Allgemeine Zeitung, Nr. 97, 7. April 1849.Hüben geben wird, dieses Weh trifft Oesterreich so gut wie Deutschland. Was wird die Geschichte sagen? Es war eine Partei die mit Der Kampf der Nationalitäten in Oesterreich. ^ Wien, 2 April.Wunderliches Schauspiel! Während die *) Der endliche Sieg hing aber damals von der Entscheidung Oesterreichs
ab, das die Geschenke an Gebiet zurückwies die ihm Napoleon auf Kosten Preußens machen wollte. Ohne Oesterreich keine Schlacht von Leipzig, kein siegreicher französischer Feldzug. Hüben geben wird, dieſes Weh trifft Oeſterreich ſo gut wie Deutſchland. Was wird die Geſchichte ſagen? Es war eine Partei die mit Der Kampf der Nationalitäten in Oeſterreich. ◬ Wien, 2 April.Wunderliches Schauſpiel! Während die *) Der endliche Sieg hing aber damals von der Entſcheidung Oeſterreichs
ab, das die Geſchenke an Gebiet zurückwies die ihm Napoleon auf Koſten Preußens machen wollte. Ohne Oeſterreich keine Schlacht von Leipzig, kein ſiegreicher franzöſiſcher Feldzug. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0010" n="1490"/> Hüben geben wird, dieſes Weh trifft Oeſterreich ſo gut wie Deutſchland.<lb/> Anſtatt die Anhänglichkeit der Stämme zu hüten und zu pflegen, hat die<lb/> öſterreichiſche Preſſe nichts gethan als die warmen Vertreter der groß-<lb/> deutſchen Sache mit dem Sturzregen ihres politiſchen Egoismus abzu-<lb/> kühlen. Die Allgemeine Zeitung, wir ſagen dieß mit großem Stolz, war<lb/> das einzige große Journal das zu vermitteln ſuchte, und — <hi rendition="#aq">aequo pon-<lb/> dere!</hi> dort die Frankfurter Preſſe die ſich mit neidiſchen Klatſchereien und<lb/> Verleumdungen beſudelte, und die ſittliche Herabgekommenheit des deut-<lb/> ſchen Volkes zur Schau trug, Blätter wie die Frankfurter Zeitung, die<lb/> den Hitzkopf Welcker einen 14,000 Gulden-Patrioten nannte, weil er<lb/> erbkaiſerlich geworden um ſeinen Gehalt als badiſcher Bevollmächtigter zu<lb/> ſalviren, hier die Wiener Preſſe und die öſterreichiſche Provinzialpreſſe<lb/> mit ihrem ſlaviſchen litterariſchen Ungeziefer, mit Blättern wie die<lb/> Gratzer Zeitung, welche neulich behauptete Oeſterreich habe die <hi rendition="#g">deutſche</hi><lb/> Sache 1813 gerettet, während Oeſterreich bei Lützen und Bautzen die<lb/> Preußen Avantgarde machen ließ, und erſt den Krieg erklärte nach den<lb/> beiden zweifelhaften Siegen.<note place="foot" n="*)">Der endliche Sieg hing aber damals von der Entſcheidung Oeſterreichs<lb/> ab, das die Geſchenke an Gebiet zurückwies die ihm Napoleon auf Koſten<lb/> Preußens machen wollte. Ohne Oeſterreich keine Schlacht von Leipzig,<lb/> kein ſiegreicher franzöſiſcher Feldzug.</note> Wohlgemerkt, daraus wollen wir den<lb/> Oeſterreichern keinen Vorwurf machen, aber das geben wir nicht zu daß<lb/> man den Befreiungskrieg, der hauptſächlich dem Norden angehört, noch<lb/> kaiſerlich-königlich machen will! Doch wollen wir, von der öſterreichiſchen<lb/> Preſſe ſprechend, auch nicht des geringen Guten vergeſſen. Die Oſtdeut-<lb/> ſche Poſt kämpfte auch für das Großdeutſchland und hielt feſt am Parla-<lb/> ment. Aber durfte ſie nicht, oder mochte ſie nicht, ſie hat nur ein Achſel-<lb/> zucken, ein Kopfwiegen für die Frankfurter Wahl. Sie mußte den öſter-<lb/> reichiſchen Deutſchen zurufen: das iſt die Nemeſis, das iſt die Summe<lb/> mit dem Minuszeichen wenn man Oeſterreichs deutſche Geſinnung vom<lb/> März 48 bis zum März 49 zuſammenaddirt.