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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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er vor dem Notar, dessen herzliches aufrichtiges
Bewundern und einfältiges Vertrauen ihn mit
süsser Wärme durchzog, ein Bündel seiner Liebes¬
briefe an sich auf, worin er, sein Herz und sein
Stil sehr geschätzet wurde. Der Elsaßer hatte das
Paquet von einem jungen Pariser, an den es ge¬
schrieben war, zum sichern Verschlusse bekommen.

Walt wußte sich so wenig zu lassen vor Bei¬
fallklatschen über den Stil der schönen Schreiberin,
daß der Elsaßer am Ende beinahe selber glaubte,
die Sache sei an ihn geschrieben; aber jener thats
sehr deshalb, um nicht über die Liebe selber viel
zu reden. Da er als ein unerfahrner verschämter
Jüngling noch glaubte, die Empfindungen der
Liebe müßten hinter dem Klostergitter, höchstens
in einem Klostergarten leben. So sagt' er nun
im Allgemeinen: "die Liebe dringt wie Opferrauch,
so zart auch beide sind, doch im dicken Regenwet¬
ter durch die schwere Luft empor" -- wurde aber
ungemein roth. "Surement, sagte der Elsaßer,
die Liebe strebt jeden Tag immer weiter."

Flitte ging noch weiter und zeigte sich seinem

Gaste

er vor dem Notar, deſſen herzliches aufrichtiges
Bewundern und einfaͤltiges Vertrauen ihn mit
ſuͤſſer Waͤrme durchzog, ein Buͤndel ſeiner Liebes¬
briefe an ſich auf, worin er, ſein Herz und ſein
Stil ſehr geſchaͤtzet wurde. Der Elſaßer hatte das
Paquet von einem jungen Pariſer, an den es ge¬
ſchrieben war, zum ſichern Verſchluſſe bekommen.

Walt wußte ſich ſo wenig zu laſſen vor Bei¬
fallklatſchen uͤber den Stil der ſchoͤnen Schreiberin,
daß der Elſaßer am Ende beinahe ſelber glaubte,
die Sache ſei an ihn geſchrieben; aber jener thats
ſehr deshalb, um nicht uͤber die Liebe ſelber viel
zu reden. Da er als ein unerfahrner verſchaͤmter
Juͤngling noch glaubte, die Empfindungen der
Liebe muͤßten hinter dem Kloſtergitter, hoͤchſtens
in einem Kloſtergarten leben. So ſagt' er nun
im Allgemeinen: „die Liebe dringt wie Opferrauch,
ſo zart auch beide ſind, doch im dicken Regenwet¬
ter durch die ſchwere Luft empor” — wurde aber
ungemein roth. „Surement, ſagte der Elſaßer,
die Liebe ſtrebt jeden Tag immer weiter.”

Flitte ging noch weiter und zeigte ſich ſeinem

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[32/0038] er vor dem Notar, deſſen herzliches aufrichtiges Bewundern und einfaͤltiges Vertrauen ihn mit ſuͤſſer Waͤrme durchzog, ein Buͤndel ſeiner Liebes¬ briefe an ſich auf, worin er, ſein Herz und ſein Stil ſehr geſchaͤtzet wurde. Der Elſaßer hatte das Paquet von einem jungen Pariſer, an den es ge¬ ſchrieben war, zum ſichern Verſchluſſe bekommen. Walt wußte ſich ſo wenig zu laſſen vor Bei¬ fallklatſchen uͤber den Stil der ſchoͤnen Schreiberin, daß der Elſaßer am Ende beinahe ſelber glaubte, die Sache ſei an ihn geſchrieben; aber jener thats ſehr deshalb, um nicht uͤber die Liebe ſelber viel zu reden. Da er als ein unerfahrner verſchaͤmter Juͤngling noch glaubte, die Empfindungen der Liebe muͤßten hinter dem Kloſtergitter, hoͤchſtens in einem Kloſtergarten leben. So ſagt' er nun im Allgemeinen: „die Liebe dringt wie Opferrauch, ſo zart auch beide ſind, doch im dicken Regenwet¬ ter durch die ſchwere Luft empor” — wurde aber ungemein roth. „Surement, ſagte der Elſaßer, die Liebe ſtrebt jeden Tag immer weiter.” Flitte ging noch weiter und zeigte ſich ſeinem Gaſte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/38>, abgerufen am 28.03.2024.