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Wiener Zeitung. Nr. 302. [Wien], 19. Dezember 1850.

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[Beginn Spaltensatz] Nähe des fraglichen Wandnagels, wo der Rock des Lei-
ter
hing, sich aufgehalten zu haben.

Von jenem Jsraeliten, der ihm angeblich die Pfeife
verkauft und mit dem er hierum 1 / 4 Stunde gehandelt
hat, weiß er gar nichts anzugeben, als daß dieser etwas
größer gewesen sei, als er. Jn eine nähere Beschreibung
ließ er sich nicht ein.

Eben so wenig erklärte er jenen ihm unbekannten Bur-
schen beschreiben zu können, mit dem er sich "bei 2 Stun-
den in dem Kaffeehause aufgehalten hat."

Von dem Kaufe der Pfeife habe er Niemanden etwas
gesagt, nicht einmal den vertrautesten Personen; noch viel
weniger habe er sie Jemand Anderem gezeigt, als dem
T. dem er sie verkaufte.

Die Pfeife habe er blos deshalb gekauft und zu diesem
Ankaufe sein letztes Geld, den Erlös von seinem letzten
Rocke, verwendet, um bei dem Wiederverkaufe der Pfeife
"etwas zu profitiren."

T. bestätigt, daß der Angeklagte schon durch 6 Wochen
ohne alle Geldmittel war und Letzterer konnte sich auf
Niemanden berufen, welcher hätte bestätigen können, daß
er den fraglichen Rock "versetzt" habe und so zu Geld
gekommen sei. Auch wisse er nicht, wo und an wen er den
Rock versetzt habe.

Alle diese Verdachtsgründe wurden ihm vorgehalten und
doch blieb er bei der Versicherung seiner Unschuld zumal
aus der Verhandlung fast eben so viele und nicht unge-
wichtige Entlastungsgründe resultirten, die er bei seiner
gewandten Vertheidigung wohl zu benützen verstand.

Es liegt nämlich constatirt vor, daß er noch nie gericht-
lich beanständet wurde, ein unbescholtenes Vorleben für
sich hat, sein letztes Dienstzeugniß sehr günstig lautet,
er vordem beim k. k. Militär treu, redlich und tapfer ge-
dient hat, im letzten Dienstorte sich monatlich bei 30 fl.
C. M. erspart, mit Jnbegriff der Caution von 100 fl.
C. M., von dort her 240 fl. C. M. mitgenommen hat,
nie einen halbwegs bedenklichen Aufwand in Kost, Klei-
dern u. dgl. machte, täglich vor der Sperrstunde -- stets
nüchtern -- nach Hause kam, nie im Verkehre mit be-
denklichen Personen gesehen wurde; daß er durch Ver-
kauf oder Verpfändung mehrerer ihm gehörigen Effec-
ten von Zeit zu Zeit seine Unterhaltsmittel auffrischte;
Keiner von seinen Bekannten je etwas Nachtheiliges
von ihm erfuhr; weder Leiter noch der sogenannte
Zahlmarqueur im Negerle'schen Kaffeehause hatten ihn
in der Nähe der Pfeife gesehen, Keiner von Beiden
konnte ihn daher des Diebstahls mit Bestimmtheit be-
schuldigen; endlich wurde zugegeben, daß mehrere fremde
Menschen um das Billard, in dessen Nähe der Rock hing,
standen, von denen leicht ein Anderer, als der Ange-
klagte, den Diebstahl -- mit oder ohne vorläufigem
Einverständnisse desselben -- hätte verüben können; wie
auch, daß dessen Vormann T. aus dem bisherigen
Wohnorte plötzlich verschwunden sei und sich dadurch be-
denklich gemacht habe.

Trotz des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Schul-
digerklärung wurde der Angeklagte in Erwägung und
Entgegenhaltung der erhobenen Entlastungs= mit den
Belastungsumständen von der Anklage freigesprochen, da
der Herr Vorsitzende erklärte, er habe sich zwar nicht von
der Schuldlosigkeit überzeugt, aber eben so wenig von der
Schuld des Angeklagten die volle moralische und recht-
liche Ueberzeugung gewinnen können.

Weiters wurde die 21jährige Dienstmagd Theresia R.
in geheimer Sitzung wegen eines Unzuchtsactes an einem
9jährigen Kinde zu strengem Arreste von zwei Monaten;
dann die sogenannte Handarbeiterin Anna W., 22 J.
alt, wegen wiederholter verbothener Rückkehr nach öffent-
licher Verhandlung zu strengem einmonatlichen Arreste
und der Pferdeknecht Johann P., welcher einen bespann-
ten Wagen aufsichtslos hatte stehen lassen, worauf die
Pferde ausrißen und ein Wagenpferd mit der Deichsel
so zu Boden rannten, daß es bald darauf verendete, zu
14tägigem Arreste verurtheilt.

-- Vor die Schranken des Bezirks=Collegialgerichtes
wurde am 17ten zuerst der des Diebstahls angeklagte
25jährige Ernst W. vorgeführt.

Derselbe gehört sowohl nach seinem Aussehen als nach
seinem Benehmen zu den gebildeten Classen; es ist deutlich
zu bemerken, wie tief ihn das Gefühl, als Verbrecher vor
dem Publikum zu erscheinen, ergreift; er beantwortet
alle an ihn gestellten Fragen mit leiser Stimme in gewähl-
ter Mundart und gesteht seine That reumüthig ein.

Er war zuletzt bei dem Herrn Grafen St..... in Gratz
Erzieher und kam Ende September hieher nach Wien, fand
jedoch keine Anstellung. Hier traf er denn einen Herrn Franz
L., den er von Gratz aus kannte. W. ersuchte den L.
um Nachtquartier, da er ( W. ) keinen Hausschlüssel habe,
und ihm bei spätem Nachhausekommen schwerlich geöff-
net werden dürfte. L. willigte ein und gewährte auch
[Spaltenumbruch] zwei weitere Nächte dem W. auf dessen Ansuchen ein
Nachtlager. Bei dieser Gelegenheit bemerkte nun W.,
daß der Schlüssel der Wohnung immer bei der Haus-
meisterin aufbewahrt würde, auch hörte er, daß L.
jeden Samstag auf das Land gehe, wo sich seine Fa-
milie befinde. Am 28. September ging nun W. zu der
Hausmeisterin und verlangte von ihr den Zimmerschlüs-
sel, vorschützend, L. habe ihm die Bewilligung gege-
ben hier zu schlafen. Er erhielt den Schlüssel nach
einiger Weigerung, schlief diese Nacht oben, fand dort
einen Schlüssel, der ebenfalls das Quartier aufschloß,
nahm ihn mit und gab den alten Schlüssel der Haus-
meisterin wieder zurück. Am Abend dieses Tages ging
er wieder hinauf, öffnete mit dem gefundenen Schlüssel
und das Stubenmädchen war nicht wenig erstaunt, als
sie des andern Tages in das Zimmer trat, um aufzu-
räumen und W. darin erblickte. Dieser gab jedoch an,
er habe den Schlüssel von Herrn L. erhalten.

