Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

In der niedern Region aber zeigen die Tropen, selbst wo es
feucht ist, kein so schönes Grün des Teppichs wie bei uns. Das
kommt weil die Zahl der annualen und semiannualen Pflanzen
sowohl nach dem Aequator zu als nach dem Pol zu abnimmt. Der
auffallendste Unterschied ist die Größe der Blüthen. In der tem-
perirten Zone sind fast alle Blüthen vom Geschlecht der Amet-
tazien
u. arten, also nicht farbig; in den Tropen findet
man dagegen die schönsten, brennendsten Farben. Wenn bei
uns Moos die Bäume umhüllt, so finden sich auf den Stämmen
der Tropenbäume eine Menge blüthenreiche Pflanzen. Der
letzte Unterschied ist, daß in der temperirten Zone die Social-
pflanzen häufiger sind, dagegen unter den Tropen die Singular-
pflanzen; daher die vielen Haiden [u.]und Wälder in nördlichen
Gegenden. Die erica vulgaris hört schon auf im mittlern
Frankreich und deann beginnt, erst einzeln, später wieder ge-
sellig erica arborea. Unter den Tropen ist geselliges Pflan-
zenleben etwas sehr seltenes [u.]und die Frage: woraus ein
Wald bestehe? hat dort fast gar keinen Sinn, [u.]und ich könnte sie,
von den großen Wäldern am Orinoco nicht beantworten.
Doch giebt es auch Ausnahmen z. E. cactus finden sich in ziem-
lichen Haufen; andre gesellige Tropenpflanzen sind Bambu-
sazien
oder Gräser von 15-16' Höhe [u.]und von 2 bis 21/2' Dicke. Für die
Physiognomie einer Gegend, wie für die Schicksale der Menschen
ist diese Gewohnheit der Pflanzen, entweder einzeln oder gesellig
zu leben, sehr wichtig geworden. Die Waldungen legen den acker-
bauenden Völkern große Hinderniße entgegen [u.]und die Anhäufung
von Grasarten oder monocotylidonen welche von China bis
ans caspische Meer sich finden, gaben dem alten Hirtenleben die

In der niedern Region aber zeigen die Tropen, selbst wo es
feucht ist, kein so schönes Grün des Teppichs wie bei uns. Das
kommt weil die Zahl der annualen und semiañualen Pflanzen
sowohl nach dem Aequator zu als nach dem Pol zu abnimmt. Der
auffallendste Unterschied ist die Größe der Blüthen. In der tem-
perirten Zone sind fast alle Blüthen vom Geschlecht der Amet-
tazien
u. arten, also nicht farbig; in den Tropen findet
man dagegen die schönsten, brennendsten Farben. Wenn bei
uns Moos die Bäume umhüllt, so finden sich auf den Stämmen
der Tropenbäume eine Menge blüthenreiche Pflanzen. Der
letzte Unterschied ist, daß in der temperirten Zone die Social-
pflanzen häufiger sind, dagegen unter den Tropen die Singular-
pflanzen; daher die vielen Haiden [u.]und Wälder in nördlichen
Gegenden. Die erica vulgaris hört schon auf im mittlern
Frankreich und deann beginnt, erst einzeln, später wieder ge-
sellig erica arborea. Unter den Tropen ist geselliges Pflan-
zenleben etwas sehr seltenes [u.]und die Frage: woraus ein
Wald bestehe? hat dort fast gar keinen Sinn, [u.]und ich könnte sie,
von den großen Wäldern am Orinoco nicht beantworten.
