briefe eines Mächtigern weiter nichts sind, als schriftliche Complimente.
21.
Wen muß heute Harpax(29) betrogen ha- ben, daß er dort bey seinem Geldkasten so vergnügt lächelt? Nun weis ich es. Vor einer Stunde hat er die letzten hundert Thaler verdient, die ihm noch an dem ersparten Vermögen von 50000 Thalern fehlten. Nun setzt er sich auf die Geld- säcke, und rechnet. Wir wollen ihm zuhören, ohne ihn zu stören. - - - - Das wären also 20. 9. 5. 14. 1. gut! Das wären also 49000 Tha- ler! Hier in dem Sacke 500. und 300. und 100. und hier in der Hand die 100 Thaler - - - Es ist richtig! Das macht zusammen 50000 Thaler. Gott Lob! Nun will ich nur noch 1000 Thaler dazu verdienen, und hernach mein Alter ruhig beschließen, und dem lieben Armuthe nach mei- nem wenigen Vermögen Gutes thun, so bald ich diese 60000 Thaler beysammen haben werde. Wie glücklich wird mein Sohn leben! Jch habe mit hundert Thalern angefangen, und höre mit 60000 Thalern auf. Glücklicher Sohn! wie viel kannst du zusammen sparen, da du mit 60000 Thalern anfängst! Gott erhalte mir nur mein Biß- chen Armuth! Jch will es gewiß auch denen ge- nießen lassen, die darben müssen, wenigstens nach meinem Tode; denn so lange man lebt, weis man nicht, was man selbst braucht, und mein lieber
Sohn
(29) Marx Jsrael O - -.
Das Maͤrchen vom erſten April.
briefe eines Maͤchtigern weiter nichts ſind, als ſchriftliche Complimente.
21.
Wen muß heute Harpax(29) betrogen ha- ben, daß er dort bey ſeinem Geldkaſten ſo vergnuͤgt laͤchelt? Nun weis ich es. Vor einer Stunde hat er die letzten hundert Thaler verdient, die ihm noch an dem erſparten Vermoͤgen von 50000 Thalern fehlten. Nun ſetzt er ſich auf die Geld- ſaͤcke, und rechnet. Wir wollen ihm zuhoͤren, ohne ihn zu ſtoͤren. ‒ ‒ ‒ ‒ Das waͤren alſo 20. 9. 5. 14. 1. gut! Das waͤren alſo 49000 Tha- ler! Hier in dem Sacke 500. und 300. und 100. und hier in der Hand die 100 Thaler ‒ ‒ ‒ Es iſt richtig! Das macht zuſammen 50000 Thaler. Gott Lob! Nun will ich nur noch 1000 Thaler dazu verdienen, und hernach mein Alter ruhig beſchließen, und dem lieben Armuthe nach mei- nem wenigen Vermoͤgen Gutes thun, ſo bald ich dieſe 60000 Thaler beyſammen haben werde. Wie gluͤcklich wird mein Sohn leben! Jch habe mit hundert Thalern angefangen, und hoͤre mit 60000 Thalern auf. Gluͤcklicher Sohn! wie viel kannſt du zuſammen ſparen, da du mit 60000 Thalern anfaͤngſt! Gott erhalte mir nur mein Biß- chen Armuth! Jch will es gewiß auch denen ge- nießen laſſen, die darben muͤſſen, wenigſtens nach meinem Tode; denn ſo lange man lebt, weis man nicht, was man ſelbſt braucht, und mein lieber
Sohn
(29) Marx Jſrael O ‒ ‒.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0544"n="522[520]"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Maͤrchen vom erſten April.</hi></fw><lb/>
briefe eines Maͤchtigern weiter nichts ſind, als<lb/>ſchriftliche Complimente.</p></div><lb/><divn="4"><head>21.</head><lb/><p>Wen muß heute <hirendition="#fr">Harpax</hi><noteplace="foot"n="(29)">Marx Jſrael <hirendition="#aq"><hirendition="#i">O</hi></hi>‒‒.</note> betrogen ha-<lb/>
