Er versang sich immer tiefer in sein Herz -- Zeit und Welt verschwand -- er spielte wie eine sterbende Ephemere süß in den hellern Strahlen des Mondes und unter Mondsstäubchen --: da kam Vult heiter zurück und brachte die Nachricht, Wina sei angekommen, deckte aber sogleich deren Werth für ihn selber durch eine zweite lustige zu (und lachte stark) "daß er nämlich, sagt' er, im Vorbeigehen zu seinem Schuster gegangen, um ihn zu fragen, ob er denn seit 14 Tagen keinen 15ten gefunden, um die Rehabilitirung, Palin¬ genesie, Petersensche Wiederbringung seiner Stiefel (so drücke mancher leider ihr Besohlen aus) zu vol¬ lenden; er habe ihn aber nicht eher als auf dem Rückwege gefunden, wo er auffallend ihm immer rechts in die Schattenseite ausgebogen; -- bis er nach langem Predigen gesehen, daß der Mann die Stiefel, welche der Bußtext der Kasualrede waren, an den Beinen bei sich habe, und herumtrage, um sie erst noch etwas abzutreten, bevor er sie flicke." "War dieser Spaß, der noch dazu voll Anspielungen steckt, nicht so viel werth als das beste Paar Stiefel selber?" -- "Ist er denn so
Er verſang ſich immer tiefer in ſein Herz — Zeit und Welt verſchwand — er ſpielte wie eine ſterbende Ephemere ſuͤß in den hellern Strahlen des Mondes und unter Mondsſtaͤubchen —: da kam Vult heiter zuruͤck und brachte die Nachricht, Wina ſei angekommen, deckte aber ſogleich deren Werth fuͤr ihn ſelber durch eine zweite luſtige zu (und lachte ſtark) „daß er naͤmlich, ſagt' er, im Vorbeigehen zu ſeinem Schuſter gegangen, um ihn zu fragen, ob er denn ſeit 14 Tagen keinen 15ten gefunden, um die Rehabilitirung, Palin¬ geneſie, Peterſenſche Wiederbringung ſeiner Stiefel (ſo druͤcke mancher leider ihr Beſohlen aus) zu vol¬ lenden; er habe ihn aber nicht eher als auf dem Ruͤckwege gefunden, wo er auffallend ihm immer rechts in die Schattenſeite ausgebogen; — bis er nach langem Predigen geſehen, daß der Mann die Stiefel, welche der Bußtext der Kaſualrede waren, an den Beinen bei ſich habe, und herumtrage, um ſie erſt noch etwas abzutreten, bevor er ſie flicke.“ „War dieſer Spaß, der noch dazu voll Anſpielungen ſteckt, nicht ſo viel werth als das beſte Paar Stiefel ſelber?“ — „Iſt er denn ſo
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0170"n="164"/><p>Er verſang ſich immer tiefer in ſein Herz —<lb/>
Zeit und Welt verſchwand — er ſpielte wie eine<lb/>ſterbende Ephemere ſuͤß in den hellern Strahlen<lb/>
des Mondes und unter Mondsſtaͤubchen —: da<lb/>
kam Vult heiter zuruͤck und brachte die Nachricht,<lb/>
Wina ſei angekommen, deckte aber ſogleich deren<lb/>
Werth fuͤr ihn ſelber durch eine zweite luſtige zu<lb/>
(und lachte ſtark) „daß er naͤmlich, ſagt' er, im<lb/>
Vorbeigehen zu ſeinem Schuſter gegangen, um<lb/>
ihn zu fragen, ob er denn ſeit 14 Tagen keinen<lb/>
15ten gefunden, um die Rehabilitirung, Palin¬<lb/>
geneſie, Peterſenſche Wiederbringung ſeiner Stiefel<lb/>
(ſo druͤcke mancher leider ihr Beſohlen aus) zu vol¬<lb/>
lenden; er habe ihn aber nicht eher als auf dem<lb/>
Ruͤckwege gefunden, wo er auffallend ihm immer<lb/>
rechts in die Schattenſeite ausgebogen; — bis er<lb/>
nach langem Predigen geſehen, daß der Mann die<lb/>
Stiefel, welche der Bußtext der Kaſualrede waren,<lb/>
an den Beinen bei ſich habe, und herumtrage,<lb/>
um ſie erſt noch etwas abzutreten, bevor er ſie<lb/>
flicke.“„War dieſer Spaß, der noch dazu voll<lb/>
Anſpielungen ſteckt, nicht ſo viel werth als das<lb/>
beſte Paar Stiefel ſelber?“—„Iſt er denn ſo<lb/></p></div></body></text></TEI>
[164/0170]
Er verſang ſich immer tiefer in ſein Herz —
Zeit und Welt verſchwand — er ſpielte wie eine
ſterbende Ephemere ſuͤß in den hellern Strahlen
des Mondes und unter Mondsſtaͤubchen —: da
kam Vult heiter zuruͤck und brachte die Nachricht,
Wina ſei angekommen, deckte aber ſogleich deren
Werth fuͤr ihn ſelber durch eine zweite luſtige zu
(und lachte ſtark) „daß er naͤmlich, ſagt' er, im
Vorbeigehen zu ſeinem Schuſter gegangen, um
ihn zu fragen, ob er denn ſeit 14 Tagen keinen
15ten gefunden, um die Rehabilitirung, Palin¬
geneſie, Peterſenſche Wiederbringung ſeiner Stiefel
(ſo druͤcke mancher leider ihr Beſohlen aus) zu vol¬
lenden; er habe ihn aber nicht eher als auf dem
Ruͤckwege gefunden, wo er auffallend ihm immer
rechts in die Schattenſeite ausgebogen; — bis er
nach langem Predigen geſehen, daß der Mann die
Stiefel, welche der Bußtext der Kaſualrede waren,
an den Beinen bei ſich habe, und herumtrage,
um ſie erſt noch etwas abzutreten, bevor er ſie
flicke.“ „War dieſer Spaß, der noch dazu voll
Anſpielungen ſteckt, nicht ſo viel werth als das
beſte Paar Stiefel ſelber?“ — „Iſt er denn ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/170>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.