Doch giebt es auch Ausnahmen z. E. cactus finden sich in ziem-
lichen Haufen; andre gesellige Tropenpflanzen sind Bambu-
sazien
oder Gräser von 15–16′ Höhe [u.]und von 2 bis 2½′ Dicke. Für die
Phÿsiognomie einer Gegend, wie für die Schicksale der Menschen
ist diese Gewohnheit der Pflanzen, entweder einzeln oder gesellig
zu leben, sehr wichtig geworden. Die Waldungen legen den acker-
bauenden Völkern große Hinderniße entgegen [u.]und die Anhäufung
von Grasarten oder monocotÿlidonen welche von China bis
ans caspische Meer sich finden, gaben dem alten Hirtenleben die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="56">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <div n="4">
                <div n="5">
                  <p><pb facs="#f0300" n="[294]"/>
In der niedern Region aber zeigen die Tropen, selbst wo es<lb/>
feucht ist, kein so schönes Grün des Teppichs wie bei uns. Das<lb/>
kommt weil die Zahl der <hi rendition="#aq">annualen</hi> und <hi rendition="#aq">semian&#x0303;ualen</hi> Pflanzen<lb/>
sowohl nach dem Aequator zu als nach dem Pol zu abnimmt. Der<lb/>
auffallendste Unterschied ist die Größe der Blüthen. In der tem-<lb/>
perirten Zone sind fast alle Blüthen vom Geschlecht der <hi rendition="#aq">Amet-<lb/>
tazien</hi><note resp="#BF" type="editorial">In Anonym 1934 geändert zu: Amentazeen.</note> u. <metamark><space dim="horizontal"/></metamark> arten<note resp="#BF" type="editorial">In Anonym 1934 geändert zu: Coniferen.</note>, also nicht farbig; in den Tropen findet<lb/>
man dagegen die schönsten, brennendsten Farben. Wenn bei<lb/>
uns Moos die Bäume umhüllt, so finden sich auf den Stämmen<lb/>
der Tropenbäume eine Menge blüthenreiche Pflanzen. Der<lb/>
letzte Unterschied ist, daß in der temperirten Zone die <hi rendition="#aq">Social</hi>-<lb/><add place="sublinear">pflanzen häufiger sind, dagegen unter den Tropen die <hi rendition="#aq">Singular</hi>-</add><lb/>
pflanzen; daher die vielen Haiden <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> Wälder in nördlichen<lb/>
Gegenden. Die <hi rendition="#aq">erica vulgaris</hi> hört schon auf im mittlern<lb/>
Frankreich und d<subst><del rendition="#ow">e</del><add place="across">a</add></subst>nn beginnt, erst einzeln, später wieder ge-<lb/>
sellig <hi rendition="#aq">erica arborea</hi>. Unter den Tropen ist geselliges Pflan-<lb/>
zenleben etwas sehr seltenes <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> die Frage: woraus ein<lb/>
Wald bestehe? hat dort fast gar keinen Sinn<del rendition="#erased">,</del> <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> ich könnte sie,<lb/>
von den großen Wäldern am <hi rendition="#aq">Orinoco</hi> nicht beantworten.<lb/>
Doch giebt es auch Ausnahmen z. E. <hi rendition="#aq">cactus</hi> finden sich in ziem-<lb/>
lichen Haufen; andre gesellige Tropenpflanzen sind <hi rendition="#aq">Bambu-<lb/>
sazien</hi> oder Gräser von 15&#x2013;16&#x2032; Höhe <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> von 2 bis 2½&#x2032; Dicke. Für die<lb/>
Phÿsiognomie einer Gegend, wie für die Schicksale der Menschen<lb/>
ist diese Gewohnheit der Pflanzen, entweder einzeln oder gesellig<lb/>
zu leben, sehr wichtig geworden. Die Waldungen legen den acker-<lb/>
bauenden Völker<add place="intralinear">n</add> große Hinderniße entgegen <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> die Anhäufung<lb/>
von Grasarten oder <hi rendition="#aq">monocotÿlidonen</hi><note resp="#BF" type="editorial" xml:id="monok">In Anonym 1934 geändert zu: Monokotylidonen.</note> welche von <hi rendition="#aq">China</hi> bis<lb/>
ans caspische Meer sich finden, gaben dem alten Hirtenleben die<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[294]/0300] In der niedern Region aber zeigen die Tropen, selbst wo es feucht ist, kein so schönes Grün des Teppichs wie bei uns. Das kommt weil die Zahl der annualen und semiañualen Pflanzen sowohl nach dem Aequator zu als nach dem Pol zu abnimmt. Der auffallendste Unterschied ist die Größe der Blüthen. In der tem- perirten Zone sind fast alle Blüthen vom Geschlecht der Amet- tazien u. arten, also nicht farbig; in den Tropen findet man dagegen die schönsten, brennendsten Farben. Wenn bei uns Moos die Bäume umhüllt, so finden sich auf den Stämmen der Tropenbäume eine Menge blüthenreiche Pflanzen. Der letzte Unterschied ist, daß in der temperirten Zone die Social- pflanzen häufiger sind, dagegen unter den Tropen die Singular- pflanzen; daher die vielen Haiden und Wälder in nördlichen Gegenden. Die erica vulgaris hört schon auf im mittlern Frankreich und dann beginnt, erst einzeln, später wieder ge- sellig erica arborea. Unter den Tropen ist geselliges Pflan- zenleben etwas sehr seltenes und die Frage: woraus ein Wald bestehe? hat dort fast gar keinen Sinn und ich könnte sie, von den großen Wäldern am Orinoco nicht beantworten. Doch giebt es auch Ausnahmen z. E. cactus finden sich in ziem- lichen Haufen; andre gesellige Tropenpflanzen sind Bambu- sazien oder Gräser von 15–16′ Höhe und von 2 bis 2½′ Dicke. Für die Phÿsiognomie einer Gegend, wie für die Schicksale der Menschen ist diese Gewohnheit der Pflanzen, entweder einzeln oder gesellig zu leben, sehr wichtig geworden. Die Waldungen legen den acker- bauenden Völkern große Hinderniße entgegen und die Anhäufung von Grasarten oder monocotÿlidonen welche von China bis ans caspische Meer sich finden, gaben dem alten Hirtenleben die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Kustoden: nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/300
Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [294]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/300>, abgerufen am 23.11.2024.