aus seinem vergangenen Leben nichts zu seinem Troste zu erinnern zu haben! - - Was wollte ich für ein Jahr, nur ein einziges Jahr, von mei- nem verstrichnen Leben geben - - wenn ich dar- inn nur die Dinge eben so ansehen möchte, als ich sie itzo ansehe?
Jch versuchte ihn so gut zu trösten, als ich konnte. Allein bey dem Todbette sind freye und lustige Brüder leidige Tröster für einander. Er setzte mir selbst zu. O mein lieber Belford, sprach er, man erzählt mir, und ich habe euch deswe- gen lächerlich machen hören, daß die vortreffliche Fräulein Harlowe eine Bekehrung in euch gewir- ket hat. O daß es doch so seyn möchte! Jhr seyd ein verständiger Mann. O daß es doch so seyn möchte! Nun ist es die Zeit für euch! Nun, da ihr vollkommen munter von Gemüthe und von Leibe seyd! Aber euer armer Belton, ach! euer armer Belton hat seine Laster so lange behalten, bis sie ihn verlassen haben. Und sehet die kläg- lichen Folgen in der Schwachheit des Gemüths und der Kleinmüthigkeit! Wäre Mowbray hier, und wollte über mich lachen, so wollte ich ihm frey gestehen, daß dieß die Ursache meiner Ver- zweifelung sey: weil Gottes Gerechtigkeit nicht seine Gnade zu meinem Troste wirken lassen kann. Denn o! ich bin sehr, sehr gottlos gewesen, und habe die dargebotene Gnade verachtet, bis er sie mir auf ewig entzogen hat.
Jch brauchte alle Gründe, worauf ich mich besin- nen konnte, ihn zu trösten: und das, was ich
ihm
aus ſeinem vergangenen Leben nichts zu ſeinem Troſte zu erinnern zu haben! ‒ ‒ Was wollte ich fuͤr ein Jahr, nur ein einziges Jahr, von mei- nem verſtrichnen Leben geben ‒ ‒ wenn ich dar- inn nur die Dinge eben ſo anſehen moͤchte, als ich ſie itzo anſehe?
Jch verſuchte ihn ſo gut zu troͤſten, als ich konnte. Allein bey dem Todbette ſind freye und luſtige Bruͤder leidige Troͤſter fuͤr einander. Er ſetzte mir ſelbſt zu. O mein lieber Belford, ſprach er, man erzaͤhlt mir, und ich habe euch deswe- gen laͤcherlich machen hoͤren, daß die vortreffliche Fraͤulein Harlowe eine Bekehrung in euch gewir- ket hat. O daß es doch ſo ſeyn moͤchte! Jhr ſeyd ein verſtaͤndiger Mann. O daß es doch ſo ſeyn moͤchte! Nun iſt es die Zeit fuͤr euch! Nun, da ihr vollkommen munter von Gemuͤthe und von Leibe ſeyd! Aber euer armer Belton, ach! euer armer Belton hat ſeine Laſter ſo lange behalten, bis ſie ihn verlaſſen haben. Und ſehet die klaͤg- lichen Folgen in der Schwachheit des Gemuͤths und der Kleinmuͤthigkeit! Waͤre Mowbray hier, und wollte uͤber mich lachen, ſo wollte ich ihm frey geſtehen, daß dieß die Urſache meiner Ver- zweifelung ſey: weil Gottes Gerechtigkeit nicht ſeine Gnade zu meinem Troſte wirken laſſen kann. Denn o! ich bin ſehr, ſehr gottlos geweſen, und habe die dargebotene Gnade verachtet, bis er ſie mir auf ewig entzogen hat.
Jch brauchte alle Gruͤnde, worauf ich mich beſin- nen konnte, ihn zu troͤſten: und das, was ich
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aus ſeinem vergangenen Leben nichts zu ſeinem
Troſte zu erinnern zu haben! ‒ ‒ Was wollte
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inn nur die Dinge eben ſo anſehen moͤchte, als
ich ſie itzo anſehe?
Jch verſuchte ihn ſo gut zu troͤſten, als ich
konnte. Allein bey dem Todbette ſind freye und
luſtige Bruͤder leidige Troͤſter fuͤr einander. Er
ſetzte mir ſelbſt zu. O mein lieber Belford, ſprach
er, man erzaͤhlt mir, und ich habe euch deswe-
gen laͤcherlich machen hoͤren, daß die vortreffliche
Fraͤulein Harlowe eine Bekehrung in euch gewir-
ket hat. O daß es doch ſo ſeyn moͤchte! Jhr ſeyd
ein verſtaͤndiger Mann. O daß es doch ſo ſeyn
moͤchte! Nun iſt es die Zeit fuͤr euch! Nun, da
ihr vollkommen munter von Gemuͤthe und von
Leibe ſeyd! Aber euer armer Belton, ach! euer
armer Belton hat ſeine Laſter ſo lange behalten,
bis ſie ihn verlaſſen haben. Und ſehet die klaͤg-
lichen Folgen in der Schwachheit des Gemuͤths
und der Kleinmuͤthigkeit! Waͤre Mowbray hier,
und wollte uͤber mich lachen, ſo wollte ich ihm
frey geſtehen, daß dieß die Urſache meiner Ver-
zweifelung ſey: weil Gottes Gerechtigkeit nicht
ſeine Gnade zu meinem Troſte wirken laſſen kann.
Denn o! ich bin ſehr, ſehr gottlos geweſen, und
habe die dargebotene Gnade verachtet, bis er ſie
mir auf ewig entzogen hat.
Jch brauchte alle Gruͤnde, worauf ich mich beſin-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/17>, abgerufen am 23.11.2024.
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