Einige Tage nach seiner Zurückkunft bemerkte L., daß
ihm aus diesem Zimmer ein Winterrock, ein Quäcker und
eine seidene Cravate im Werthe von 26, 20 und 1 fl.
C. M. fehlten. Er faßte sogleich den Verdacht gegen W.,
suchte ihn auf und stellte ihn zur Rede. W. gestand den
Diebstahl und bat den L., ihn nicht dem Gerichte zu
überliefern. L. ging darauf ein, unter der Bedingung,
daß ihm die entwendeten Sachen zurückgestellt würden.
Da die Zurückstellung nicht erfolgte, so veranlaßte L. die
Arretirung des W.

Dieser gibt heute an, er habe, als er an jenem Abende in
das Zimmer hinauf ging, bloß ein Obdach für die Nacht
gesucht und erst am andern Morgen sei der unglückselige
Entschluß in ihm erwacht, diese Effecten sich zuzueignen,
und zwar in der Art, daß er dieselben für sich behalten
und seine eigene Kleidung verkaufen wollte, weil er sich
in Noth befunden. Er habe jedoch später den Quäcker
an einen Juden mit der ausdrücklichen Bedingung ver-
setzt, an einem bestimmten Tage an einen Ort zu kom-
men, wo er sich denselben auslösen werde. Der Rock
kann dem Beschädigten zurückgestellt werden.

Der Staatsanwalt, Moriz Nitter v. Schmerling,
verlangt nun in Erwägung, daß von den erschwerenden
Umständen, der reifen Ueberlegung und dem hohen Bil-
dungsgrad, die mildernden, wozu er das offene Geständ-
niß, den früheren tadellosen Lebenswandel des Angeklag-
ten rechnet, aufgewogen werden, die Bestrafung dessel-
ben mit dem Minimum der gesetzlichen Strafe von 6mo-
natlichem schweren Kerker.

Der Gerichtshof jedoch hält dafür, daß in Berücksich-
tigung weiterer Milderungsumstände, der längeren Unter-
suchungshaft, des Umstandes, daß der Schaden theilweise
gut gemacht wurde, besonders aber deßwegen, weil der
in der Voruntersuchung so wie der heutigen Verhand-
lung bewiesene Charakter des Angeklagten eine volle Besse-
rung mit Grund erwarten lasse, die Anwendung des §. 48
für gerechtfertigt und verurtheilt W. zu dreimonatlichem
Kerker und dem Ersatze des Schadens.

-- Eine zweite im Bezirks=Collegialgerichte verhan-
delte Anklage wegen Diebstahls betraf den Franz W.

Derselbe ist 41 Jahre alt und seit 10 Jahren verheirathet.
Vor dem Jahre 1839, wo er als Hilfsarbeiter in das
Münzamt kam, war er bei mehreren Herren im Dienst,
welche ihm durchgehends ein gutes Zeugniß über seine Ver-
wendbarkeit und Rechtlichkeit, so wie über seinen Fleiß und
gutes Betragen gaben. 1843 wurde er im Münzamte, da er
sich treu und redlich verhielt, als stabiler Arbeiter angestellt,
und bekam sogar daselbst eine Beschäftigung, zu welcher
nur erprobte Leute, in die man Vertrauen setzt, bestimmt
werden. Während der Zeit bis September dieses Jahres,
wo er dort in Dienst stand, verhielt er sich nach dem Zeug-
nisse sowohl des Herrn Regierungsrathes Hassenbauer,
der bei der heutigen Verhandlung als Vertreter des Aerars
erscheint, so wie nach der Aussage des Werkmeisters, mit
Ausnahme einer einmal vorgekommenen Trunkenheit zur
vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten.

Am Abende eines der letzten Tage des Septembers d. J.
zur Zeit der Feierstunde bemerkte ein anderer Geselle, wie
W., während die Andern mit Händewaschen beschäftigt wa-
ren, ein kleines Päckchen in die Tasche des an der Wand
hängenden Rockes steckte. Dadurch aufmerksam geworden,
näherte sich der Geselle unbemerkt dem Rocke und griff an
die Tasche, wobei er fühlte, daß in jenem Päckchen Silber-
späne sich befanden. Eingedenk seiner Pflicht, machte er dem
Werkmeister sogleich die Anzeige, und dieser ließ nun bei der
Revue, die alle Arbeiter des Münzhauses vor ihrem Weg-
gehen zu passiren haben, den W. in ein Cabinet eintreten
und forderte ihn auf, das, was er unrechtmäßig besitze, her-
zugeben. Dieser zog sogleich das Packet aus der Tasche,
und legte, als er hierauf zum Herrn Regierungsrath
Hassenbauer geführt wurde, ein aufrichtiges Ge-
ständniß ab, welches um so mehr zu würdigen ist, da
[Spaltenumbruch] nach der Aussage der Regierungsrathes eine Controle,
wie sie in den andern Theilen des Münzamtes streng ge-
handhabt wird, bei jener Arbeit, bei welcher W. ver-
wendet wurde, unmöglich genau bewerkstelligt werden
kann. Da nämlich dieser Aussage zu Folge dort das Sil-
ber beim Hobeln durch Zusatz von Oehl und Ansetzung
von Schmutz an Gewicht gewinnt, und da dieser
Zusatz nicht genau bestimmt werden kann, so ist ein klei-
ner Abgang bei einer Masse von 600 Mark nicht zu
bemerken.

