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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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Schutzes und der Gefälligkeit, die der Mann dem zärteren Geschlechte in seinen entfernteren Verhältnissen mit ihm darbringt, an eine gewisse Form zu binden, wodurch er sich artig zeigen, daß heißt, Gefühle des Schönen neben denen des Guten erwecken will. Die bloße herumschweifende Begierde ist bereits bey Thieren mit dem Wunsche, durch kosende Geschmeidigkeit zu gefallen, verbunden, und Niedlichkeit der Formen, so wie Hülfsbedürftigkeit der Lagen, laden sogar die rohesten Männer zu einem schmeichelnden Betragen, nicht bloß gegen das zarte Weib, sondern sogar gegen Kinder ein.

Diese natürliche Folge einer aus der ersten Rohheit entwickelten Geschlechtssympathie mag, wenn man will, Galanterie genannt werden, und dann haben alle Völker im Süden und im Norden gleichen Anspruch auf ihre Hervorbringung. Simson und Herkules sind dann Paladine; die Delila's und Omphalen die Damen ihrer Gedanken, der Erzvater Jakob ist ein Celadon, und seine Rahel eine Astrea.

So lächerlich diese Behauptung klingt, so hat sie doch ihre Vertheidiger gefunden, 2) und uns wird sie wichtig, weil sie die Nothwendigkeit lehrt, der Galanterie nicht eher ein Daseyn einzuräumen, und den besondern Ursachen ihrer Entstehung nachzuspüren, als bis wir in den Aeußerungen der Zärtlichkeit und der Urbanität der Abendländer im Mittelalter etwas so charakteristisch Verschiedenes von den Sitten anderer Völker und Zeiten in eben diesen Verhältnissen antreffen, um jene als etwas für sich Bestehendes zu erkennen, das sich aus

2) Ueber den Geist und die Geschichte des Mittelalters. Gotha 1786.

Schutzes und der Gefälligkeit, die der Mann dem zärteren Geschlechte in seinen entfernteren Verhältnissen mit ihm darbringt, an eine gewisse Form zu binden, wodurch er sich artig zeigen, daß heißt, Gefühle des Schönen neben denen des Guten erwecken will. Die bloße herumschweifende Begierde ist bereits bey Thieren mit dem Wunsche, durch kosende Geschmeidigkeit zu gefallen, verbunden, und Niedlichkeit der Formen, so wie Hülfsbedürftigkeit der Lagen, laden sogar die rohesten Männer zu einem schmeichelnden Betragen, nicht bloß gegen das zarte Weib, sondern sogar gegen Kinder ein.

Diese natürliche Folge einer aus der ersten Rohheit entwickelten Geschlechtssympathie mag, wenn man will, Galanterie genannt werden, und dann haben alle Völker im Süden und im Norden gleichen Anspruch auf ihre Hervorbringung. Simson und Herkules sind dann Paladine; die Delila’s und Omphalen die Damen ihrer Gedanken, der Erzvater Jakob ist ein Celadon, und seine Rahel eine Astrea.

So lächerlich diese Behauptung klingt, so hat sie doch ihre Vertheidiger gefunden, 2) und uns wird sie wichtig, weil sie die Nothwendigkeit lehrt, der Galanterie nicht eher ein Daseyn einzuräumen, und den besondern Ursachen ihrer Entstehung nachzuspüren, als bis wir in den Aeußerungen der Zärtlichkeit und der Urbanität der Abendländer im Mittelalter etwas so charakteristisch Verschiedenes von den Sitten anderer Völker und Zeiten in eben diesen Verhältnissen antreffen, um jene als etwas für sich Bestehendes zu erkennen, das sich aus

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Schutzes und der Gefälligkeit, die der Mann dem zärteren Geschlechte in seinen entfernteren Verhältnissen mit ihm darbringt, an eine gewisse Form zu binden, wodurch er sich artig zeigen, daß heißt, Gefühle des Schönen neben denen des Guten erwecken will. Die bloße herumschweifende Begierde ist bereits bey Thieren mit dem Wunsche, durch kosende Geschmeidigkeit zu gefallen, verbunden, und Niedlichkeit der Formen, so wie Hülfsbedürftigkeit der Lagen, laden sogar die rohesten Männer zu einem schmeichelnden Betragen, nicht bloß gegen das zarte Weib, <choice><sic>sondern</sic><corr>sondern sogar</corr></choice> gegen Kinder ein.</p>
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[50/0050] Schutzes und der Gefälligkeit, die der Mann dem zärteren Geschlechte in seinen entfernteren Verhältnissen mit ihm darbringt, an eine gewisse Form zu binden, wodurch er sich artig zeigen, daß heißt, Gefühle des Schönen neben denen des Guten erwecken will. Die bloße herumschweifende Begierde ist bereits bey Thieren mit dem Wunsche, durch kosende Geschmeidigkeit zu gefallen, verbunden, und Niedlichkeit der Formen, so wie Hülfsbedürftigkeit der Lagen, laden sogar die rohesten Männer zu einem schmeichelnden Betragen, nicht bloß gegen das zarte Weib, sondern sogar gegen Kinder ein. Diese natürliche Folge einer aus der ersten Rohheit entwickelten Geschlechtssympathie mag, wenn man will, Galanterie genannt werden, und dann haben alle Völker im Süden und im Norden gleichen Anspruch auf ihre Hervorbringung. Simson und Herkules sind dann Paladine; die Delila’s und Omphalen die Damen ihrer Gedanken, der Erzvater Jakob ist ein Celadon, und seine Rahel eine Astrea. So lächerlich diese Behauptung klingt, so hat sie doch ihre Vertheidiger gefunden, 2) und uns wird sie wichtig, weil sie die Nothwendigkeit lehrt, der Galanterie nicht eher ein Daseyn einzuräumen, und den besondern Ursachen ihrer Entstehung nachzuspüren, als bis wir in den Aeußerungen der Zärtlichkeit und der Urbanität der Abendländer im Mittelalter etwas so charakteristisch Verschiedenes von den Sitten anderer Völker und Zeiten in eben diesen Verhältnissen antreffen, um jene als etwas für sich Bestehendes zu erkennen, das sich aus 2) Ueber den Geist und die Geschichte des Mittelalters. Gotha 1786.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/50>, abgerufen am 25.04.2024.