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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Eilffte Geistliche Lection
er von derselben mit so grossen himmlischen Gaben bereichet worden? dar-
auff er also geantwortet: ehr würdiger Vatter/ mich hat von meiner Jugend
her der allgemeine Feind deß menschlichen Geschlechts sehr verfolget: und
da selbiger mit so hefftigen Versuehungen mich einsmahls bestritten/ daß
ich kaum widerstehen können/ ist die glorwürdigste Himmels Königin mir zu
Hülff kommen/ und hat alle diese teufflische Listen und Anfechtungen mit
unaußsprechlichem Trost meiner selbst in einem Augenblick zerstreuet/ und
mich ermahnet/ daß ich den angefangenen Weeg der Tugenden standhäfftig
und unverdrossen immersort wanderen solte: damit du aber/ sagt sie/ dieses
desto leichter verrichten mögest/ so will ich dir drey Dinge auß dem verbor-
genen Schatz meines Sohns anbefehlen; Krafft deren du Gott sonderbahr
gefallen/ und über deine Feind allezeit obsiegen wirst: derhalben sage ich dir/
daß du in diesen dreyen Stücken dich demüthig erzeigest: als nemblich in der
gewöhnlichen Leibs-Nahrung/ in der Kleidung/ und in den Aembtern: in der
Leibs-Nahrung/ als Essen und Trincken erwähle für dich das schlimmeste
jederzeit: in der Kleidung suche die verwürfflichste und am meisten verschlis-
sene Kleider: und unter den Aembtern befleisse dich/ daß du immer das ver-
ächtlichste zu vertretten habest/ und schätze dich glückseelich/ wann dir das je-
nige wird auffgetragen/ von dem andere einen Grewl haben: Nach dieser
mir gegebenen Lehr/ ist die Mutter deß Herrn auß meinen Augen ver-
schwunden/ ich hab aber diese Wort in mein Hertz eingegraben/ und mich be-
mühet/ selbige nicht ohne grosses Vortheil meiner Seelen im Werck selbsten
zu erweisen. Hast du nun gehört mein Christliche Seel/ wie die Ubungen
der Demuth so grossen Nutzen schaffen? Soll dir nicht ein solche Verspre-
chung auch gefallen/ deren du dich doch so leichtlich fähig machen kanst? lasse
dirs gesagt seyn/ daß diese Tugend deiner Seelen nicht allein zum ewigen
Leben am nützligsten seye; sondern auch/ daß ohne selbige niemand könne see-
lig werden/ wie du auß dem Mund der Warheit selbsten/ durch den Evan-
gelisten Matthaeum zu vernehmen hast/ der mit diesen außtrücklichen Wor-
ten also spricht: Warlich sag ich euch/ es seye dann/ daß ihr
C 18. v. 3.werdet wie die kleine (das ist die Demuthige) so wer-
det ihr nicht eingehen ins Reich der Himmelen.

Wilst du zum Himmel eingehen/ so seye demütig.



Die

Die Eilffte Geiſtliche Lection
er von derſelben mit ſo groſſen himmliſchen Gaben bereichet worden? dar-
auff er alſo geantwortet: ehr wuͤrdiger Vatter/ mich hat von meiner Jugend
her der allgemeine Feind deß menſchlichen Geſchlechts ſehr verfolget: und
da ſelbiger mit ſo hefftigen Verſuehungen mich einsmahls beſtritten/ daß
ich kaum widerſtehen koͤnnen/ iſt die glorwuͤrdigſte Himmels Koͤnigin mir zu
Huͤlff kommen/ und hat alle dieſe teuffliſche Liſten und Anfechtungen mit
unaußſprechlichem Troſt meiner ſelbſt in einem Augenblick zerſtreuet/ und
mich ermahnet/ daß ich den angefangenen Weeg der Tugenden ſtandhaͤfftig
und unverdroſſen immerſort wanderen ſolte: damit du aber/ ſagt ſie/ dieſes
deſto leichter verrichten moͤgeſt/ ſo will ich dir drey Dinge auß dem verbor-
genen Schatz meines Sohns anbefehlen; Krafft deren du Gott ſonderbahr
gefallen/ und uͤber deine Feind allezeit obſiegen wirſt: derhalben ſage ich dir/
daß du in dieſen dreyen Stuͤcken dich demuͤthig erzeigeſt: als nemblich in der
gewoͤhnlichen Leibs-Nahrung/ in der Kleidung/ und in den Aembtern: in der
Leibs-Nahrung/ als Eſſen und Trincken erwaͤhle fuͤr dich das ſchlimmeſte
jederzeit: in der Kleidung ſuche die verwuͤrfflichſte und am meiſten verſchliſ-
ſene Kleider: und unter den Aembtern befleiſſe dich/ daß du immer das ver-
aͤchtlichſte zu vertretten habeſt/ und ſchaͤtze dich gluͤckſeelich/ wann dir das je-
nige wird auffgetragen/ von dem andere einen Grewl haben: Nach dieſer
mir gegebenen Lehr/ iſt die Mutter deß Herrn auß meinen Augen ver-
ſchwunden/ ich hab aber dieſe Wort in mein Hertz eingegraben/ und mich be-
muͤhet/ ſelbige nicht ohne groſſes Vortheil meiner Seelen im Werck ſelbſten
zu erweiſen. Haſt du nun gehoͤrt mein Chriſtliche Seel/ wie die Ubungen
der Demuth ſo groſſen Nutzen ſchaffen? Soll dir nicht ein ſolche Verſpre-
chung auch gefallen/ deren du dich doch ſo leichtlich faͤhig machen kanſt? laſſe
dirs geſagt ſeyn/ daß dieſe Tugend deiner Seelen nicht allein zum ewigen
Leben am nuͤtzligſten ſeye; ſondern auch/ daß ohne ſelbige niemand koͤnne ſee-
lig werden/ wie du auß dem Mund der Warheit ſelbſten/ durch den Evan-
geliſten Matthæum zu vernehmen haſt/ der mit dieſen außtruͤcklichen Wor-
ten alſo ſpricht: Warlich ſag ich euch/ es ſeye dann/ daß ihr
C 18. v. 3.werdet wie die kleine (das iſt die Demůthige) ſo wer-
det ihr nicht eingehen ins Reich der Himmelen.

Wilſt du zum Himmel eingehen/ ſo ſeye demuͤtig.



Die
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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/158>, abgerufen am 23.04.2024.