</p><lb/> <p>Was wird die Geſchichte ſagen? Es war eine Partei die mit<lb/> Stammesvorliebe Deutſchland für Preußen eroberte, darauf ausging den<lb/> Bruch mit Oeſterreich immer klaffender zu machen, und es war eine Par-<lb/> tei die als deutſcher Stamm alle Herzen für ſich hatte und unabläſſig dieſe<lb/> Herzen mehr und mehr entfremdete, beide Parteien dehnten an dem gro-<lb/> ßen Vaterland, bis es kreiſchend in zwei Stücke zerriß. Inmitten aber<lb/> ſtand eine Partei, geſchmäht, verdächtigt, gehaßt, verleumdet und ausge-<lb/> lacht von dort, verlaſſen ohne Rückhalt, getäuſcht, gebraucht und ver-<lb/> braucht von jenſeit. Und dieſe Partei wird ſich freilich in der Geſchichte<lb/> nichts erobert haben als einen ehrlichen Namen!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Der Kampf der Nationalitäten in Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">◬ Wien,</hi> 2 April.</dateline><lb/> <p>Wunderliches Schauſpiel! Während die<lb/> Siege des tapfern Radetzky den Ausweg öffnen um aus dem Chaos der<lb/> italieniſchen Revolutionen herauszukommen, liegen im Innern der öſter-<lb/> reichiſchen Monarchie die Intereſſen, die Leidenſchaften und Anſprüche<lb/> in argem Streit, wollen ſich nicht beruhigen, nicht unter dem Schirme<lb/> einer conſtitutionellen Regierung ſich ordnen. In Croatien verweigert<lb/> man die Kundmachung der neuen Verfaſſung, ſendet eine Deputation nach<lb/> Wien um das durch den croatiſchen Landtag ausgearbeitete Provincial-<lb/> Statut beſtätigen zu laſſen; in Böhmen verdächtigen Deputirte der einſti-<lb/> gen Rechten das Miniſterium, ja die „Slowanska Lipa“ beſchließt in wi-<lb/> derfinniger Anmaßung eine Petition um Abberufung desſelben; in Un-<lb/> garn erſchüttern die blutigen Kämpfe mit den Inſurgenten alle Schutzweh-<lb/> ren, unter denen ſich die verſchiedenen Rechte und Intereſſen einbürgern<lb/> könnten; in Galizien blicken die Polen bald hoffnungsvoll auf Ungarn,<lb/> bald angſtvoll auf Rußland, und grollen der neuerfundenen rutheniſchen<lb/> Nation; in den deutſchen Provinzen endlich, welche die Verfaſſungsurkunde<lb/> mit Freuden begrüßten, ſuchen ſchon Wühler dieſes Vertrauen durch arg-<lb/> liſtige Hindeutungen auf die Stärke der Armee und die angebliche Vor-<lb/> liebe des Miniſteriums für materielle Gewalt zu untergraben. Der Frie-<lb/> den im Innern, der Frieden zwiſchen allen Nationalitäten iſt das erſte Be-<lb/> dürfniß Oeſterreichs, er iſt das Wort des Heils, welches das Miniſterium<lb/> durch die Verfaſſung verkünden wollte. Wird ſie dasſelbe geben? Sie<lb/> hat in dieſer Beziehung nicht glücklich begonnen; kaum geboren, hat ſie<lb/> Mißhelligkeiten und Zwiſt hervorgerufen, die aufrichtigen Freunde des<lb/> conſtitutionellen Oeſterreichs dürfen jedoch über dieſen traurigen Anblick<lb/> nicht an der Löſung der Aufgabe