Er gestand, daß er bereits 10 Mal solche Diebstähle
vollführt habe, indem er aus der Wanne, in der sich
die Silberspäne befinden, jedes Mal bei 8 Loth ge-
nommen. Das Silber hat er nach seiner Aussage an
den Broncearbeiter Johann St., den er seit zwei Jahren
kennt, jedes Mal für 1 fl. verkauft, dieser kann sich
jedoch nur auf zwei Verkäufe erinnern, er gesteht zu,
bemerkt zu haben, daß das Silber aus keiner guten Quelle
gekommen sei, gibt jedoch im Widerspruch mit dem An-
geklagten an, daß es nur 4 Loth waren, die er auf ein
Mal empfing und dann an einen Juden verkaufte. Auch
die Frau des St. wußte, daß das Silber kein rechtmä-
ßiges Gut sei, obwohl sie sich an dem Kaufe selbst nicht
betheiligte.

Zu bemerken ist noch, daß sich bei W. in der Vorun-
tersuchung noch ein zweites Packet fand, welches 16 Loth
dieser Silberspäne enthält.

Herr Regierungsrath Hassenbauer gibt den Werth
eines Lothes dieser Späne auf38 3 / 4 kr. an, da nun
die Gesammtmenge des gestohlenen Silbers 104 Loth
ausmacht, so beträgt der zugefügte Schade 67 fl. 10 kr.,
dessen Ersatz Hr. Hassenbauer im Namen des Aerats
verlangt.

Der Staatsanwalt Dr. List faßt die erschwerenden
und mildernden Umstände zusammen, und glaubt, daß
die erstern von den letzteren bedeutend überwogen wer-
den, er hält jedoch außer dem §. 48 St. G. B. I. auch
den §. 49 bei dem Angeklagten für vollkommen anwend-
bar und trägt daher auf Schuldigerklärung des W. we-
gen des Verbrechens des Diebstahls ( nach §. 151, 153,
156 II. lit. 6 St. G. B. 1. Th. ) und auf Bestrafung
mit 3monatlichem schwerem Kerker verschärft durch zwei-
maliges Fasten in jedem Monat an.

Jn Betreff der Eheleute R. trägt er an auf Schuldig-
erklärung der der Diebstahlstheilnahme ( nach §. 165, 214
und 215, St. G. B. 2. Th. ) sohin auf 6tägigen stren-
gen mit einem Fasttage verschärften Arrest gegen Johann
St., und auf 3tägigen einfachen, ebenfalls mit einem
Fasttag verschärften Arrest gegen Anna St.

Der Vertheidiger des Angeklagten W., Herr Dr.
Wehli greift in seiner Vertheidigung vorzüglich die
Anwendung der §. 153 und 156 auf den Angeklagten
W. an.

Nachdem noch Staatsanwalt und Vertheidiger gespro-
chen, fällt das Gericht das Urtheil nach dem Antrage
des Staatsanwaltes.



Das Schwurgericht in Brünn hat über den Habro-
waner Fleischhauer und Wirthshauspächter das " Schul-
dig " einstimmig ausgesprochen, und zwar schuldig des
Meuchelmordes an seinem Weibe und dreien Kindern, ob-
wohl die Vertheidigung heraushob, daß das eine Kind
nur zufällig erschlagen worden sei, da der tödtliche Streich
eigentlich der Mutter gegolten habe. Da der Verbrecher
jedoch wiederholt angab, daß er mehrere Tage vor be-
gangener That den festen Entschluß gefaßt habe, Weib
und Kind, alles was ihm angehöre zu tödten, so konnte,
wie die "Brüner Ztg." bemerkt, das Verdict nicht an-
ders lauten, als es wirklich lautet.

Der sechste abgeurtheilte Fall betrifft einen Todtschlag,
der mit der Strafe von einem Jahr schweren Kerkers
entschieden wurde.

Als siebenter Angeklagter stand ein 21 Jahre alter, in
größter Dürftigkeit lebender Bauernbursche vor dem
Schwurgerichte, der an Körper und Geist höchst ver-
nachlässigt, mit dem größten Ungeschicke zwei Sechskreu-
zer=Münzscheine verfertigt und ausgegeben hatte, um mit
dem Erlöse derselben seinen Hunger zu stillen. Obwohl
die Vertheidigung, sagt die Brünn. Ztg.", den Umstand
bemerklich machte, daß bei der höchsten Mangelhaftigkeit
des Corpus delicti weder Nachmachung noch Nachahmung
des Papiergeldes in Wirklichkeit vorliege, sondern nur
einfacher Betrug, wurde der Angeklagte doch der Falsch-
münzerei von der Jury schuldig erklärt und zu 3 Jahren
schweren Kerker verurtheilt. Weil jedoch die Staatsan-
waltschaft selbst erkannte, daß nicht ein einziger erschwe-
render Umstand vorliege und viele Milderungsgründe vor-
handen seien, so wird der Vertheidiger, von der Staats-
anwaltschaft unterstützt, ein Gnadengesuch bei Sr. Ma-
jestät einbringen.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur: Dr. Leopold Schweitzer. -- Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

[Beginn Spaltensatz] Nähe des fraglichen Wandnagels, wo der Rock des Lei-
ter
hing, sich aufgehalten zu haben.

Von jenem Jsraeliten, der ihm angeblich die Pfeife
verkauft und mit dem er hierum 1 / 4 Stunde gehandelt
hat, weiß er gar nichts anzugeben, als daß dieser etwas
größer gewesen sei, als er. Jn eine nähere Beschreibung
ließ er sich nicht ein.

Eben so wenig erklärte er jenen ihm unbekannten Bur-
schen beschreiben zu können, mit dem er sich „bei 2 Stun-
den in dem Kaffeehause aufgehalten hat.“

Von dem Kaufe der Pfeife habe er Niemanden etwas
gesagt, nicht einmal den vertrautesten Personen; noch viel
weniger habe er sie Jemand Anderem gezeigt, als dem
T. dem er sie verkaufte.

Die Pfeife habe er blos deshalb gekauft und zu diesem
Ankaufe sein letztes Geld, den Erlös von seinem letzten
Rocke, verwendet, um bei dem Wiederverkaufe der Pfeife
„etwas zu profitiren.“

T. bestätigt, daß der Angeklagte schon durch 6 Wochen
ohne alle Geldmittel war und Letzterer konnte sich auf
Niemanden berufen, welcher hätte bestätigen können, daß
er den fraglichen Rock „versetzt“ habe und so zu Geld
gekommen sei. Auch wisse er nicht, wo und an wen er den
Rock versetzt habe.