ben, daß er dort bey ſeinem Geldkaſten ſo vergnuͤgt<lb/>
laͤchelt? Nun weis ich es. Vor einer Stunde<lb/>
hat er die letzten hundert Thaler verdient, die ihm<lb/>
noch an dem erſparten Vermoͤgen von 50000<lb/>
Thalern fehlten. Nun ſetzt er ſich auf die Geld-<lb/>ſaͤcke, und rechnet. Wir wollen ihm zuhoͤren,<lb/>
ohne ihn zu ſtoͤren. ‒‒‒‒ Das waͤren alſo 20.<lb/>
9. 5. 14. 1. gut! Das waͤren alſo 49000 Tha-<lb/>
ler! Hier in dem Sacke 500. und 300. und 100.<lb/>
und hier in der Hand die 100 Thaler ‒‒‒ Es<lb/>
iſt richtig! Das macht zuſammen 50000 Thaler.<lb/>
Gott Lob! Nun will ich nur noch 1000 Thaler<lb/>
dazu verdienen, und hernach mein Alter ruhig<lb/>
beſchließen, und dem lieben Armuthe nach mei-<lb/>
nem wenigen Vermoͤgen Gutes thun, ſo bald ich<lb/>
dieſe 60000 Thaler beyſammen haben werde.<lb/>
Wie gluͤcklich wird mein Sohn leben! Jch habe<lb/>
mit hundert Thalern angefangen, und hoͤre mit<lb/>
60000 Thalern auf. Gluͤcklicher Sohn! wie<lb/>
viel kannſt du zuſammen ſparen, da du mit 60000<lb/>
Thalern anfaͤngſt! Gott erhalte mir nur mein Biß-<lb/>
chen Armuth! Jch will es gewiß auch denen ge-<lb/>
nießen laſſen, die darben muͤſſen, wenigſtens nach<lb/>
meinem Tode; denn ſo lange man lebt, weis man<lb/>
nicht, was man ſelbſt braucht, und mein lieber<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sohn</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[522[520]/0544]
Das Maͤrchen vom erſten April.
briefe eines Maͤchtigern weiter nichts ſind, als
ſchriftliche Complimente.
21.
Wen muß heute Harpax (29) betrogen ha-
ben, daß er dort bey ſeinem Geldkaſten ſo vergnuͤgt
laͤchelt? Nun weis ich es. Vor einer Stunde
hat er die letzten hundert Thaler verdient, die ihm
noch an dem erſparten Vermoͤgen von 50000
Thalern fehlten. Nun ſetzt er ſich auf die Geld-
ſaͤcke, und rechnet. Wir wollen ihm zuhoͤren,
ohne ihn zu ſtoͤren. ‒ ‒ ‒ ‒ Das waͤren alſo 20.
9. 5. 14. 1. gut! Das waͤren alſo 49000 Tha-
ler! Hier in dem Sacke 500. und 300. und 100.
und hier in der Hand die 100 Thaler ‒ ‒ ‒ Es
iſt richtig! Das macht zuſammen 50000 Thaler.
Gott Lob! Nun will ich nur noch 1000 Thaler
dazu verdienen, und hernach mein Alter ruhig
beſchließen, und dem lieben Armuthe nach mei-
nem wenigen Vermoͤgen Gutes thun, ſo bald ich
dieſe 60000 Thaler beyſammen haben werde.
Wie gluͤcklich wird mein Sohn leben! Jch habe
mit hundert Thalern angefangen, und hoͤre mit
60000 Thalern auf. Gluͤcklicher Sohn! wie
viel kannſt du zuſammen ſparen, da du mit 60000
Thalern anfaͤngſt! Gott erhalte mir nur mein Biß-
chen Armuth! Jch will es gewiß auch denen ge-
nießen laſſen, die darben muͤſſen, wenigſtens nach
meinem Tode; denn ſo lange man lebt, weis man
nicht, was man ſelbſt braucht, und mein lieber
Sohn
(29) Marx Jſrael O ‒ ‒.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 522[520]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/544>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.