verzweifeln. Die ruhig-conſequente<lb/> Haltung des Miniſterium beweist die Kraft auf welche dasſelbe ſich in der<lb/> Durchführung der Reformen ſtützt, keine Handlung ſtört die Bürger in<lb/> ihrem Verſuch die conſtitutionelle Ordnung feſtzuſtellen, und wenn auch<lb/> der allgemeine Wunſch daß das Miniſterium den Einfluß der Tagespreſſe<lb/> zur Aufklärung der öffentlichen Meinung über Ereigniſſe und Gerüchte<lb/><cb/> mit welchen jene irregeführt wird, benutzen möchte, bis jetzt noch unbe-<lb/> friedigt blieb, ſo find doch alle Elemente eines geſunden Staatslebens in<lb/> Oeſterreich durch eigene Erfahrung zu der Erkenntniß gekommen daß,<lb/> wenn ſie ſich den Wahlſpruch des Monarchen „mit vereinten Kräften“ nicht<lb/> aneignen, auf den Ruinen der Verfaſſung das Kriegsgeſchrei der ſocialen<lb/> Wühler ertönen wird. Das Ungeſtüm unbegränzter Hoffnungen und<lb/> Befürchtungen, die Anmaßungen auferlebter Nationalitäten müſſen vor<lb/> dieſer Rückſicht verſchwinden nicht von Seite einer, ſondern von Seite aller<lb/> Parteien. Die Agramer Blätter machen Chorus für eine Sonderſtellung<lb/> der Südſlaven, als der Retter aus der Noth, die auf eine Verfaſſung nach<lb/> ihrem Belieben Anſpruch machen können. Ich will ihr Verdienſt nicht<lb/> ſchmälern, ſie nur daran erinnern daß vorzugsweiſe die Popularität und<lb/> Thatkraft des Baron Jellachich die Schaaren der Gränzer in den Kampf<lb/> führten, und dieſe ohne öſterreichiſche Soldaten, Kanonen und Geld eine<lb/> traurige Rolle in Ungarn geſpielt hätten. Wenn alſo der Banus und<lb/> das öſterreichiſche Miniſterium in der gegebenen Verfaſſung übereinkamen,<lb/> findet der tactloſe Kriegsruf gegen die Beſugniſſe der Centralgewalt kein<lb/> Echo, denn ohne Jellachich verfügen ſie nicht über einen Gränzer, ohne<lb/> Oeſterreich muß Croatien den Magyaren unterliegen. In Wien erhebt<lb/> die „Preſſe“ ihr Viſir und ergreift Beſitz von einer Gleichberechtigung der<lb/> Nationalitäten in Ungarn, welche die Sachſen in Siebenbürgen erobert<lb/> haben ſollen, allein ſie merkt ſehr wohl die Schwäche der Sieger und recru-<lb/> tirt in den Reihen der Slovaken, Serben und Walachen, um durch deren<lb/> Trennung von Ungarn das deutſche Element zu ſtärken. Arge Täuſchung!<lb/> Sie bevorwortet Wünſche welche in der Allgem. Ztg. vom 14 Febr. in<lb/> richtiger Vorausſicht als Mittel eine ſlaviſch-öſterreichiſche Monarchie zu<lb/> gründen geſchildert wurden. Die jüngſten Ereigniſſe beſtätigen nur allzu-<lb/> ſehr dieſe Meinung, denn wenn auch die durch Szekler Horden in Sieben-<lb/> bürgen verübten Gräuel alle Gefühle empören, ſo ſtimmen doch alle Be-<lb/> richte aus dem Sachſenland darin überein daß die Walachen, angebliche<lb/> Verbündete der Deutſchen, bei dieſen viel ärger hausten. Indem die er-<lb/> ſten, als Feinde, den erfahrenen Widerſtand ihrer rohen Natur nach zu<lb/> rächen wähnten, verwüſteten die Walachen aus angeſtammtem, langge-<lb/> nährtem Haß die Wohnungen der Sachſen: in Ungarn klagen die Deut-<lb/> ſchen wohl gegen die Verfolgung der Serben und Croaten, mit den Ma-<lb/> gyaren aber harmoniren ſie leider ſo ſehr daß ſie vereint mit