Alle diese Verdachtsgründe wurden ihm vorgehalten und
doch blieb er bei der Versicherung seiner Unschuld zumal
aus der Verhandlung fast eben so viele und nicht unge-
wichtige Entlastungsgründe resultirten, die er bei seiner
gewandten Vertheidigung wohl zu benützen verstand.

Es liegt nämlich constatirt vor, daß er noch nie gericht-
lich beanständet wurde, ein unbescholtenes Vorleben für
sich hat, sein letztes Dienstzeugniß sehr günstig lautet,
er vordem beim k. k. Militär treu, redlich und tapfer ge-
dient hat, im letzten Dienstorte sich monatlich bei 30 fl.
C. M. erspart, mit Jnbegriff der Caution von 100 fl.
C. M., von dort her 240 fl. C. M. mitgenommen hat,
nie einen halbwegs bedenklichen Aufwand in Kost, Klei-
dern u. dgl. machte, täglich vor der Sperrstunde — stets
nüchtern — nach Hause kam, nie im Verkehre mit be-
denklichen Personen gesehen wurde; daß er durch Ver-
kauf oder Verpfändung mehrerer ihm gehörigen Effec-
ten von Zeit zu Zeit seine Unterhaltsmittel auffrischte;
Keiner von seinen Bekannten je etwas Nachtheiliges
von ihm erfuhr; weder Leiter noch der sogenannte
Zahlmarqueur im Negerle'schen Kaffeehause hatten ihn
in der Nähe der Pfeife gesehen, Keiner von Beiden
konnte ihn daher des Diebstahls mit Bestimmtheit be-
schuldigen; endlich wurde zugegeben, daß mehrere fremde
Menschen um das Billard, in dessen Nähe der Rock hing,
standen, von denen leicht ein Anderer, als der Ange-
klagte, den Diebstahl — mit oder ohne vorläufigem
Einverständnisse desselben — hätte verüben können; wie
auch, daß dessen Vormann T. aus dem bisherigen
Wohnorte plötzlich verschwunden sei und sich dadurch be-
denklich gemacht habe.

Trotz des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Schul-
digerklärung wurde der Angeklagte in Erwägung und
Entgegenhaltung der erhobenen Entlastungs= mit den
Belastungsumständen von der Anklage freigesprochen, da
der Herr Vorsitzende erklärte, er habe sich zwar nicht von
der Schuldlosigkeit überzeugt, aber eben so wenig von der
Schuld des Angeklagten die volle moralische und recht-
liche Ueberzeugung gewinnen können.

Weiters wurde die 21jährige Dienstmagd Theresia R.
in geheimer Sitzung wegen eines Unzuchtsactes an einem
9jährigen Kinde zu strengem Arreste von zwei Monaten;
dann die sogenannte Handarbeiterin Anna W., 22 J.
alt, wegen wiederholter verbothener Rückkehr nach öffent-
licher Verhandlung zu strengem einmonatlichen Arreste
und der Pferdeknecht Johann P., welcher einen bespann-
ten Wagen aufsichtslos hatte stehen lassen, worauf die
Pferde ausrißen und ein Wagenpferd mit der Deichsel
so zu Boden rannten, daß es bald darauf verendete, zu
14tägigem Arreste verurtheilt.

— Vor die Schranken des Bezirks=Collegialgerichtes
wurde am 17ten zuerst der des Diebstahls angeklagte
25jährige Ernst W. vorgeführt.

Derselbe gehört sowohl nach seinem Aussehen als nach
seinem Benehmen zu den gebildeten Classen; es ist deutlich
zu bemerken, wie tief ihn das Gefühl, als Verbrecher vor
dem Publikum zu erscheinen, ergreift; er beantwortet
alle an ihn gestellten Fragen mit leiser Stimme in gewähl-
ter Mundart und gesteht seine That reumüthig ein.

Er war zuletzt bei dem Herrn Grafen St..... in Gratz
Erzieher und kam Ende September hieher nach Wien, fand
jedoch keine Anstellung. Hier traf er denn einen Herrn Franz
L., den er von Gratz aus kannte. W. ersuchte den L.
um Nachtquartier, da er ( W. ) keinen Hausschlüssel habe,
und ihm bei spätem Nachhausekommen schwerlich geöff-
net werden dürfte. L. willigte ein und gewährte auch
[Spaltenumbruch] zwei weitere Nächte dem W. auf dessen Ansuchen ein
Nachtlager. Bei dieser Gelegenheit bemerkte nun W.,
daß der Schlüssel der Wohnung immer bei der Haus-
meisterin aufbewahrt würde, auch hörte er, daß L.
jeden Samstag auf das Land gehe, wo sich seine Fa-
milie befinde. Am 28. September ging nun W. zu der
Hausmeisterin und verlangte von ihr den Zimmerschlüs-
sel, vorschützend, L. habe ihm die Bewilligung gege-
ben hier zu schlafen. Er erhielt den Schlüssel nach
einiger Weigerung, schlief diese Nacht oben, fand dort
einen Schlüssel, der ebenfalls das Quartier aufschloß,
nahm ihn mit und gab den alten Schlüssel der Haus-
meisterin wieder zurück. Am Abend dieses Tages ging
er wieder hinauf, öffnete mit dem gefundenen Schlüssel
und das Stubenmädchen war nicht wenig erstaunt, als
sie des andern Tages in das Zimmer trat, um aufzu-
räumen und W. darin erblickte. Dieser gab jedoch an,
er habe den Schlüssel von Herrn L. erhalten.

Einige Tage nach seiner Zurückkunft bemerkte L., daß
ihm aus diesem Zimmer ein Winterrock, ein Quäcker und
eine seidene Cravate im Werthe von 26, 20 und 1 fl.
C. M. fehlten. Er faßte sogleich den Verdacht gegen W.,
suchte ihn auf und stellte ihn zur Rede. W. gestand den
Diebstahl und bat den L., ihn nicht dem Gerichte zu
überliefern. L. ging darauf ein, unter der Bedingung,
daß ihm die entwendeten Sachen zurückgestellt würden.
Da die Zurückstellung nicht erfolgte, so veranlaßte L. die
Arretirung des W.

