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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
"erbietung zu erweisen. Nichts gefiele ihr besser,
"als daß ein junger Herr, der ein Hertz erobern
"will, seiner Schönen ehrerbietig begegne. "
Dieses Glück wünschen wir uns wohl alle; und
wir haben Ursache es uns zu wünschen: Denn in
manchen Familien habe ich bemercket, daß nach-
her sehr wenig Ehrerbietung für das Frauenzim-
mer zu erwarten ist. Sie sagte meiner Base
Hervey: "sie wolle das künfftige mahl nicht so
"sehr zurück halten: sie wäre keine solche Thörin,
"daß sie einen Liebhaber nur quälen wollte, der
"nichts als Gegenliebe verdiente; und daß sie
"ihn desto mehr quälen wollte, je höher er sie
"schätzte. Nein so wäre sie nicht!" Wenn sie
nur nicht auf eine Person gezielt hätte, die mir
ungemein werth ist, so dächte ich fast, daß sie mit
Grund einen Fehler unsers Geschlechts getadelt
hätte. Jch nehme ein ungebührliches und hartes
Wort aus.

Arabella führete sich bey seinem dritten Besuch
so gütig und vorsichtig auf als sie sich vorgenom-
men hatte: und sie selbst glaubte, nunmehr hätte
er sein Anliegen frey heraus sagen können. Aber
er war noch blöde: er konnte seine unzeitige Ehr-
erbietung nicht überwinden. Dieser Besuch hatte
demnach keinen andern Ausgang, als der vorige.

Aber nun fing sie an über ihn mißvergnügt zu
seyn. Sie verglich seine gantze Gemüths-Beschaf-
fenheit mit seinem Betragen gegen sie selbst; und
da sich vorhin noch niemand um sie beworben hat-
te, so gestand sie, sie wisse gar nicht, wie sie sich ge-

gen

der Clariſſa.
„erbietung zu erweiſen. Nichts gefiele ihr beſſer,
„als daß ein junger Herr, der ein Hertz erobern
„will, ſeiner Schoͤnen ehrerbietig begegne. „
Dieſes Gluͤck wuͤnſchen wir uns wohl alle; und
wir haben Urſache es uns zu wuͤnſchen: Denn in
manchen Familien habe ich bemercket, daß nach-
her ſehr wenig Ehrerbietung fuͤr das Frauenzim-
mer zu erwarten iſt. Sie ſagte meiner Baſe
Hervey: „ſie wolle das kuͤnfftige mahl nicht ſo
„ſehr zuruͤck halten: ſie waͤre keine ſolche Thoͤrin,
„daß ſie einen Liebhaber nur quaͤlen wollte, der
„nichts als Gegenliebe verdiente; und daß ſie
„ihn deſto mehr quaͤlen wollte, je hoͤher er ſie
„ſchaͤtzte. Nein ſo waͤre ſie nicht!„ Wenn ſie
nur nicht auf eine Perſon gezielt haͤtte, die mir
ungemein werth iſt, ſo daͤchte ich faſt, daß ſie mit
Grund einen Fehler unſers Geſchlechts getadelt
haͤtte. Jch nehme ein ungebuͤhrliches und hartes
Wort aus.

Arabella fuͤhrete ſich bey ſeinem dritten Beſuch
ſo guͤtig und vorſichtig auf als ſie ſich vorgenom-
men hatte: und ſie ſelbſt glaubte, nunmehr haͤtte
er ſein Anliegen frey heraus ſagen koͤnnen. Aber
er war noch bloͤde: er konnte ſeine unzeitige Ehr-
erbietung nicht uͤberwinden. Dieſer Beſuch hatte
demnach keinen andern Ausgang, als der vorige.

Aber nun fing ſie an uͤber ihn mißvergnuͤgt zu
ſeyn. Sie verglich ſeine gantze Gemuͤths-Beſchaf-
fenheit mit ſeinem Betragen gegen ſie ſelbſt; und
da ſich vorhin noch niemand um ſie beworben hat-
te, ſo geſtand ſie, ſie wiſſe gar nicht, wie ſie ſich ge-

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[13/0033] der Clariſſa. „erbietung zu erweiſen. Nichts gefiele ihr beſſer, „als daß ein junger Herr, der ein Hertz erobern „will, ſeiner Schoͤnen ehrerbietig begegne. „ Dieſes Gluͤck wuͤnſchen wir uns wohl alle; und wir haben Urſache es uns zu wuͤnſchen: Denn in manchen Familien habe ich bemercket, daß nach- her ſehr wenig Ehrerbietung fuͤr das Frauenzim- mer zu erwarten iſt. Sie ſagte meiner Baſe Hervey: „ſie wolle das kuͤnfftige mahl nicht ſo „ſehr zuruͤck halten: ſie waͤre keine ſolche Thoͤrin, „daß ſie einen Liebhaber nur quaͤlen wollte, der „nichts als Gegenliebe verdiente; und daß ſie „ihn deſto mehr quaͤlen wollte, je hoͤher er ſie „ſchaͤtzte. Nein ſo waͤre ſie nicht!„ Wenn ſie nur nicht auf eine Perſon gezielt haͤtte, die mir ungemein werth iſt, ſo daͤchte ich faſt, daß ſie mit Grund einen Fehler unſers Geſchlechts getadelt haͤtte. Jch nehme ein ungebuͤhrliches und hartes Wort aus. Arabella fuͤhrete ſich bey ſeinem dritten Beſuch ſo guͤtig und vorſichtig auf als ſie ſich vorgenom- men hatte: und ſie ſelbſt glaubte, nunmehr haͤtte er ſein Anliegen frey heraus ſagen koͤnnen. Aber er war noch bloͤde: er konnte ſeine unzeitige Ehr- erbietung nicht uͤberwinden. Dieſer Beſuch hatte demnach keinen andern Ausgang, als der vorige. Aber nun fing ſie an uͤber ihn mißvergnuͤgt zu ſeyn. Sie verglich ſeine gantze Gemuͤths-Beſchaf- fenheit mit ſeinem Betragen gegen ſie ſelbſt; und da ſich vorhin noch niemand um ſie beworben hat- te, ſo geſtand ſie, ſie wiſſe gar nicht, wie ſie ſich ge- gen

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/33>, abgerufen am 23.11.2024.