ihnen lieber<lb/> untergehen als ſich den ſlaviſchen Stämmen unterwerfen wollen. Eine<lb/> Gleichberechtigung, wie die „Preſſe“ mit getrennter Verwaltung ſie den<lb/> Deutſchen in Ungarn aufdringen wollte, liegt nicht in ihren Wünſchen, ſie<lb/> wiſſen daß ſie nur in innigem Bündniſſe mit den Magyaren gegen den An-<lb/> drang der Serben und Walachen aufrecht ſtehen können. Die vereinzelten<lb/> Stimmen in jenem Blatte verhallen, die Deutſchen in Ungarn wünſchen<lb/> die baldigſte Unterwerfung des Landes durch die kaiſerlichen Truppen, die<lb/> Verwirklichung der neuen Verfaſſung, aber keine iſolirte Stellung welche<lb/> des traurigen Schutzes der Ruſſen bedarf. Die „Preſſe“ vom 1 April iſt<lb/> genöthigt ſelbſt zu geſtehen daß die ſlowakiſchen Vertrauensmänner in<lb/> Wien die ungariſche Sprache in dem ſlowakiſchen Landestheil auch ferner<lb/> als Geſchäftsſprache beibehalten wollen, und ſie kann dieſe Erklärung mit der<lb/> Petition nicht vereinbaren welche eine ſlowakiſche Deputation um eine<lb/> ſeparat nationale Adminiſtration in Olmütz überreichte. Die Aufklärung<lb/> kann in keinem andern als dem Umſtande liegen daß dieſe aus Panſlavi-<lb/> ſten zuſammengeſetzte Deputation ihre eigenen, nicht aber die Wünſche der<lb/> ſlaviſchen Bevölkerung petitionirte, welche an dem aus Böhmen und Mäh-<lb/> ren durch Hurban und Stur, Mitglieder der anſehnlichen (wie ſich die<lb/> Preſſe ausdrückt) Deputation, mit ungefähr 2000 Mann nach Ungarn<lb/> geführten Landſturm ſich faſt gar nicht betheiligte und nichts anders be-<lb/> gehrt als die Angelegenheiten der einzelnen Gemeinden in ſlaviſcher<lb/> Sprache, unter Ueberwachung der ungariſchen Statthalterei in Ofen, in<lb/> Ruhe und Frieden zu verwalten. Der φ Correſpondent in der Allgem.<lb/> Ztg. vom 26 März ſcheint die Anſichten der „Preſſe“ zu theilen, ich halte<lb/> jedoch den Weg welche der dort angefochtene △ Correſpondent des „Lloyd“<lb/> bezeichnet, für geeigneter zur Wiederherſtellung eines dauernden Friedens,<lb/> der am Ende den Sieg der neuen Verfaſſung allein bewähren kann, wenn<lb/> er wirklich und definitiv iſt. Das Miniſterium hat durch den §. 1 der<lb/> Verfaſſungsurkunde die Integrität Ungarns gegen obige Anſprüche ſicher-<lb/> geſtellt; eine gleich kluge Berückſichtigung der vorherrſchenden Intereſſen<lb/> iſt bei der Abfaſſung des Statutes über die Gleichberechtigung der Natio-<lb/> nalitäten zu erwarten, welches die „Preſſe“ im vorausbin durch die Nennung<lb/> der Mitglieder verdächtigen will, aus denen wie Graf Apponyi, Freiherr<lb/> v. Joſika, Zarka, Urmenyi, Vincenz Szent-Joanyi, Emil Deſſewffy die<lb/> Commiſſion zuſammengeſetzt ſeyn ſoll, welche das Miniſterium hiebei zu<lb/> Rathe zieht. Der ehrenwerthe Charakter dieſer Herren iſt anerkannt. Joſika<lb/> iſt ein in parlamentariſchen Stürmen erprobter Steuermann, nicht ſo<lb/> glücklich war Apponyi in Ungarn wegen ſeiner Vorliebe für Männer die<lb/> keinen Credit bei der Nation haben, und wenn die „Preſſe“ auf die Zuſam-<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1490/0010]
Hüben geben wird, dieſes Weh trifft Oeſterreich ſo gut wie Deutſchland.
