beyden Frauenzimmer, oder wenigstens in Bey- seyn einer von ihnen beyden: und als er einmahl darauf gedrungen, mich nur einige Augenblicke allein zu sprechen, hätte ich ihm bedeutet, daß mir seine Besuche nie angenehm seyn könnten, und ich am wenigsten ihm eine solche Gelegenheit verstat- ten würde, so lange keine Versöhnung zwischen seiner und meiner Familie erfolgete.
Jch sagte ihnen ferner: daß Fräulein Howe/ von meinen Gedancken so gut unterrichtet gewesen wäre, daß sie mich nicht einen Augenblick mit ihm allein gelassen hätte. Auch hätte ich mich nicht herunter ruffen lassen, wenn ich nicht schon bey seiner Ankunft in dem Saal gewesen. Jch glaub- te, daß es gezwungen liesse, und von ihm vor- theilhaft ausgelegt werden könnte, wenn ich die Gesellschaft verlassen, so oft er gekommen, oder mich geweigert hätte in die Gesellschafft zu gehen, wenn ich gesehen, daß er einige Zeit da bleiben wollte.
Mein Bruder hörte mich mit einer solchen un- geduldigen Art aus, daß ich schon zum voraus sei- nen Vorsatz mercken konnte, misvergnügt über mich zu seyn, ich möchte nun sagen, was ich woll- te. Es schien, die andern wären wohl mit mir zu frieden gewesen, wenn sie mir nicht hätten eine Furcht einjagen wollen, um etwas anders desto leichter durchzutreiben. Alles dieses zeigte deut- lich, daß sie kein freywilliges Ja von mir erwar- teten: und war ein stillschweigendes Bekenntniß davon, daß der Bräutigam, den sie mir vorschla-
gen
Erster Theil. E
der Clariſſa.
beyden Frauenzimmer, oder wenigſtens in Bey- ſeyn einer von ihnen beyden: und als er einmahl darauf gedrungen, mich nur einige Augenblicke allein zu ſprechen, haͤtte ich ihm bedeutet, daß mir ſeine Beſuche nie angenehm ſeyn koͤnnten, und ich am wenigſten ihm eine ſolche Gelegenheit verſtat- ten wuͤrde, ſo lange keine Verſoͤhnung zwiſchen ſeiner und meiner Familie erfolgete.
Jch ſagte ihnen ferner: daß Fraͤulein Howe/ von meinen Gedancken ſo gut unterrichtet geweſen waͤre, daß ſie mich nicht einen Augenblick mit ihm allein gelaſſen haͤtte. Auch haͤtte ich mich nicht herunter ruffen laſſen, wenn ich nicht ſchon bey ſeiner Ankunft in dem Saal geweſen. Jch glaub- te, daß es gezwungen lieſſe, und von ihm vor- theilhaft ausgelegt werden koͤnnte, wenn ich die Geſellſchaft verlaſſen, ſo oft er gekommen, oder mich geweigert haͤtte in die Geſellſchafft zu gehen, wenn ich geſehen, daß er einige Zeit da bleiben wollte.
Mein Bruder hoͤrte mich mit einer ſolchen un- geduldigen Art aus, daß ich ſchon zum voraus ſei- nen Vorſatz mercken konnte, misvergnuͤgt uͤber mich zu ſeyn, ich moͤchte nun ſagen, was ich woll- te. Es ſchien, die andern waͤren wohl mit mir zu frieden geweſen, wenn ſie mir nicht haͤtten eine Furcht einjagen wollen, um etwas anders deſto leichter durchzutreiben. Alles dieſes zeigte deut- lich, daß ſie kein freywilliges Ja von mir erwar- teten: und war ein ſtillſchweigendes Bekenntniß davon, daß der Braͤutigam, den ſie mir vorſchla-
gen
Erſter Theil. E
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der Clariſſa.
beyden Frauenzimmer, oder wenigſtens in Bey-
ſeyn einer von ihnen beyden: und als er einmahl
darauf gedrungen, mich nur einige Augenblicke
allein zu ſprechen, haͤtte ich ihm bedeutet, daß mir
ſeine Beſuche nie angenehm ſeyn koͤnnten, und ich
am wenigſten ihm eine ſolche Gelegenheit verſtat-
ten wuͤrde, ſo lange keine Verſoͤhnung zwiſchen
ſeiner und meiner Familie erfolgete.
Jch ſagte ihnen ferner: daß Fraͤulein Howe/
von meinen Gedancken ſo gut unterrichtet geweſen
waͤre, daß ſie mich nicht einen Augenblick mit ihm
allein gelaſſen haͤtte. Auch haͤtte ich mich nicht
herunter ruffen laſſen, wenn ich nicht ſchon bey
ſeiner Ankunft in dem Saal geweſen. Jch glaub-
te, daß es gezwungen lieſſe, und von ihm vor-
theilhaft ausgelegt werden koͤnnte, wenn ich die
Geſellſchaft verlaſſen, ſo oft er gekommen, oder
mich geweigert haͤtte in die Geſellſchafft zu gehen,
wenn ich geſehen, daß er einige Zeit da bleiben
wollte.
Mein Bruder hoͤrte mich mit einer ſolchen un-
geduldigen Art aus, daß ich ſchon zum voraus ſei-
nen Vorſatz mercken konnte, misvergnuͤgt uͤber
mich zu ſeyn, ich moͤchte nun ſagen, was ich woll-
te. Es ſchien, die andern waͤren wohl mit mir zu
frieden geweſen, wenn ſie mir nicht haͤtten eine
Furcht einjagen wollen, um etwas anders deſto
leichter durchzutreiben. Alles dieſes zeigte deut-
lich, daß ſie kein freywilliges Ja von mir erwar-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/85>, abgerufen am 23.11.2024.
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