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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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die meisten Elteren riefen ihm noch selber auf
die Gasse hinaus, es soll auch in die Stube
kommen, und es wußte die Sache so gut ein-
zufädlen daß die meisten Kinder ohne Ohr-
feigen davon kamen.

Aber die Caminfegerin hatte das Wasser
in den Augen, so bald es nur das Wort Frey-
tag ins Maul nahm und ehe es noch ihres
Lisabethlis gedachte, sieng sie an zu heulen
und sagte, sie stehe ins Gottsnahmen auch
in der erschreklichen Rechnung und wisse ih-
res Lebens nicht anzufangen; der Caminfeger
schlage sie zu tod, wenn ers vernehme.

Und die Lismer Gritte sagte fast die gleichen
Wort wo die Caminfegerin; beyde bathen das
Mareylj ohngefähr um das gleiche was die
Kinder; nämlich daß es doch um tausend
Gottswillen mit ihren Männern rede.

Es gab ihnen zuerst zur Antwort; das
Zuchthaus wäre besser für sie als sein Fürwort;
und es stehe ihm nicht an mit seinem zum Be-
stenreden Schelmen zu pflanzen; am Ende
thats doch was sie wollten.

Aber zwey Schwestern die beym Creuzbrun-
nen vor einander über wohnen, (die eine hat
einen Lindenberger und die andre einen Hügj;)
sind bey diesem Anlaß wie erzgute Mütter ob
ihren Kindern verirret.

Die Lindenbergerin merkte, daß ihrer Schwe-

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die meiſten Elteren riefen ihm noch ſelber auf
die Gaſſe hinaus, es ſoll auch in die Stube
kommen, und es wußte die Sache ſo gut ein-
zufaͤdlen daß die meiſten Kinder ohne Ohr-
feigen davon kamen.

Aber die Caminfegerin hatte das Waſſer
in den Augen, ſo bald es nur das Wort Frey-
tag ins Maul nahm und ehe es noch ihres
Liſabethlis gedachte, ſieng ſie an zu heulen
und ſagte, ſie ſtehe ins Gottsnahmen auch
in der erſchreklichen Rechnung und wiſſe ih-
res Lebens nicht anzufangen; der Caminfeger
ſchlage ſie zu tod, wenn ers vernehme.

Und die Lismer Gritte ſagte faſt die gleichen
Wort wo die Caminfegerin; beyde bathen das
Mareylj ohngefaͤhr um das gleiche was die
Kinder; naͤmlich daß es doch um tauſend
Gottswillen mit ihren Maͤnnern rede.

Es gab ihnen zuerſt zur Antwort; das
Zuchthaus waͤre beſſer fuͤr ſie als ſein Fuͤrwort;
und es ſtehe ihm nicht an mit ſeinem zum Be-
ſtenreden Schelmen zu pflanzen; am Ende
thats doch was ſie wollten.

Aber zwey Schweſtern die beym Creuzbrun-
nen vor einander uͤber wohnen, (die eine hat
einen Lindenberger und die andre einen Huͤgj;)
ſind bey dieſem Anlaß wie erzgute Muͤtter ob
ihren Kindern verirret.

Die Lindenbergerin merkte, daß ihrer Schwe-

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[23/0045] die meiſten Elteren riefen ihm noch ſelber auf die Gaſſe hinaus, es ſoll auch in die Stube kommen, und es wußte die Sache ſo gut ein- zufaͤdlen daß die meiſten Kinder ohne Ohr- feigen davon kamen. Aber die Caminfegerin hatte das Waſſer in den Augen, ſo bald es nur das Wort Frey- tag ins Maul nahm und ehe es noch ihres Liſabethlis gedachte, ſieng ſie an zu heulen und ſagte, ſie ſtehe ins Gottsnahmen auch in der erſchreklichen Rechnung und wiſſe ih- res Lebens nicht anzufangen; der Caminfeger ſchlage ſie zu tod, wenn ers vernehme. Und die Lismer Gritte ſagte faſt die gleichen Wort wo die Caminfegerin; beyde bathen das Mareylj ohngefaͤhr um das gleiche was die Kinder; naͤmlich daß es doch um tauſend Gottswillen mit ihren Maͤnnern rede. Es gab ihnen zuerſt zur Antwort; das Zuchthaus waͤre beſſer fuͤr ſie als ſein Fuͤrwort; und es ſtehe ihm nicht an mit ſeinem zum Be- ſtenreden Schelmen zu pflanzen; am Ende thats doch was ſie wollten. Aber zwey Schweſtern die beym Creuzbrun- nen vor einander uͤber wohnen, (die eine hat einen Lindenberger und die andre einen Huͤgj;) ſind bey dieſem Anlaß wie erzgute Muͤtter ob ihren Kindern verirret. Die Lindenbergerin merkte, daß ihrer Schwe- B 4

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/45>, abgerufen am 20.04.2024.