Dieser gibt heute an, er habe, als er an jenem Abende in
das Zimmer hinauf ging, bloß ein Obdach für die Nacht
gesucht und erst am andern Morgen sei der unglückselige
Entschluß in ihm erwacht, diese Effecten sich zuzueignen,
und zwar in der Art, daß er dieselben für sich behalten
und seine eigene Kleidung verkaufen wollte, weil er sich
in Noth befunden. Er habe jedoch später den Quäcker
an einen Juden mit der ausdrücklichen Bedingung ver-
setzt, an einem bestimmten Tage an einen Ort zu kom-
men, wo er sich denselben auslösen werde. Der Rock
kann dem Beschädigten zurückgestellt werden.

Der Staatsanwalt, Moriz Nitter v. Schmerling,
verlangt nun in Erwägung, daß von den erschwerenden
Umständen, der reifen Ueberlegung und dem hohen Bil-
dungsgrad, die mildernden, wozu er das offene Geständ-
niß, den früheren tadellosen Lebenswandel des Angeklag-
ten rechnet, aufgewogen werden, die Bestrafung dessel-
ben mit dem Minimum der gesetzlichen Strafe von 6mo-
natlichem schweren Kerker.

Der Gerichtshof jedoch hält dafür, daß in Berücksich-
tigung weiterer Milderungsumstände, der längeren Unter-
suchungshaft, des Umstandes, daß der Schaden theilweise
gut gemacht wurde, besonders aber deßwegen, weil der
in der Voruntersuchung so wie der heutigen Verhand-
lung bewiesene Charakter des Angeklagten eine volle Besse-
rung mit Grund erwarten lasse, die Anwendung des §. 48
für gerechtfertigt und verurtheilt W. zu dreimonatlichem
Kerker und dem Ersatze des Schadens.

— Eine zweite im Bezirks=Collegialgerichte verhan-
delte Anklage wegen Diebstahls betraf den Franz W.

Derselbe ist 41 Jahre alt und seit 10 Jahren verheirathet.
Vor dem Jahre 1839, wo er als Hilfsarbeiter in das
Münzamt kam, war er bei mehreren Herren im Dienst,
welche ihm durchgehends ein gutes Zeugniß über seine Ver-
wendbarkeit und Rechtlichkeit, so wie über seinen Fleiß und
gutes Betragen gaben. 1843 wurde er im Münzamte, da er
sich treu und redlich verhielt, als stabiler Arbeiter angestellt,
und bekam sogar daselbst eine Beschäftigung, zu welcher
nur erprobte Leute, in die man Vertrauen setzt, bestimmt
werden. Während der Zeit bis September dieses Jahres,
wo er dort in Dienst stand, verhielt er sich nach dem Zeug-
nisse sowohl des Herrn Regierungsrathes Hassenbauer,
der bei der heutigen Verhandlung als Vertreter des Aerars
erscheint, so wie nach der Aussage des Werkmeisters, mit
Ausnahme einer einmal vorgekommenen Trunkenheit zur
vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten.

Am Abende eines der letzten Tage des Septembers d. J.
zur Zeit der Feierstunde bemerkte ein anderer Geselle, wie
W., während die Andern mit Händewaschen beschäftigt wa-
ren, ein kleines Päckchen in die Tasche des an der Wand
hängenden Rockes steckte. Dadurch aufmerksam geworden,
näherte sich der Geselle unbemerkt dem Rocke und griff an
die Tasche, wobei er fühlte, daß in jenem Päckchen Silber-
späne sich befanden. Eingedenk seiner Pflicht, machte er dem
Werkmeister sogleich die Anzeige, und dieser ließ nun bei der
Revue, die alle Arbeiter des Münzhauses vor ihrem Weg-
gehen zu passiren haben, den W. in ein Cabinet eintreten
und forderte ihn auf, das, was er unrechtmäßig besitze, her-
zugeben. Dieser zog sogleich das Packet aus der Tasche,
und legte, als er hierauf zum Herrn Regierungsrath
Hassenbauer geführt wurde, ein aufrichtiges Ge-
ständniß ab, welches um so mehr zu würdigen ist, da
[Spaltenumbruch] nach der Aussage der Regierungsrathes eine Controle,
wie sie in den andern Theilen des Münzamtes streng ge-
handhabt wird, bei jener Arbeit, bei welcher W. ver-
wendet wurde, unmöglich genau bewerkstelligt werden
kann. Da nämlich dieser Aussage zu Folge dort das Sil-
ber beim Hobeln durch Zusatz von Oehl und Ansetzung
von Schmutz an Gewicht gewinnt, und da dieser
Zusatz nicht genau bestimmt werden kann, so ist ein klei-
ner Abgang bei einer Masse von 600 Mark nicht zu
bemerken.

Er gestand, daß er bereits 10 Mal solche Diebstähle
vollführt habe, indem er aus der Wanne, in der sich
die Silberspäne befinden, jedes Mal bei 8 Loth ge-
nommen. Das Silber hat er nach seiner Aussage an
den Broncearbeiter Johann St., den er seit zwei Jahren
kennt, jedes Mal für 1 fl. verkauft, dieser kann sich
jedoch nur auf zwei Verkäufe erinnern, er gesteht zu,
bemerkt zu haben, daß das Silber aus keiner guten Quelle
gekommen sei, gibt jedoch im Widerspruch mit dem An-
geklagten an, daß es nur 4 Loth waren, die er auf ein
Mal empfing und dann an einen Juden verkaufte. Auch
die Frau des St. wußte, daß das Silber kein rechtmä-
ßiges Gut sei, obwohl sie sich an dem Kaufe selbst nicht
betheiligte.

Zu bemerken ist noch, daß sich bei W. in der Vorun-
tersuchung noch ein zweites Packet fand, welches 16 Loth
dieser Silberspäne enthält.

Herr Regierungsrath Hassenbauer gibt den Werth
eines Lothes dieser Späne auf38 3 / 4 kr. an, da nun
die Gesammtmenge des gestohlenen Silbers 104 Loth
ausmacht, so beträgt der zugefügte Schade 67 fl. 10 kr.,
dessen Ersatz Hr. Hassenbauer im Namen des Aerats
verlangt.

