Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite

Erregung, welche in jenen Kriegen das Volk in seinen Tiefen aufgewühlt hatte. So lange man in den herrschenden Kreisen dieser Erregung bedurfte, um den äußeren Feind zu bekämpfen, nährte man sie klüglich; damals durfte das Volk mit hoher obrigkeitlicher Genehmigung für Deutschland und die Freiheit schwärmen. Als aber der Zweck erreicht und der größte Despot des Jahrhunderts durch die begeisterte Anstrengung der Völker zu Boden geworfen war, da hielten nunmehr die kleinen Despoten ihre Zeit für gekommen. Der Wiener Congreß bastelte statt eines Deutschland einen deutschen Bund zusammen, für den allerdings kein Mensch mehr schwärmen konnte, und es genügte, das Wort Freiheit auszusprechen, um in den dringendsten Verdacht des Hochverraths zu kommen. Damals war es, um ein neuerdings beliebt gewordenes Bild zu brauchen, der böse Loki der Reaktion, der den schönen Baldur, den Völkerfrühling, meuchlings erschlug. Der, dämische Hödur aber, das deutsche Volk, sah stumpfsinnig zu, und ballte höchstens die Faust in der Tasche. Jene Zeit der heiligen Alliance, der Karlsbader Beschlüsse, der Congresse von Troppau, Laibach und Verona, jene Zeit, da die unsinnigste Reaktion ihre wüstesten Orgien feierte, hat nur einen dauernden Erfolg hinterlassen: sie hat den Namen der Reaktion vor dem öffentlichen Gewissen so geschändet, daß seitdem die entsprechende Gesinnung sich ihres Namens schämt, und lieber unter falscher Flagge segelt.

Die Männer und Jünglinge, welche bedeckt mit ehrenvollen Narben aus dem Kampfe für Freiheit und Vaterland zurückkehrten, und sich nun in solche Zustände versetzt sahen, mußten es für eine grausame Ironie halten, daß man die Kriege, welche dieser Zeit vorausgegangen, Freiheitskriege nannte. Jene gehobene Stimmung, welche die Kämpfer von Leipzig und Waterloo zu ihren Thaten begeistert hatte, wollte nicht sofort

Erregung, welche in jenen Kriegen das Volk in seinen Tiefen aufgewühlt hatte. So lange man in den herrschenden Kreisen dieser Erregung bedurfte, um den äußeren Feind zu bekämpfen, nährte man sie klüglich; damals durfte das Volk mit hoher obrigkeitlicher Genehmigung für Deutschland und die Freiheit schwärmen. Als aber der Zweck erreicht und der größte Despot des Jahrhunderts durch die begeisterte Anstrengung der Völker zu Boden geworfen war, da hielten nunmehr die kleinen Despoten ihre Zeit für gekommen. Der Wiener Congreß bastelte statt eines Deutschland einen deutschen Bund zusammen, für den allerdings kein Mensch mehr schwärmen konnte, und es genügte, das Wort Freiheit auszusprechen, um in den dringendsten Verdacht des Hochverraths zu kommen. Damals war es, um ein neuerdings beliebt gewordenes Bild zu brauchen, der böse Loki der Reaktion, der den schönen Baldur, den Völkerfrühling, meuchlings erschlug. Der, dämische Hödur aber, das deutsche Volk, sah stumpfsinnig zu, und ballte höchstens die Faust in der Tasche. Jene Zeit der heiligen Alliance, der Karlsbader Beschlüsse, der Congresse von Troppau, Laibach und Verona, jene Zeit, da die unsinnigste Reaktion ihre wüstesten Orgien feierte, hat nur einen dauernden Erfolg hinterlassen: sie hat den Namen der Reaktion vor dem öffentlichen Gewissen so geschändet, daß seitdem die entsprechende Gesinnung sich ihres Namens schämt, und lieber unter falscher Flagge segelt.

