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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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ihm ganz einerlei -- so freudig ging sein Puls --
worüber er ein Instrument aufsetzte, ob über die
Verlassenschaft eines Hofpredigers, oder über eine
angebohrte Oel-Tonne, oder über eine Wette:
immer dacht' er an das Haus des Generals, oder
an den Wasserfall, oder an Leipzig und es konnte
ihm gleichgültig seyn, (denn er gab nicht darauf
Acht,) was er niederschrieb als offner kaiserlicher
Notar.

So glänzend-umsponnen vom Nachsommer
des Herzens kam er aus dem September und dem
Notariat endlich in den Oktober hinüber, wo er
vor den Kabelschen Testaments-Exekutoren die
Rechnung über das bisherige Erbamt abzulegen
hatte, vor welcher ihm nicht im geringsten bange
war; denn Wina's Blick hatte in ihm einen so
feurigen Herzschlag entzündet, daß er mit einem
solchen Frühlings-Pulse vermochte, in jeder äus¬
sern Kälte des Schicksals warm zu bleiben.

Sein Vater Lukas hatte ihn neuerlich in
mehreren Kopien von Brief-Originalen (die der
Schulze behielt, weil im Briefschreiben das Ori¬
ginal das schlechtere ist) seine Angst vor dem No¬

ihm ganz einerlei — ſo freudig ging ſein Puls —
woruͤber er ein Inſtrument aufſetzte, ob uͤber die
Verlaſſenſchaft eines Hofpredigers, oder uͤber eine
angebohrte Oel-Tonne, oder uͤber eine Wette:
immer dacht' er an das Haus des Generals, oder
an den Waſſerfall, oder an Leipzig und es konnte
ihm gleichguͤltig ſeyn, (denn er gab nicht darauf
Acht,) was er niederſchrieb als offner kaiſerlicher
Notar.

So glaͤnzend-umſponnen vom Nachſommer
des Herzens kam er aus dem September und dem
Notariat endlich in den Oktober hinuͤber, wo er
vor den Kabelſchen Teſtaments-Exekutoren die
Rechnung uͤber das bisherige Erbamt abzulegen
hatte, vor welcher ihm nicht im geringſten bange
war; denn Wina's Blick hatte in ihm einen ſo
feurigen Herzſchlag entzuͤndet, daß er mit einem
ſolchen Fruͤhlings-Pulſe vermochte, in jeder aͤuſ¬
ſern Kaͤlte des Schickſals warm zu bleiben.

Sein Vater Lukas hatte ihn neuerlich in
mehreren Kopien von Brief-Originalen (die der
Schulze behielt, weil im Briefſchreiben das Ori¬
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[15/0021] ihm ganz einerlei — ſo freudig ging ſein Puls — woruͤber er ein Inſtrument aufſetzte, ob uͤber die Verlaſſenſchaft eines Hofpredigers, oder uͤber eine angebohrte Oel-Tonne, oder uͤber eine Wette: immer dacht' er an das Haus des Generals, oder an den Waſſerfall, oder an Leipzig und es konnte ihm gleichguͤltig ſeyn, (denn er gab nicht darauf Acht,) was er niederſchrieb als offner kaiſerlicher Notar. So glaͤnzend-umſponnen vom Nachſommer des Herzens kam er aus dem September und dem Notariat endlich in den Oktober hinuͤber, wo er vor den Kabelſchen Teſtaments-Exekutoren die Rechnung uͤber das bisherige Erbamt abzulegen hatte, vor welcher ihm nicht im geringſten bange war; denn Wina's Blick hatte in ihm einen ſo feurigen Herzſchlag entzuͤndet, daß er mit einem ſolchen Fruͤhlings-Pulſe vermochte, in jeder aͤuſ¬ ſern Kaͤlte des Schickſals warm zu bleiben. Sein Vater Lukas hatte ihn neuerlich in mehreren Kopien von Brief-Originalen (die der Schulze behielt, weil im Briefſchreiben das Ori¬ ginal das ſchlechtere iſt) ſeine Angſt vor dem No¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/21>, abgerufen am 23.04.2024.