Der Staatsanwalt Dr. List faßt die erschwerenden
und mildernden Umstände zusammen, und glaubt, daß
die erstern von den letzteren bedeutend überwogen wer-
den, er hält jedoch außer dem §. 48 St. G. B. I. auch
den §. 49 bei dem Angeklagten für vollkommen anwend-
bar und trägt daher auf Schuldigerklärung des W. we-
gen des Verbrechens des Diebstahls ( nach §. 151, 153,
156 II. lit. 6 St. G. B. 1. Th. ) und auf Bestrafung
mit 3monatlichem schwerem Kerker verschärft durch zwei-
maliges Fasten in jedem Monat an.

Jn Betreff der Eheleute R. trägt er an auf Schuldig-
erklärung der der Diebstahlstheilnahme ( nach §. 165, 214
und 215, St. G. B. 2. Th. ) sohin auf 6tägigen stren-
gen mit einem Fasttage verschärften Arrest gegen Johann
St., und auf 3tägigen einfachen, ebenfalls mit einem
Fasttag verschärften Arrest gegen Anna St.

Der Vertheidiger des Angeklagten W., Herr Dr.
Wehli greift in seiner Vertheidigung vorzüglich die
Anwendung der §. 153 und 156 auf den Angeklagten
W. an.

Nachdem noch Staatsanwalt und Vertheidiger gespro-
chen, fällt das Gericht das Urtheil nach dem Antrage
des Staatsanwaltes.



Das Schwurgericht in Brünn hat über den Habro-
waner Fleischhauer und Wirthshauspächter das „ Schul-
dig “ einstimmig ausgesprochen, und zwar schuldig des
Meuchelmordes an seinem Weibe und dreien Kindern, ob-
wohl die Vertheidigung heraushob, daß das eine Kind
nur zufällig erschlagen worden sei, da der tödtliche Streich
eigentlich der Mutter gegolten habe. Da der Verbrecher
jedoch wiederholt angab, daß er mehrere Tage vor be-
gangener That den festen Entschluß gefaßt habe, Weib
und Kind, alles was ihm angehöre zu tödten, so konnte,
wie die „Brüner Ztg.“ bemerkt, das Verdict nicht an-
ders lauten, als es wirklich lautet.

Der sechste abgeurtheilte Fall betrifft einen Todtschlag,
der mit der Strafe von einem Jahr schweren Kerkers
entschieden wurde.

Als siebenter Angeklagter stand ein 21 Jahre alter, in
größter Dürftigkeit lebender Bauernbursche vor dem
Schwurgerichte, der an Körper und Geist höchst ver-
nachlässigt, mit dem größten Ungeschicke zwei Sechskreu-
zer=Münzscheine verfertigt und ausgegeben hatte, um mit
dem Erlöse derselben seinen Hunger zu stillen. Obwohl
die Vertheidigung, sagt die Brünn. Ztg.“, den Umstand
bemerklich machte, daß bei der höchsten Mangelhaftigkeit
des Corpus delicti weder Nachmachung noch Nachahmung
des Papiergeldes in Wirklichkeit vorliege, sondern nur
einfacher Betrug, wurde der Angeklagte doch der Falsch-
münzerei von der Jury schuldig erklärt und zu 3 Jahren
schweren Kerker verurtheilt. Weil jedoch die Staatsan-
waltschaft selbst erkannte, daß nicht ein einziger erschwe-
render Umstand vorliege und viele Milderungsgründe vor-
handen seien, so wird der Vertheidiger, von der Staats-
anwaltschaft unterstützt, ein Gnadengesuch bei Sr. Ma-
jestät einbringen.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur: Dr. Leopold Schweitzer. — Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