Die Männer und Jünglinge, welche bedeckt mit ehrenvollen Narben aus dem Kampfe für Freiheit und Vaterland zurückkehrten, und sich nun in solche Zustände versetzt sahen, mußten es für eine grausame Ironie halten, daß man die Kriege, welche dieser Zeit vorausgegangen, Freiheitskriege nannte. Jene gehobene Stimmung, welche die Kämpfer von Leipzig und Waterloo zu ihren Thaten begeistert hatte, wollte nicht sofort

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="12"/>
Erregung, welche in jenen Kriegen das Volk in seinen Tiefen aufgewühlt hatte. So lange man in den herrschenden Kreisen dieser Erregung bedurfte, um den äußeren Feind zu bekämpfen, nährte man sie klüglich; damals durfte das Volk mit hoher obrigkeitlicher Genehmigung für Deutschland und die Freiheit schwärmen. Als aber der Zweck erreicht und der größte Despot des Jahrhunderts durch die begeisterte Anstrengung der Völker zu Boden geworfen war, da hielten nunmehr die kleinen Despoten ihre Zeit für gekommen. Der Wiener Congreß bastelte statt eines Deutschland einen deutschen Bund zusammen, für den allerdings kein Mensch mehr schwärmen konnte, und es genügte, das Wort Freiheit auszusprechen, um in den dringendsten Verdacht des Hochverraths zu kommen. Damals war es, um ein neuerdings beliebt gewordenes Bild zu brauchen, der böse Loki der Reaktion, der den schönen Baldur, den Völkerfrühling, meuchlings erschlug. Der, dämische Hödur aber, das deutsche Volk, sah stumpfsinnig zu, und ballte höchstens die Faust in der Tasche. Jene Zeit der heiligen Alliance, der Karlsbader Beschlüsse, der Congresse von Troppau, Laibach und Verona, jene Zeit, da die unsinnigste Reaktion ihre wüstesten Orgien feierte, hat nur einen dauernden Erfolg hinterlassen: sie hat den Namen der Reaktion vor dem öffentlichen Gewissen so geschändet, daß seitdem die entsprechende Gesinnung sich ihres Namens schämt, und lieber unter falscher Flagge segelt.</p>
        <p>Die Männer und Jünglinge, welche bedeckt mit ehrenvollen Narben aus dem Kampfe für Freiheit und Vaterland zurückkehrten, und sich nun in solche Zustände versetzt sahen, mußten es für eine grausame Ironie halten, daß man die Kriege, welche dieser Zeit vorausgegangen, <hi rendition="#g">Freiheitskriege</hi> nannte. Jene gehobene Stimmung, welche die Kämpfer von Leipzig und Waterloo zu ihren Thaten begeistert hatte, wollte nicht sofort
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0012] Erregung, welche in jenen Kriegen das Volk in seinen Tiefen aufgewühlt hatte. So lange man in den herrschenden Kreisen dieser Erregung bedurfte, um den äußeren Feind zu bekämpfen, nährte man sie klüglich; damals durfte das Volk mit hoher obrigkeitlicher Genehmigung für Deutschland und die Freiheit schwärmen. Als aber der Zweck erreicht und der größte Despot des Jahrhunderts durch die begeisterte Anstrengung der Völker zu Boden geworfen war, da hielten nunmehr die kleinen Despoten ihre Zeit für gekommen. Der Wiener Congreß bastelte statt eines Deutschland einen deutschen Bund zusammen, für den allerdings kein Mensch mehr schwärmen konnte, und es genügte, das Wort Freiheit auszusprechen, um in den dringendsten Verdacht des Hochverraths zu kommen. Damals war es, um ein neuerdings beliebt gewordenes Bild zu brauchen, der böse Loki der Reaktion, der den schönen Baldur, den Völkerfrühling, meuchlings erschlug. Der, dämische Hödur aber, das deutsche Volk, sah stumpfsinnig zu, und ballte höchstens die Faust in der Tasche. Jene Zeit der heiligen Alliance, der Karlsbader Beschlüsse, der Congresse von Troppau, Laibach und Verona, jene Zeit, da die unsinnigste Reaktion ihre wüstesten Orgien feierte, hat nur einen dauernden Erfolg hinterlassen: sie hat den Namen der Reaktion vor dem öffentlichen Gewissen so geschändet, daß seitdem die entsprechende Gesinnung sich ihres Namens schämt, und lieber unter falscher Flagge segelt. Die Männer und Jünglinge, welche bedeckt mit ehrenvollen Narben aus dem Kampfe für Freiheit und Vaterland zurückkehrten, und sich nun in solche Zustände versetzt sahen, mußten es für eine grausame Ironie halten, daß man die Kriege, welche dieser Zeit vorausgegangen, Freiheitskriege nannte. Jene gehobene Stimmung, welche die Kämpfer von Leipzig und Waterloo zu ihren Thaten begeistert hatte, wollte nicht sofort

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-23T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-23T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-23T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/12
Zitationshilfe: Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuss_franz_1886/12>, abgerufen am 23.11.2024.