Anſtatt die Anhänglichkeit der Stämme zu hüten und zu pflegen, hat die
öſterreichiſche Preſſe nichts gethan als die warmen Vertreter der groß-
deutſchen Sache mit dem Sturzregen ihres politiſchen Egoismus abzu-
kühlen. Die Allgemeine Zeitung, wir ſagen dieß mit großem Stolz, war
das einzige große Journal das zu vermitteln ſuchte, und — aequo pon-
dere! dort die Frankfurter Preſſe die ſich mit neidiſchen Klatſchereien und
Verleumdungen beſudelte, und die ſittliche Herabgekommenheit des deut-
ſchen Volkes zur Schau trug, Blätter wie die Frankfurter Zeitung, die
den Hitzkopf Welcker einen 14,000 Gulden-Patrioten nannte, weil er
erbkaiſerlich geworden um ſeinen Gehalt als badiſcher Bevollmächtigter zu
ſalviren, hier die Wiener Preſſe und die öſterreichiſche Provinzialpreſſe
mit ihrem ſlaviſchen litterariſchen Ungeziefer, mit Blättern wie die
Gratzer Zeitung, welche neulich behauptete Oeſterreich habe die deutſche
Sache 1813 gerettet, während Oeſterreich bei Lützen und Bautzen die
Preußen Avantgarde machen ließ, und erſt den Krieg erklärte nach den
beiden zweifelhaften Siegen. *) Wohlgemerkt, daraus wollen wir den
Oeſterreichern keinen Vorwurf machen, aber das geben wir nicht zu daß
man den Befreiungskrieg, der hauptſächlich dem Norden angehört, noch
kaiſerlich-königlich machen will! Doch wollen wir, von der öſterreichiſchen
Preſſe ſprechend, auch nicht des geringen Guten vergeſſen. Die Oſtdeut-
ſche Poſt kämpfte auch für das Großdeutſchland und hielt feſt am Parla-
ment. Aber durfte ſie nicht, oder mochte ſie nicht, ſie hat nur ein Achſel-
zucken, ein Kopfwiegen für die Frankfurter Wahl. Sie mußte den öſter-
reichiſchen Deutſchen zurufen: das iſt die Nemeſis, das iſt die Summe
mit dem Minuszeichen wenn man Oeſterreichs deutſche Geſinnung vom
März 48 bis zum März 49 zuſammenaddirt.
Was wird die Geſchichte ſagen? Es war eine Partei die mit
Stammesvorliebe Deutſchland für Preußen eroberte, darauf ausging den
Bruch mit Oeſterreich immer klaffender zu machen, und es war eine Par-
tei die als deutſcher Stamm alle Herzen für ſich hatte und unabläſſig dieſe
Herzen mehr und mehr entfremdete, beide Parteien dehnten an dem gro-
ßen Vaterland, bis es kreiſchend in zwei Stücke zerriß. Inmitten aber
ſtand eine Partei, geſchmäht, verdächtigt, gehaßt, verleumdet und ausge-
lacht von dort, verlaſſen ohne Rückhalt, getäuſcht, gebraucht und ver-
braucht von jenſeit. Und dieſe Partei wird ſich freilich in der Geſchichte
nichts erobert haben als einen ehrlichen Namen!
Der Kampf der Nationalitäten in Oeſterreich.
◬ Wien, 2 April.
Wunderliches Schauſpiel! Während die
Siege des tapfern Radetzky den Ausweg öffnen um aus dem Chaos der
italieniſchen Revolutionen herauszukommen, liegen im Innern der öſter-
reichiſchen Monarchie die Intereſſen, die Leidenſchaften und Anſprüche
in argem Streit, wollen ſich nicht beruhigen, nicht unter dem Schirme
einer conſtitutionellen Regierung ſich ordnen. In Croatien verweigert
man die Kundmachung der neuen Verfaſſung, ſendet eine Deputation nach
Wien um das durch den croatiſchen Landtag ausgearbeitete Provincial-
Statut beſtätigen zu laſſen; in Böhmen verdächtigen Deputirte der einſti-
gen Rechten das Miniſterium, ja die „Slowanska Lipa“ beſchließt in wi-