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[3853/0007] 3853 Nähe des fraglichen Wandnagels, wo der Rock des Lei- ter hing, sich aufgehalten zu haben. Von jenem Jsraeliten, der ihm angeblich die Pfeife verkauft und mit dem er hierum 1 / 4 Stunde gehandelt hat, weiß er gar nichts anzugeben, als daß dieser etwas größer gewesen sei, als er. Jn eine nähere Beschreibung ließ er sich nicht ein. Eben so wenig erklärte er jenen ihm unbekannten Bur- schen beschreiben zu können, mit dem er sich „bei 2 Stun- den in dem Kaffeehause aufgehalten hat.“ Von dem Kaufe der Pfeife habe er Niemanden etwas gesagt, nicht einmal den vertrautesten Personen; noch viel weniger habe er sie Jemand Anderem gezeigt, als dem T. dem er sie verkaufte. Die Pfeife habe er blos deshalb gekauft und zu diesem Ankaufe sein letztes Geld, den Erlös von seinem letzten Rocke, verwendet, um bei dem Wiederverkaufe der Pfeife „etwas zu profitiren.“ T. bestätigt, daß der Angeklagte schon durch 6 Wochen ohne alle Geldmittel war und Letzterer konnte sich auf Niemanden berufen, welcher hätte bestätigen können, daß er den fraglichen Rock „versetzt“ habe und so zu Geld gekommen sei. Auch wisse er nicht, wo und an wen er den Rock versetzt habe. Alle diese Verdachtsgründe wurden ihm vorgehalten und doch blieb er bei der Versicherung seiner Unschuld zumal aus der Verhandlung fast eben so viele und nicht unge- wichtige Entlastungsgründe resultirten, die er bei seiner gewandten Vertheidigung wohl zu benützen verstand. Es liegt nämlich constatirt vor, daß er noch nie gericht- lich beanständet wurde, ein unbescholtenes Vorleben für sich hat, sein letztes Dienstzeugniß sehr günstig lautet, er vordem beim k. k. 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Weiters wurde die 21jährige Dienstmagd Theresia R. in geheimer Sitzung wegen eines Unzuchtsactes an einem 9jährigen Kinde zu strengem Arreste von zwei Monaten; dann die sogenannte Handarbeiterin Anna W., 22 J. alt, wegen wiederholter verbothener Rückkehr nach öffent- licher Verhandlung zu strengem einmonatlichen Arreste und der Pferdeknecht Johann P., welcher einen bespann- ten Wagen aufsichtslos hatte stehen lassen, worauf die Pferde ausrißen und ein Wagenpferd mit der Deichsel so zu Boden rannten, daß es bald darauf verendete, zu 14tägigem Arreste verurtheilt. — Vor die Schranken des Bezirks=Collegialgerichtes wurde am 17ten zuerst der des Diebstahls angeklagte 25jährige Ernst W. vorgeführt. Derselbe gehört sowohl nach seinem Aussehen als nach seinem Benehmen zu den gebildeten Classen; es ist deutlich zu bemerken, wie tief ihn das Gefühl, als Verbrecher vor dem Publikum zu erscheinen, ergreift; er beantwortet alle an ihn gestellten Fragen mit leiser Stimme in gewähl- ter Mundart und gesteht seine That reumüthig ein. Er war zuletzt bei dem Herrn Grafen St..... in Gratz Erzieher und kam Ende September hieher nach Wien, fand jedoch keine Anstellung. Hier traf er denn einen Herrn Franz L., den er von Gratz aus kannte. W. ersuchte den L. um Nachtquartier, da er ( W. ) keinen Hausschlüssel habe, und ihm bei spätem Nachhausekommen schwerlich geöff- net werden dürfte. L. willigte ein und gewährte auch zwei weitere Nächte dem W. auf dessen Ansuchen ein Nachtlager. Bei dieser Gelegenheit bemerkte nun W., daß der Schlüssel der Wohnung immer bei der Haus- meisterin aufbewahrt würde, auch hörte er, daß L. jeden Samstag auf das Land gehe, wo sich seine Fa- milie befinde. Am 28. September ging nun W. zu der Hausmeisterin und verlangte von ihr den Zimmerschlüs- sel, vorschützend, L. habe ihm die Bewilligung gege- ben hier zu schlafen. Er erhielt den Schlüssel nach einiger Weigerung, schlief diese Nacht oben, fand dort einen Schlüssel, der ebenfalls das Quartier aufschloß, nahm ihn mit und gab den alten Schlüssel der Haus- meisterin wieder zurück. Am Abend dieses Tages ging er wieder hinauf, öffnete mit dem gefundenen Schlüssel und das Stubenmädchen war nicht wenig erstaunt, als sie des andern Tages in das Zimmer trat, um aufzu- räumen und W. darin erblickte. Dieser gab jedoch an, er habe den Schlüssel von Herrn L. erhalten. Einige Tage nach seiner Zurückkunft bemerkte L., daß ihm aus diesem Zimmer ein Winterrock, ein Quäcker und eine seidene Cravate im Werthe von 26, 20 und 1 fl. C. M. fehlten. Er faßte sogleich den Verdacht gegen W., suchte ihn auf und stellte ihn zur Rede. W. gestand den Diebstahl und bat den L., ihn nicht dem Gerichte zu überliefern. L. ging darauf ein, unter der Bedingung, daß ihm die entwendeten Sachen zurückgestellt würden. Da die Zurückstellung nicht erfolgte, so veranlaßte L. die Arretirung des W. Dieser gibt heute an, er habe, als er an jenem Abende in das Zimmer hinauf ging, bloß ein Obdach für die Nacht gesucht und erst am andern Morgen sei der unglückselige Entschluß in ihm erwacht, diese Effecten sich zuzueignen, und zwar in der Art, daß er dieselben für sich behalten und seine eigene Kleidung verkaufen wollte, weil er sich in Noth befunden. Er habe jedoch später den Quäcker an einen Juden mit der ausdrücklichen Bedingung ver- setzt, an einem bestimmten Tage an einen Ort zu kom- men, wo er sich denselben auslösen werde. Der Rock kann dem Beschädigten zurückgestellt werden. Der Staatsanwalt, Moriz Nitter v. Schmerling, verlangt nun in Erwägung, daß von den erschwerenden Umständen, der reifen Ueberlegung und dem hohen Bil- dungsgrad, die mildernden, wozu er das offene Geständ- niß, den früheren tadellosen Lebenswandel des Angeklag- ten rechnet, aufgewogen werden, die Bestrafung dessel- ben mit dem Minimum der gesetzlichen Strafe von 6mo- natlichem schweren Kerker. Der Gerichtshof jedoch hält dafür, daß in Berücksich- tigung weiterer Milderungsumstände, der längeren Unter- suchungshaft, des Umstandes, daß der Schaden theilweise gut gemacht wurde, besonders aber deßwegen, weil der in der Voruntersuchung so wie der heutigen Verhand- lung bewiesene Charakter des Angeklagten eine volle Besse- rung mit Grund erwarten lasse, die Anwendung des §. 48 für gerechtfertigt und verurtheilt W. zu dreimonatlichem Kerker und dem Ersatze des Schadens. — Eine zweite im Bezirks=Collegialgerichte verhan- delte Anklage wegen Diebstahls betraf den Franz W. Derselbe ist 41 Jahre alt und seit 10 Jahren verheirathet. Vor dem Jahre 1839, wo er als Hilfsarbeiter in das Münzamt kam, war er bei mehreren Herren im Dienst, welche ihm durchgehends ein gutes Zeugniß über seine Ver- wendbarkeit und Rechtlichkeit, so wie über seinen Fleiß und gutes Betragen gaben. 