffrichten/ auß deren An- ſchauung/ die von den Schlangen gebiſſene Menſchen geheilet wuͤrden; ſo gibt er zur Antwort: dieſes ſeye darumb geſchehen/ daß GOTT hat wollen

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/98>, abgerufen am 25.04.2024.