derfinniger Anmaßung eine Petition um Abberufung desſelben; in Un-
garn erſchüttern die blutigen Kämpfe mit den Inſurgenten alle Schutzweh-
ren, unter denen ſich die verſchiedenen Rechte und Intereſſen einbürgern
könnten; in Galizien blicken die Polen bald hoffnungsvoll auf Ungarn,
bald angſtvoll auf Rußland, und grollen der neuerfundenen rutheniſchen
Nation; in den deutſchen Provinzen endlich, welche die Verfaſſungsurkunde
mit Freuden begrüßten, ſuchen ſchon Wühler dieſes Vertrauen durch arg-
liſtige Hindeutungen auf die Stärke der Armee und die angebliche Vor-
liebe des Miniſteriums für materielle Gewalt zu untergraben. Der Frie-
den im Innern, der Frieden zwiſchen allen Nationalitäten iſt das erſte Be-
dürfniß Oeſterreichs, er iſt das Wort des Heils, welches das Miniſterium
durch die Verfaſſung verkünden wollte. Wird ſie dasſelbe geben? Sie
hat in dieſer Beziehung nicht glücklich begonnen; kaum geboren, hat ſie
Mißhelligkeiten und Zwiſt hervorgerufen, die aufrichtigen Freunde des
conſtitutionellen Oeſterreichs dürfen jedoch über dieſen traurigen Anblick
nicht an der Löſung der Aufgabe verzweifeln. Die ruhig-conſequente
Haltung des Miniſterium beweist die Kraft auf welche dasſelbe ſich in der
Durchführung der Reformen ſtützt, keine Handlung ſtört die Bürger in
ihrem Verſuch die conſtitutionelle Ordnung feſtzuſtellen, und wenn auch
der allgemeine Wunſch daß das Miniſterium den Einfluß der Tagespreſſe
zur Aufklärung der öffentlichen Meinung über Ereigniſſe und Gerüchte
mit welchen jene irregeführt wird, benutzen möchte, bis jetzt noch unbe-
friedigt blieb, ſo find doch alle Elemente eines geſunden Staatslebens in
Oeſterreich durch eigene Erfahrung zu der Erkenntniß gekommen daß,
wenn ſie ſich den Wahlſpruch des Monarchen „mit vereinten Kräften“ nicht
aneignen, auf den Ruinen der Verfaſſung das Kriegsgeſchrei der ſocialen
Wühler ertönen wird. Das Ungeſtüm unbegränzter Hoffnungen und
Befürchtungen, die Anmaßungen auferlebter Nationalitäten müſſen vor
dieſer Rückſicht verſchwinden nicht von Seite einer, ſondern von Seite aller
Parteien. Die Agramer Blätter machen Chorus für eine Sonderſtellung
der Südſlaven, als der Retter aus der Noth, die auf eine Verfaſſung nach
ihrem Belieben Anſpruch machen können. Ich will ihr Verdienſt nicht
ſchmälern, ſie nur daran erinnern daß vorzugsweiſe die Popularität und
Thatkraft des Baron Jellachich die Schaaren der Gränzer in den Kampf
führten, und dieſe ohne öſterreichiſche Soldaten, Kanonen und Geld eine
traurige Rolle in Ungarn geſpielt hätten. Wenn alſo der Banus und
das öſterreichiſche Miniſterium in der gegebenen Verfaſſung übereinkamen,
findet der tactloſe Kriegsruf gegen die Beſugniſſe der Centralgewalt kein
Echo, denn ohne Jellachich verfügen ſie nicht über einen Gränzer, ohne
Oeſterreich muß Croatien den Magyaren unterliegen. In Wien erhebt
die „Preſſe“ ihr Viſir und ergreift Beſitz von einer Gleichberechtigung der
Nationalitäten in Ungarn, welche die Sachſen in Siebenbürgen erobert
haben ſollen, allein ſie merkt ſehr wohl die Schwäche der Sieger und recru-
tirt in den Reihen der Slovaken, Serben und Walachen, um durch deren
Trennung von Ungarn das deutſche Element zu ſtärken. Arge Täuſchung!
