werden, Vergnügen zu finden: aber itzo mußt du gegen ihre Schönheiten wohl unempfindlich seyn. Jnzwischen laß dich durch diesen rauhen und un- bedächtlichen Mowbray nicht irre machen: denn die Thränen, wie Juvenal sagt, sind ein Vor- zug bey einem männlichen Gemüthe.
Es ist wenigstens zu gelegner Zeit gesprochen, mein lieber Belford: es ist eine Gütigkeit, mich der Verwirrung über diese weibische Schwach- heit zu entziehen; wie Mowbray sie allezeit, seit dem er bey mir gewesen ist, zu einem Vorwurf wider mich genannt hat. Er hat mich durch dieß Verfahren überzeuget, daß Freunde beym Glase, nichts anders fühlen, als was in diesem kleinen Kreise vorgehet: ich möchte auch bey so vollkom- mener Gesundheit, als er genießet, gedacht haben, was ich wollte.
Gut, gut, bleibt bey eurer Weise, Bruder Jch liebe meinen Freund Belton eben so wohl, als ihr ihn lieben könnet: allein, wenn es auch mein Blut kosten sollte, so kann ich nicht anders geden- ken, als daß die Liebkosungen gegen die Weich- herzigkeit eines Mannes dieselbe nur vermehren.
Wo es eine Weichherzigkeit ist, sagte ich, bey großen und wichtigen Begebenheiten, an welchen unsere Menschheit Theil hat, gerühret zu werden: so magst du Recht haben.
Jch habe manchen Kerl, versetzte der rauhe Mensch, auf den Holbourner Hügel zum Tode geführt gesehen, der sich weit
männ-
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werden, Vergnuͤgen zu finden: aber itzo mußt du gegen ihre Schoͤnheiten wohl unempfindlich ſeyn. Jnzwiſchen laß dich durch dieſen rauhen und un- bedaͤchtlichen Mowbray nicht irre machen: denn die Thraͤnen, wie Juvenal ſagt, ſind ein Vor- zug bey einem maͤnnlichen Gemuͤthe.
Es iſt wenigſtens zu gelegner Zeit geſprochen, mein lieber Belford: es iſt eine Guͤtigkeit, mich der Verwirrung uͤber dieſe weibiſche Schwach- heit zu entziehen; wie Mowbray ſie allezeit, ſeit dem er bey mir geweſen iſt, zu einem Vorwurf wider mich genannt hat. Er hat mich durch dieß Verfahren uͤberzeuget, daß Freunde beym Glaſe, nichts anders fuͤhlen, als was in dieſem kleinen Kreiſe vorgehet: ich moͤchte auch bey ſo vollkom- mener Geſundheit, als er genießet, gedacht haben, was ich wollte.
Gut, gut, bleibt bey eurer Weiſe, Bruder Jch liebe meinen Freund Belton eben ſo wohl, als ihr ihn lieben koͤnnet: allein, wenn es auch mein Blut koſten ſollte, ſo kann ich nicht anders geden- ken, als daß die Liebkoſungen gegen die Weich- herzigkeit eines Mannes dieſelbe nur vermehren.
Wo es eine Weichherzigkeit iſt, ſagte ich, bey großen und wichtigen Begebenheiten, an welchen unſere Menſchheit Theil hat, geruͤhret zu werden: ſo magſt du Recht haben.
Jch habe manchen Kerl, verſetzte der rauhe Menſch, auf den Holbourner Huͤgel zum Tode gefuͤhrt geſehen, der ſich weit
maͤnn-
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werden, Vergnuͤgen zu finden: aber itzo mußt du
gegen ihre Schoͤnheiten wohl unempfindlich ſeyn.
Jnzwiſchen laß dich durch dieſen rauhen und un-
bedaͤchtlichen Mowbray nicht irre machen: denn
die Thraͤnen, wie Juvenal ſagt, ſind ein Vor-
zug bey einem maͤnnlichen Gemuͤthe.
Es iſt wenigſtens zu gelegner Zeit geſprochen,
mein lieber Belford: es iſt eine Guͤtigkeit, mich
der Verwirrung uͤber dieſe weibiſche Schwach-
heit zu entziehen; wie Mowbray ſie allezeit, ſeit
dem er bey mir geweſen iſt, zu einem Vorwurf
wider mich genannt hat. Er hat mich durch dieß
Verfahren uͤberzeuget, daß Freunde beym Glaſe,
nichts anders fuͤhlen, als was in dieſem kleinen
Kreiſe vorgehet: ich moͤchte auch bey ſo vollkom-
mener Geſundheit, als er genießet, gedacht haben,
was ich wollte.
Gut, gut, bleibt bey eurer Weiſe, Bruder
Jch liebe meinen Freund Belton eben ſo wohl, als
ihr ihn lieben koͤnnet: allein, wenn es auch mein
Blut koſten ſollte, ſo kann ich nicht anders geden-
ken, als daß die Liebkoſungen gegen die Weich-
herzigkeit eines Mannes dieſelbe nur vermehren.
Wo es eine Weichherzigkeit iſt, ſagte ich, bey
großen und wichtigen Begebenheiten, an welchen
unſere Menſchheit Theil hat, geruͤhret zu werden:
ſo magſt du Recht haben.
Jch habe manchen Kerl, verſetzte der
rauhe Menſch, auf den Holbourner Huͤgel
zum Tode gefuͤhrt geſehen, der ſich weit
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/13>, abgerufen am 23.11.2024.
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