Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 3.
Ein schönes Zeugniß, daß das Mareylj
ein braves Mensch ist.

Denn da es heimgieng, traf es in allen
Eken Leuthe an, die ihre Köpfe zusam-
menstiessen und mit einander Rath hielten;
und nahe bey seinem Hause einen ganzen Hauf-
fen Kinder, die auch nicht so bey einander
stuhnden wie Kinder bey einander stehen, wenn
ihnen wohl ums Herz ist: und da es merkte
was es war, schüttelte es den Kopf, sah' ih-
nen steif in die Augen, und sagte da sie ihn's
grüßten, zu ihnen: habt ihr gut Rath mit
einander? Nicht so gar gut, antworteten die
Kinder, und durften ihns fast nicht ansehen:
sie waren nämlich in Aengsten wegen der Frey-
tagsrechnung; denn der Junker hatte am
Sonntag nach der Mittagspredigt verlesen
lassen, daß am Donstag die Gemeindwayd
vertheilt und am Freytag Jedermann der dem
Vogt schuldig, mit ihm unter der Linden
rechnen müsse; beyde Punkten machten vielen
Leuthen im Dorf den Kopf groß; aber haupt-
sächlich der lezte.

Das Mareylj aber war kaum von den Kin-
dern weg, so sagte eines, es sey doch auch
sonst so gut, und es thüe ihnen vielleicht den

Gefallen,
§. 3.
Ein ſchoͤnes Zeugniß, daß das Mareylj
ein braves Menſch iſt.

Denn da es heimgieng, traf es in allen
Eken Leuthe an, die ihre Koͤpfe zuſam-
menſtieſſen und mit einander Rath hielten;
und nahe bey ſeinem Hauſe einen ganzen Hauf-
fen Kinder, die auch nicht ſo bey einander
ſtuhnden wie Kinder bey einander ſtehen, wenn
ihnen wohl ums Herz iſt: und da es merkte
was es war, ſchuͤttelte es den Kopf, ſah’ ih-
nen ſteif in die Augen, und ſagte da ſie ihn’s
gruͤßten, zu ihnen: habt ihr gut Rath mit
einander? Nicht ſo gar gut, antworteten die
Kinder, und durften ihns faſt nicht anſehen:
ſie waren naͤmlich in Aengſten wegen der Frey-
tagsrechnung; denn der Junker hatte am
Sonntag nach der Mittagspredigt verleſen
laſſen, daß am Donſtag die Gemeindwayd
vertheilt und am Freytag Jedermann der dem
Vogt ſchuldig, mit ihm unter der Linden
rechnen muͤſſe; beyde Punkten machten vielen
Leuthen im Dorf den Kopf groß; aber haupt-
ſaͤchlich der lezte.

Das Mareylj aber war kaum von den Kin-
dern weg, ſo ſagte eines, es ſey doch auch
ſonſt ſo gut, und es thuͤe ihnen vielleicht den

Gefallen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0038" n="16"/>
      <div n="1">
        <head>§. 3.<lb/>
Ein &#x017F;cho&#x0364;nes Zeugniß, daß das Mareylj<lb/>
ein braves Men&#x017F;ch i&#x017F;t.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>enn da es heimgieng, traf es in allen<lb/>
Eken Leuthe an, die ihre Ko&#x0364;pfe zu&#x017F;am-<lb/>
men&#x017F;tie&#x017F;&#x017F;en und mit einander Rath hielten;<lb/>
und nahe bey &#x017F;einem Hau&#x017F;e einen ganzen Hauf-<lb/>
fen Kinder, die auch nicht &#x017F;o bey einander<lb/>
&#x017F;tuhnden wie Kinder bey einander &#x017F;tehen, wenn<lb/>
ihnen wohl ums Herz i&#x017F;t: und da es merkte<lb/>
was es war, &#x017F;chu&#x0364;ttelte es den Kopf, &#x017F;ah&#x2019; ih-<lb/>
nen &#x017F;teif in die Augen, und &#x017F;agte da &#x017F;ie ihn&#x2019;s<lb/>
gru&#x0364;ßten, zu ihnen: habt ihr gut Rath mit<lb/>
einander? Nicht &#x017F;o gar gut, antworteten die<lb/>
Kinder, und durften ihns fa&#x017F;t nicht an&#x017F;ehen:<lb/>
&#x017F;ie waren na&#x0364;mlich in Aeng&#x017F;ten wegen der Frey-<lb/>
tagsrechnung; denn der Junker hatte am<lb/>
Sonntag nach der Mittagspredigt verle&#x017F;en<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, daß am Don&#x017F;tag die Gemeindwayd<lb/>
vertheilt und am Freytag Jedermann der dem<lb/>
Vogt &#x017F;chuldig, mit ihm unter der Linden<lb/>
rechnen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; beyde Punkten machten vielen<lb/>
Leuthen im Dorf den Kopf groß; aber haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich der lezte.</p><lb/>
        <p>Das Mareylj aber war kaum von den Kin-<lb/>
dern weg, &#x017F;o &#x017F;agte eines, es &#x017F;ey doch auch<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o gut, und es thu&#x0364;e ihnen vielleicht den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Gefallen,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0038] §. 3. Ein ſchoͤnes Zeugniß, daß das Mareylj ein braves Menſch iſt. Denn da es heimgieng, traf es in allen Eken Leuthe an, die ihre Koͤpfe zuſam- menſtieſſen und mit einander Rath hielten; und nahe bey ſeinem Hauſe einen ganzen Hauf- fen Kinder, die auch nicht ſo bey einander ſtuhnden wie Kinder bey einander ſtehen, wenn ihnen wohl ums Herz iſt: und da es merkte was es war, ſchuͤttelte es den Kopf, ſah’ ih- nen ſteif in die Augen, und ſagte da ſie ihn’s gruͤßten, zu ihnen: habt ihr gut Rath mit einander? Nicht ſo gar gut, antworteten die Kinder, und durften ihns faſt nicht anſehen: ſie waren naͤmlich in Aengſten wegen der Frey- tagsrechnung; denn der Junker hatte am Sonntag nach der Mittagspredigt verleſen laſſen, daß am Donſtag die Gemeindwayd vertheilt und am Freytag Jedermann der dem Vogt ſchuldig, mit ihm unter der Linden rechnen muͤſſe; beyde Punkten machten vielen Leuthen im Dorf den Kopf groß; aber haupt- ſaͤchlich der lezte. Das Mareylj aber war kaum von den Kin- dern weg, ſo ſagte eines, es ſey doch auch ſonſt ſo gut, und es thuͤe ihnen vielleicht den Gefallen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/38
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/38>, abgerufen am 19.04.2024.