Sie bevorwortet Wünſche welche in der Allgem. Ztg. vom 14 Febr. in
richtiger Vorausſicht als Mittel eine ſlaviſch-öſterreichiſche Monarchie zu
gründen geſchildert wurden. Die jüngſten Ereigniſſe beſtätigen nur allzu-
ſehr dieſe Meinung, denn wenn auch die durch Szekler Horden in Sieben-
bürgen verübten Gräuel alle Gefühle empören, ſo ſtimmen doch alle Be-
richte aus dem Sachſenland darin überein daß die Walachen, angebliche
Verbündete der Deutſchen, bei dieſen viel ärger hausten. Indem die er-
ſten, als Feinde, den erfahrenen Widerſtand ihrer rohen Natur nach zu
rächen wähnten, verwüſteten die Walachen aus angeſtammtem, langge-
nährtem Haß die Wohnungen der Sachſen: in Ungarn klagen die Deut-
ſchen wohl gegen die Verfolgung der Serben und Croaten, mit den Ma-
gyaren aber harmoniren ſie leider ſo ſehr daß ſie vereint mit ihnen lieber
untergehen als ſich den ſlaviſchen Stämmen unterwerfen wollen. Eine
Gleichberechtigung, wie die „Preſſe“ mit getrennter Verwaltung ſie den
Deutſchen in Ungarn aufdringen wollte, liegt nicht in ihren Wünſchen, ſie
wiſſen daß ſie nur in innigem Bündniſſe mit den Magyaren gegen den An-
drang der Serben und Walachen aufrecht ſtehen können. Die vereinzelten
Stimmen in jenem Blatte verhallen, die Deutſchen in Ungarn wünſchen
die baldigſte Unterwerfung des Landes durch die kaiſerlichen Truppen, die
Verwirklichung der neuen Verfaſſung, aber keine iſolirte Stellung welche
des traurigen Schutzes der Ruſſen bedarf. Die „Preſſe“ vom 1 April iſt
genöthigt ſelbſt zu geſtehen daß die ſlowakiſchen Vertrauensmänner in
Wien die ungariſche Sprache in dem ſlowakiſchen Landestheil auch ferner
als Geſchäftsſprache beibehalten wollen, und ſie kann dieſe Erklärung mit der
Petition nicht vereinbaren welche eine ſlowakiſche Deputation um eine
ſeparat nationale Adminiſtration in Olmütz überreichte. Die Aufklärung
kann in keinem andern als dem Umſtande liegen daß dieſe aus Panſlavi-
ſten zuſammengeſetzte Deputation ihre eigenen, nicht aber die Wünſche der
ſlaviſchen Bevölkerung petitionirte, welche an dem aus Böhmen und Mäh-
ren durch Hurban und Stur, Mitglieder der anſehnlichen (wie ſich die
Preſſe ausdrückt) Deputation, mit ungefähr 2000 Mann nach Ungarn
geführten Landſturm ſich faſt gar nicht betheiligte und nichts anders be-
gehrt als die Angelegenheiten der einzelnen Gemeinden in ſlaviſcher
Sprache, unter Ueberwachung der ungariſchen Statthalterei in Ofen, in
Ruhe und Frieden zu verwalten. Der φ Correſpondent in der Allgem.
Ztg. vom 26 März ſcheint die Anſichten der „Preſſe“ zu theilen, ich halte
jedoch den Weg welche der dort angefochtene △ Correſpondent des „Lloyd“
bezeichnet, für geeigneter zur Wiederherſtellung eines dauernden Friedens,
der am Ende den Sieg der neuen Verfaſſung allein bewähren kann, wenn
er wirklich und definitiv iſt. Das Miniſterium hat durch den §. 1 der
Verfaſſungsurkunde die Integrität Ungarns gegen obige Anſprüche ſicher-
geſtellt; eine gleich kluge Berückſichtigung der vorherrſchenden Intereſſen
iſt bei der Abfaſſung des Statutes über die Gleichberechtigung der Natio-
nalitäten zu erwarten, welches die „Preſſe“ im vorausbin durch die Nennung
der Mitglieder verdächtigen will, aus denen wie Graf Apponyi, Freiherr
v. Joſika, Zarka, Urmenyi, Vincenz Szent-Joanyi, Emil Deſſewffy die
Commiſſion zuſammengeſetzt ſeyn ſoll, welche das Miniſterium hiebei zu
Rathe zieht. Der ehrenwerthe Charakter dieſer Herren iſt anerkannt. Joſika
iſt ein in parlamentariſchen Stürmen erprobter Steuermann, nicht ſo
glücklich war Apponyi in Ungarn wegen ſeiner Vorliebe für Männer die
keinen Credit bei der Nation haben, und wenn die „Preſſe“ auf die Zuſam-
*) Der endliche Sieg hing aber damals von der Entſcheidung Oeſterreichs
ab, das die Geſchenke an Gebiet zurückwies die ihm Napoleon auf Koſten
Preußens machen wollte. Ohne Oeſterreich keine Schlacht von Leipzig,
kein ſiegreicher franzöſiſcher Feldzug.
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(2022-09-09T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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