1843 wurde er im Münzamte, da er sich treu und redlich verhielt, als stabiler Arbeiter angestellt, und bekam sogar daselbst eine Beschäftigung, zu welcher nur erprobte Leute, in die man Vertrauen setzt, bestimmt werden. Während der Zeit bis September dieses Jahres, wo er dort in Dienst stand, verhielt er sich nach dem Zeug- nisse sowohl des Herrn Regierungsrathes Hassenbauer, der bei der heutigen Verhandlung als Vertreter des Aerars erscheint, so wie nach der Aussage des Werkmeisters, mit Ausnahme einer einmal vorgekommenen Trunkenheit zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Am Abende eines der letzten Tage des Septembers d. J. zur Zeit der Feierstunde bemerkte ein anderer Geselle, wie W., während die Andern mit Händewaschen beschäftigt wa- ren, ein kleines Päckchen in die Tasche des an der Wand hängenden Rockes steckte. Dadurch aufmerksam geworden, näherte sich der Geselle unbemerkt dem Rocke und griff an die Tasche, wobei er fühlte, daß in jenem Päckchen Silber- späne sich befanden. Eingedenk seiner Pflicht, machte er dem Werkmeister sogleich die Anzeige, und dieser ließ nun bei der Revue, die alle Arbeiter des Münzhauses vor ihrem Weg- gehen zu passiren haben, den W. in ein Cabinet eintreten und forderte ihn auf, das, was er unrechtmäßig besitze, her- zugeben. Dieser zog sogleich das Packet aus der Tasche, und legte, als er hierauf zum Herrn Regierungsrath Hassenbauer geführt wurde, ein aufrichtiges Ge- ständniß ab, welches um so mehr zu würdigen ist, da nach der Aussage der Regierungsrathes eine Controle, wie sie in den andern Theilen des Münzamtes streng ge- handhabt wird, bei jener Arbeit, bei welcher W. ver- wendet wurde, unmöglich genau bewerkstelligt werden kann. Da nämlich dieser Aussage zu Folge dort das Sil- ber beim Hobeln durch Zusatz von Oehl und Ansetzung von Schmutz an Gewicht gewinnt, und da dieser Zusatz nicht genau bestimmt werden kann, so ist ein klei- ner Abgang bei einer Masse von 600 Mark nicht zu bemerken. Er gestand, daß er bereits 10 Mal solche Diebstähle vollführt habe, indem er aus der Wanne, in der sich die Silberspäne befinden, jedes Mal bei 8 Loth ge- nommen. Das Silber hat er nach seiner Aussage an den Broncearbeiter Johann St., den er seit zwei Jahren kennt, jedes Mal für 1 fl. verkauft, dieser kann sich jedoch nur auf zwei Verkäufe erinnern, er gesteht zu, bemerkt zu haben, daß das Silber aus keiner guten Quelle gekommen sei, gibt jedoch im Widerspruch mit dem An- geklagten an, daß es nur 4 Loth waren, die er auf ein Mal empfing und dann an einen Juden verkaufte. Auch die Frau des St. wußte, daß das Silber kein rechtmä- ßiges Gut sei, obwohl sie sich an dem Kaufe selbst nicht betheiligte. Zu bemerken ist noch, daß sich bei W. in der Vorun- tersuchung noch ein zweites Packet fand, welches 16 Loth dieser Silberspäne enthält. Herr Regierungsrath Hassenbauer gibt den Werth eines Lothes dieser Späne auf38 3 / 4 kr. an, da nun die Gesammtmenge des gestohlenen Silbers 104 Loth ausmacht, so beträgt der zugefügte Schade 67 fl. 10 kr., dessen Ersatz Hr. Hassenbauer im Namen des Aerats verlangt. Der Staatsanwalt Dr. List faßt die erschwerenden und mildernden Umstände zusammen, und glaubt, daß die erstern von den letzteren bedeutend überwogen wer- den, er hält jedoch außer dem §. 48 St. G. B. I. auch den §. 49 bei dem Angeklagten für vollkommen anwend- bar und trägt daher auf Schuldigerklärung des W. we- gen des Verbrechens des Diebstahls ( nach §. 151, 153, 156 II. lit. 6 St. G. B. 1. Th. ) und auf Bestrafung mit 3monatlichem schwerem Kerker verschärft durch zwei- maliges Fasten in jedem Monat an. Jn Betreff der Eheleute R. trägt er an auf Schuldig- erklärung der der Diebstahlstheilnahme ( nach §. 165, 214 und 215, St. G. B. 2. Th. ) sohin auf 6tägigen stren- gen mit einem Fasttage verschärften Arrest gegen Johann St., und auf 3tägigen einfachen, ebenfalls mit einem Fasttag verschärften Arrest gegen Anna St. Der Vertheidiger des Angeklagten W., Herr Dr. Wehli greift in seiner Vertheidigung vorzüglich die Anwendung der §. 153 und 156 auf den Angeklagten W. an. Nachdem noch Staatsanwalt und Vertheidiger gespro- chen, fällt das Gericht das Urtheil nach dem Antrage des Staatsanwaltes. Das Schwurgericht in Brünn hat über den Habro- waner Fleischhauer und Wirthshauspächter das „ Schul- dig “ einstimmig ausgesprochen, und zwar schuldig des Meuchelmordes an seinem Weibe und dreien Kindern, ob- wohl die Vertheidigung heraushob, daß das eine Kind nur zufällig erschlagen worden sei, da der tödtliche Streich eigentlich der Mutter gegolten habe. Da der Verbrecher jedoch wiederholt angab, daß er mehrere Tage vor be- gangener That den festen Entschluß gefaßt habe, Weib und Kind, alles was ihm angehöre zu tödten, so konnte, wie die „Brüner Ztg.“ bemerkt, das Verdict nicht an- ders lauten, als es wirklich lautet. Der sechste abgeurtheilte Fall betrifft einen Todtschlag, der mit der Strafe von einem Jahr schweren Kerkers entschieden wurde. Als siebenter Angeklagter stand ein 21 Jahre alter, in größter Dürftigkeit lebender Bauernbursche vor dem Schwurgerichte, der an Körper und Geist höchst ver- nachlässigt, mit dem größten Ungeschicke zwei Sechskreu- zer=Münzscheine verfertigt und ausgegeben hatte, um mit dem Erlöse derselben seinen Hunger zu stillen. Obwohl die Vertheidigung, sagt die Brünn. Ztg.“, den Umstand bemerklich machte, daß bei der höchsten Mangelhaftigkeit des Corpus delicti weder Nachmachung noch Nachahmung des Papiergeldes in Wirklichkeit vorliege, sondern nur einfacher Betrug, wurde der Angeklagte doch der Falsch- münzerei von der Jury schuldig erklärt und zu 3 Jahren schweren Kerker verurtheilt. Weil jedoch die Staatsan- waltschaft selbst erkannte, daß nicht ein einziger erschwe- render Umstand vorliege und viele Milderungsgründe vor- handen seien, so wird der Vertheidiger, von der Staats- anwaltschaft unterstützt, ein Gnadengesuch bei Sr. Ma- jestät einbringen. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Leopold Schweitzer. — Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

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Zitationshilfe: Wiener Zeitung. Nr. 302. [Wien], 19. Dezember 1850, S. 3853. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_wiener302_1850/7>, abgerufen am 23.11.2024.