wels Zeiten gehalten habe/ ableget/ und denn mit Fräulein Arabella nach der Kir- che wackelt. Sie hat selbst erkannt, daß das Frauenzimmer die Manns-Person an Schönheit übertreffen müsse. Wenn sie immer bey eben den Gedancken bleibt/ so wird sie keine anständigere Parthey als Herrn Solmes antreffen. Jch blieb bey mei- ner Vermuthung, wieder die gemeine Sage: denn ich konnte nicht glauben, das die unverstän- digsten Leute in England so unverständig wären, daß sie sich in den Sinn kommen liessen, Sol- mes und Sie zu verheyrathen.
Wir hörten, daß Sie keinen Besuch annähmen. Hievon konnte ich keine andere Ursache errathen, als daß man die Zubereitungen auf Jhrer Schwe- ster Hochzeit geheim halten wolte, und die Trau- ung unvermuthet vor sich gehen würde. Fräulein Lloyd und Fräulein Biddulph besuchten mich, um sich deshalb bey mir zu erkundigen. Jnson- derheit waren sie begierig, zu wissen, um welcher Ursache willen Sie den Sonntag nach Jhrer Zu- rückkunft beynahe hundert Anbeter vergeblich hät- ten warten lassen, (so sagten sie) und weder Vor- mittags noch Nachmittags in der Kirche gewesen wären? Hievon konte ich die Ursache, die Sie selbst melden ohne Mühe errathen: nemlich die Besorg- nis der Jhrigen, daß Herr Lovelace auch in der Kirche seyn, und Sie nach Hause bringen möchte.
Meine Mutter hat ihre gütigen Ausdrücke in dem übersandten Briefe sehr wohl aufgenommen.
Sie
Die Geſchichte
wels Zeiten gehalten habe/ ableget/ und denn mit Fraͤulein Arabella nach der Kir- che wackelt. Sie hat ſelbſt erkannt, daß das Frauenzimmer die Manns-Perſon an Schoͤnheit uͤbertreffen muͤſſe. Wenn ſie immer bey eben den Gedancken bleibt/ ſo wird ſie keine anſtaͤndigere Parthey als Herrn Solmes antreffen. Jch blieb bey mei- ner Vermuthung, wieder die gemeine Sage: denn ich konnte nicht glauben, das die unverſtaͤn- digſten Leute in England ſo unverſtaͤndig waͤren, daß ſie ſich in den Sinn kommen lieſſen, Sol- mes und Sie zu verheyrathen.
Wir hoͤrten, daß Sie keinen Beſuch annaͤhmen. Hievon konnte ich keine andere Urſache errathen, als daß man die Zubereitungen auf Jhrer Schwe- ſter Hochzeit geheim halten wolte, und die Trau- ung unvermuthet vor ſich gehen wuͤrde. Fraͤulein Lloyd und Fraͤulein Biddulph beſuchten mich, um ſich deshalb bey mir zu erkundigen. Jnſon- derheit waren ſie begierig, zu wiſſen, um welcher Urſache willen Sie den Sonntag nach Jhrer Zu- ruͤckkunft beynahe hundert Anbeter vergeblich haͤt- ten warten laſſen, (ſo ſagten ſie) und weder Vor- mittags noch Nachmittags in der Kirche geweſen waͤren? Hievon konte ich die Urſache, die Sie ſelbſt melden ohne Muͤhe errathen: nemlich die Beſorg- nis der Jhrigen, daß Herr Lovelace auch in der Kirche ſeyn, und Sie nach Hauſe bringen moͤchte.
Meine Mutter hat ihre guͤtigen Ausdruͤcke in dem uͤberſandten Briefe ſehr wohl aufgenommen.
Sie
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Die Geſchichte
wels Zeiten gehalten habe/ ableget/ und
denn mit Fraͤulein Arabella nach der Kir-
che wackelt. Sie hat ſelbſt erkannt, daß
das Frauenzimmer die Manns-Perſon an
Schoͤnheit uͤbertreffen muͤſſe. Wenn ſie
immer bey eben den Gedancken bleibt/ ſo
wird ſie keine anſtaͤndigere Parthey als
Herrn Solmes antreffen. Jch blieb bey mei-
ner Vermuthung, wieder die gemeine Sage:
denn ich konnte nicht glauben, das die unverſtaͤn-
digſten Leute in England ſo unverſtaͤndig waͤren,
daß ſie ſich in den Sinn kommen lieſſen, Sol-
mes und Sie zu verheyrathen.
Wir hoͤrten, daß Sie keinen Beſuch annaͤhmen.
Hievon konnte ich keine andere Urſache errathen,
als daß man die Zubereitungen auf Jhrer Schwe-
ſter Hochzeit geheim halten wolte, und die Trau-
ung unvermuthet vor ſich gehen wuͤrde. Fraͤulein
Lloyd und Fraͤulein Biddulph beſuchten mich,
um ſich deshalb bey mir zu erkundigen. Jnſon-
derheit waren ſie begierig, zu wiſſen, um welcher
Urſache willen Sie den Sonntag nach Jhrer Zu-
ruͤckkunft beynahe hundert Anbeter vergeblich haͤt-
ten warten laſſen, (ſo ſagten ſie) und weder Vor-
mittags noch Nachmittags in der Kirche geweſen
waͤren? Hievon konte ich die Urſache, die Sie ſelbſt
melden ohne Muͤhe errathen: nemlich die Beſorg-
nis der Jhrigen, daß Herr Lovelace auch in der
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Meine Mutter hat ihre guͤtigen Ausdruͤcke in
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/114>, abgerufen am 23.11.2024.
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