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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
ihn drang, daß er seine Meynung eröfnen möchte.
Er sagte: er habe von seinem Sohn Jacob ei-
nen Brief bekommen, den er geschrieben, als er
gehöret hätte, daß sich Herr Lovelace um seine
Schwester Arabella bewürbe: er habe diesen
Brief niemanden, als meiner Mutter gezeiget,
weil doch bey dessen Empfang die ganze Sache
schon vorbey gewesen sey. Sein Sohn bezeuge
in diesem Schreiben ein grosses Misfallen an ih-
rer Verheyrathung mit Herrn Lovelace/ wegen
der übeln Aufführung dieses Mannes. Er wisse
zwar, daß ein alter Groll zwischen ihnen beyden
obwalte; aber er wolle sich doch nicht eher über
diese Sache erklären, bis er von seinem Sohn
nach dessen Zurückkunft alles selbst gehöret, was
er einzuwenden habe, weil er gern alle Gelegen-
heit zur Trennung und Feindschaft in seiner Fa-
milie vermeiden wolle. Er sey desto geneigter
seinem Sohn diese Gefälligkeit zu erweisen, weil
die allgemeine Meynung die man von Herrn Lo-
velace
habe, das Misfallen seines Sohnes an
der Heyrath nur allzusehr rechtfertige. Er habe
gehöret, (er glaubte aber, jedermann müste dis
auch gehöret haben) daß Lovelace ein sehr aus-
schweifender Mensch sey, und auf Reisen viel
Schulden gemacht habe: er sehe auch in der That
recht aus, als ein Verschwender.

Diese Umstände habe ich theils von meiner Ba-
se Hervey/ und theils von meiner Schwester:
denn ich ward heraus gerufen, so bald man anfing
von der Sache zu sprechen. Als ich wieder kam,

fragte

Die Geſchichte
ihn drang, daß er ſeine Meynung eroͤfnen moͤchte.
Er ſagte: er habe von ſeinem Sohn Jacob ei-
nen Brief bekommen, den er geſchrieben, als er
gehoͤret haͤtte, daß ſich Herr Lovelace um ſeine
Schweſter Arabella bewuͤrbe: er habe dieſen
Brief niemanden, als meiner Mutter gezeiget,
weil doch bey deſſen Empfang die ganze Sache
ſchon vorbey geweſen ſey. Sein Sohn bezeuge
in dieſem Schreiben ein groſſes Misfallen an ih-
rer Verheyrathung mit Herrn Lovelace/ wegen
der uͤbeln Auffuͤhrung dieſes Mannes. Er wiſſe
zwar, daß ein alter Groll zwiſchen ihnen beyden
obwalte; aber er wolle ſich doch nicht eher uͤber
dieſe Sache erklaͤren, bis er von ſeinem Sohn
nach deſſen Zuruͤckkunft alles ſelbſt gehoͤret, was
er einzuwenden habe, weil er gern alle Gelegen-
heit zur Trennung und Feindſchaft in ſeiner Fa-
milie vermeiden wolle. Er ſey deſto geneigter
ſeinem Sohn dieſe Gefaͤlligkeit zu erweiſen, weil
die allgemeine Meynung die man von Herrn Lo-
velace
habe, das Misfallen ſeines Sohnes an
der Heyrath nur allzuſehr rechtfertige. Er habe
gehoͤret, (er glaubte aber, jedermann muͤſte dis
auch gehoͤret haben) daß Lovelace ein ſehr aus-
ſchweifender Menſch ſey, und auf Reiſen viel
Schulden gemacht habe: er ſehe auch in der That
recht aus, als ein Verſchwender.

Dieſe Umſtaͤnde habe ich theils von meiner Ba-
ſe Hervey/ und theils von meiner Schweſter:
denn ich ward heraus gerufen, ſo bald man anfing
von der Sache zu ſprechen. Als ich wieder kam,

fragte
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[22/0042] Die Geſchichte ihn drang, daß er ſeine Meynung eroͤfnen moͤchte. Er ſagte: er habe von ſeinem Sohn Jacob ei- nen Brief bekommen, den er geſchrieben, als er gehoͤret haͤtte, daß ſich Herr Lovelace um ſeine Schweſter Arabella bewuͤrbe: er habe dieſen Brief niemanden, als meiner Mutter gezeiget, weil doch bey deſſen Empfang die ganze Sache ſchon vorbey geweſen ſey. Sein Sohn bezeuge in dieſem Schreiben ein groſſes Misfallen an ih- rer Verheyrathung mit Herrn Lovelace/ wegen der uͤbeln Auffuͤhrung dieſes Mannes. Er wiſſe zwar, daß ein alter Groll zwiſchen ihnen beyden obwalte; aber er wolle ſich doch nicht eher uͤber dieſe Sache erklaͤren, bis er von ſeinem Sohn nach deſſen Zuruͤckkunft alles ſelbſt gehoͤret, was er einzuwenden habe, weil er gern alle Gelegen- heit zur Trennung und Feindſchaft in ſeiner Fa- milie vermeiden wolle. Er ſey deſto geneigter ſeinem Sohn dieſe Gefaͤlligkeit zu erweiſen, weil die allgemeine Meynung die man von Herrn Lo- velace habe, das Misfallen ſeines Sohnes an der Heyrath nur allzuſehr rechtfertige. Er habe gehoͤret, (er glaubte aber, jedermann muͤſte dis auch gehoͤret haben) daß Lovelace ein ſehr aus- ſchweifender Menſch ſey, und auf Reiſen viel Schulden gemacht habe: er ſehe auch in der That recht aus, als ein Verſchwender. Dieſe Umſtaͤnde habe ich theils von meiner Ba- ſe Hervey/ und theils von meiner Schweſter: denn ich ward heraus gerufen, ſo bald man anfing von der Sache zu ſprechen. Als ich wieder kam, fragte

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/42>, abgerufen am 28.03.2024.